Zwischenentscheidung; Testament; Bekanntgabe; Geheimhaltungsinteresse

Leitsätze des Verfassers:

  1. Ein Rechtsmittel gegen eine Zwischenentscheidung im Nachlassverfahren ist ausnahmsweise statthaft, wenn schon diese Entscheidung in die Rechte (etwa ein Geheimhaltungsinteresse) des davon Betroffenen in einem erheblichen Maße eingreift.
  2. Macht bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament der überlebende Ehegatte ein Geheimhaltungsinteresse an Teilen des Testaments geltend, so ist von gerichtlicher Seite zu prüfen, ob der Beteiligte, dem die Verfügung bekannt gegeben werden soll, von dem fraglichen Testamentsteil in seinen Rechten betroffen sein kann.
  3. Ein in einem Ehegattentestament eingesetzter Schlusserbe, dessen Schlusserbenstellung jederzeit von dem längerlebenden Ehegatten widerrufen werden kann, ist nicht Beteiligter im Sinne des § 348 Abs. 3 FamFG (Anschluss an Oberlandesgerichts Zweibrücken, Beschluss vom 27.04.2010 - 4 W 37/10).

KG (19. Zivilsenat), Beschluss vom 12.04.2019 - 19 W 42/19

FamFG § 348 Abs. 3
BGB §§ 2265, 2269

I. Einführung

Der Erblasser und die Antragstellerin haben sich durch Ehegattentestament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. In §§ 2 und 3 der Urkunde haben sie eine Person zum Schlusserben bestimmt und eine Regelung zur Ersatzschlusserbschaft getroffen. In § 4 des Testaments haben sie festgelegt, dass nur die gegenseitige Erbeinsetzung bindend ist und die in dem Testament enthaltenen weiteren Verfügungen für den längerlebenden Ehegatten frei widerruflich sein sollen.

Das Nachlassgericht hat gegenüber der Antragstellerin durch Beschluss angekündigt, eine vollständige Kopie des Testaments den Geschwistern des Erblassers und dem Schlusserben zukommen zu lassen.

Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie hat klargestellt, dass sie mit dem Rechtsmittel erreichen will, dass dem im Testament genannten Schlusserben keine Abschrift des Dokuments übersandt wird und dass die Geschwister des Erblassers nur Kopien des Testaments erhalten, in denen die Schlusserbeneinsetzung geschwärzt oder ausgelassen ist.

II. Problem

Das KG erachtete die Beschwerde als zulässig und begründet.

Die fristgerecht erhobene Beschwerde gegen den Beschluss sei zulässig. Ein Rechtsmittel gegen eine Zwischenentscheidung im Nachlassverfahren sei ausnahmsweise statthaft, wenn schon diese Entscheidung in die Rechte des davon Betroffenen in einem erheblichen Maße eingreift. Das sei hier im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse an dem gemeinschaftlichen Testament der Antragstellerin für die angegriffene Entscheidung der Fall (vgl. z. B. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.04.2010 - 4 W 37/10 - Rn. 1 m.w.N.).

Die Beschwerde sei auch begründet.

