Vollstreckung; Verpflichtung des Erben zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses

Leitsätze:

  1. Bei der Verpflichtung des Erben gegenüber dem nicht zum Erben berufenen Pflichtteilsberechtigten zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe zur Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verurteilt worden ist. (Rn. 12 – 14)
  2. Ein schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Zwangsmittelfestsetzung ist nur gegeben, wenn das zuvor angeordnete Zwangsgeld entweder gezahlt oder vollstreckt ist. (Rn. 17)
  3. Die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen hat, lässt sich nicht allgemein beantworten. Der Umfang der Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgeblich sind danach jeweils die Umstände des Einzelfalls. (Rn. 30)
  4. Ist der Erbe beim Notar persönlich erschienen und hat er dabei Angaben zum Nachlass gemacht, hat er bei fehlendem weiteren Aufklärungsbedarf seiner Mitwirkungspflicht genügt und ist nicht verpflichtet, in einem für die förmliche Aufnahme des Nachlassverzeichnisses bestimmten Termin, bei dem der Auskunftsberechtigte anwesend ist, erneut zu erscheinen. (Rn. 33)

BGH (I. Zivilsenat), Beschluss vom 13.09.2018 - I ZB 109/17

ZPO § 888 Abs. 1
BGB § 2314 Abs. 1

I. Einführung

Die Gläubigerin ist die nichteheliche Tochter des 2014 verstorbenen Erblassers. Die Schuldnerin ist dessen Witwe. Die Gläubigerin machte einen Pflichtteilsanspruch gegen die Schuldnerin als Vorerbin nach dem Erblasser geltend und erwirkte ein Urteil, mit dem die Schuldnerin verurteilt wurde, der Gläubigerin Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses zu erteilen, bei dessen Aufnahme die Gläubigerin hinzugezogen wird.

Der von der Schuldnerin mit der Erstellung des Verzeichnisses beauftragte Notar beraumte mehrere Termine zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses an, zu denen jeweils beide Parteien geladen wurden. Die Schuldnerin suchte den Notar gemeinsam mit ihrem Bevollmächtigten auf und legte ihm umfangreiche Unterlagen vor. Sie erschien jedoch nicht zu den weiteren vom Notar anberaumten Terminen. Der Notar leitete der Gläubigerin und der Schuldnerin den Entwurf eines Nachlassverzeichnisses zu und gewährte ihnen eine Frist zur Stellungnahme.

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht zur Erzwingung der Auskunftsverpflichtung ein Zwangsgeld gegen die Schuldnerin festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat später erneut die Festsetzung eines Zwangsgelds zur Erzwingung der titulierten Verpflichtung beantragt und das Landgericht dieses festgesetzt.

Dagegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der Notar habe vor Erlass des Zwangsgeldbeschlusses ein notarielles Nachlassverzeichnis aufgenommen und der Gläubigerin zugeleitet. Das Beschwerdegericht hat sodann den Zwangsgeldbeschluss aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung von Zwangsmitteln zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für die erneute Festsetzung von Zwangsmitteln nicht vorlägen. Die Schuldnerin habe die titulierte Verpflichtung durch Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses inzwischen erfüllt. Dieses sei nicht bereits deshalb unzureichend, weil die zur Auskunft verpflichtete Schuldnerin bei keinem der von dem Notar anberaumten Termine persönlich anwesend gewesen sei.

II. Problem

Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde hatte nach Ansicht des BGH keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht habe den Vollstreckungsantrag der Gläubigerin zu Recht zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Verurteilung des Erben zur Erteilung einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Gläubiger hinzugezogen wird, als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Androhung von Zwangsmitteln zu vollstrecken sei.

Ein Titel habe eine nicht vertretbare Handlung zum Inhalt, wenn der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, sondern ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist, jedoch nicht in der Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht. Von einer nicht vertretbaren Handlung sei auch auszugehen, wenn ein Dritter lediglich Teile der Handlung vornehmen könnte (BGH NJW 2016, 3536 Rn. 12 mwN).

Hier handele es sich um eine unvertretbare Handlung, auch wenn der Erbe zur Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verurteilt worden ist. Bei der Erteilung der Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch das nach § 260 BGB vorzulegende Verzeichnis der Nachlassgegenstände handele es sich um eine unvertretbare Handlung im Sinne von § 888 ZPO (BGH NJW 1975, 1774, 1777).

Nichts anderes gelte für den Fall, dass das Verzeichnis der Nachlassgegenstände durch einen Notar aufgenommen wird. Dies verändere den Charakter der Erteilung der Auskunft als unvertretbare Handlung nicht. Zwar handele es sich bei der für die Aufnahme eines notariellen Verzeichnisses erforderlichen Beauftragung des Notars um eine vertretbare Handlung. Für die Aufnahme des Verzeichnisses sei außerdem das Tätigwerden des beauftragten Notars erforderlich. Jedoch könne der Notar ohne Mitwirkung des Schuldners das Verzeichnis nicht aufnehmen. Er sei vielmehr darauf angewiesen, dass ihm der Schuldner die für die Aufnahme des Verzeichnisses erforderlichen Informationen übermittelt.

Daneben sei auch der Zwangsgeldantrag der Gläubigerin nicht schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ein schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Zwangsmittelfestsetzung sei nur dann gegeben, wenn das zuvor angeordnete Zwangsgeld entweder gezahlt oder vollstreckt ist. Dies ergebe sich aus dem Charakter des Zwangsgeldes als Beugemittel.

Im Streitfall bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin.

Zwar habe die Gläubigerin bereits vor Erhalt der vollstreckbaren Ausfertigung des ersten Zwangsgeldbeschlusses und vor Zahlung des damit festgesetzten Zwangsgelds einen erneuten Zwangsmittelantrag gestellt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den zweiten Zwangsmittelantrag habe damit zwar nicht bei Antragstellung und auch nicht bei Festsetzung eines zweiten Zwangsgelds durch das Landgericht vorgelegen, jedoch sei es bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts gegeben gewesen.

Das Beschwerdegericht sei auch zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schuldnerin den titulierten Anspruch erfüllt hat.

Die Rechtsbeschwerde mache ohne Erfolg geltend, dem Erfüllungseinwand der Schuldnerin stehe bereits der Umstand entgegen, dass diese ausweislich des Vollstreckungstitels bei der Aufnahme des durch den Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses hinzuzuziehen sei. Die Schuldnerin sei dieser ausgeurteilten Verpflichtung, bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses zu dem vom Notar bestimmten Terminen anwesend zu sein, jedoch nicht nachgekommen.

Ausweislich des Vollstreckungstitels sei die Schuldnerin zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses verurteilt worden, bei dessen Aufnahme „die Klägerin“, das heißt „die Gläubigerin“, hinzugezogen wird. Dieser Tenor tituliere den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten, bei der Aufnahme des Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen zu werden (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Vollstreckungstitel erfordere demgegenüber nicht, dass die Schuldnerin