Die schriftliche Bekanntgabe einer letztwilligen Verfügung sei in § 348 Abs. 3 FamFG geregelt. Obwohl nach dem Wortlaut der Vorschrift das Nachlassgericht nur verpflichtet ist, die Beteiligten von dem sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen in Kenntnis zu setzen, sei anerkannt, dass gesetzlichen Erben bei jeder Beeinträchtigung ihrer erbrechtlichen Stellung grundsätzlich die gesamte Verfügung von Todes wegen bekannt gegeben werden muss, da sie nur dann beurteilen könnten, ob der Erblasser möglicherweise nicht testierfähig war und ob ein Anfechtungsgrund gegeben ist (MüKoFamFG/Muscheler, § 348 Rn. 33, BeckOK FamFG/Schlögel, § 348 Rn. 16 jeweils m.w.N., vgl. auch KG, Beschluss vom 19.12.1978 - 1 W 3085/78 -, OLGZ 1979, 269, 271 ff. zum alten Recht). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe allerdings, soweit der Beteiligte von einem bestimmten Inhalt der Verfügung nicht betroffen sein kann. So sei beispielsweise anerkannt, dass einem Vermächtnisnehmer nicht die Namen anderer Vermächtnisnehmer mitgeteilt werden müssen (Schlögel a.a.O. m.w.N.). Mache bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament der überlebende Ehegatte - wie hier - ein Geheimhaltungsinteresse an Teilen des Testaments geltend, so sei deshalb von gerichtlicher Seite zu prüfen, ob der Beteiligte, dem die Verfügung bekannt gegeben werden soll, von dem fraglichen Testamentsteil in seinen Rechten im weiten Sinne betroffen sein könnte. Das sei vorliegend für die Geschwister des Erblassers hinsichtlich der in § 2 des Testaments verfügten und für den längerlebenden Ehegatten frei widerruflichen Schlusserbeneinsetzung nicht der Fall. Diese Beteiligten würden nur durch die Einsetzung der Antragstellerin als Alleinerbin, nicht aber durch die Anordnung zur Schlusserbschaft in ihren Rechten beeinträchtigt. Da auch nicht ansatzweise erkennbar sei, dass die Regelung in § 2 des Testaments die Wirksamkeit des Testaments im Übrigen berühren könnte, müsse das grundsätzlich bestehende Interesse der Geschwister des Erblassers, von dem vollständigen Inhalt des Testaments Kenntnis zu erlangen, ausnahmsweise hinter dem Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin zurückstehen.

Dem Schlusserben selbst sei das Testament nicht bekannt zu geben. Der Senat schloss sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (Beschluss vom 27.04.2010 - 4 W 37/10 - juris) an, wonach ein in einem Ehegattentestament eingesetzter Schlusserbe, dessen Schlusserbenstellung jederzeit von dem längerlebenden Ehegatten widerrufen werden kann, nicht als Beteiligter im Sinne des § 348 Abs. 3 FamFG anzusehen ist. Das Oberlandesgericht weise zu Recht darauf hin, dass bei der Entscheidung, wer vom Inhalt der letztwilligen Verfügung zu benachrichtigen ist, auf den Sinn und Zweck der Rechtsvorschrift abzustellen ist, der darin besteht, Personen, deren Rechtsstellung durch die vom Erblasser in der Verfügung von Todes wegen getroffenen Bestimmungen unmittelbar beeinflusst wird, von dem sie betreffenden Inhalt Kenntnis zu geben, um sie in den Stand zu versetzen, das zur Wahrnehmung ihrer Interessen Zweckdienliche zu veranlassen (OLG Zweibrücken a.a.O. Rn. 2). Könne der überlebende Ehegatte die Schlusserbeneinsetzung jederzeit widerrufen, fehle es an einer unmittelbaren Wirkung auf die Rechtsstellung der begünstigten Person in diesem Sinn.

III. Fazit

Einem Geheimhaltungsinteresse kann insbesondere bei Ehegattentestamenten, zur Wahrung des Familienfriedens, eine herausgehobene Bedeutung zukommen.

Die vorliegende Entscheidung stellt klar, dass auch schon die Mitteilung des Nachlassgerichts, den Inhalt des Testaments  bekannt zu machen, eine anfechtbare Endentscheidung im Sinne von §§ 58, 38 FamFG darstellen kann. Macht bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament der überlebende Ehegatte ein Geheimhaltungsinteresse an Teilen des Testaments geltend, so hat das Gericht zu prüfen, ob der Beteiligte, dem die Verfügung bekannt gegeben werden soll, von dem fraglichen Testamentsteil wirklich in seinen Rechten betroffen sein kann.


Rezension des Beschlusses des KG v. 12.04.2019 - 19 W 42/19 „Zwischenentscheidung / Testament / Bekanntgabe / Geheimhaltungsinteresse", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.11 November 2019, S.679 f


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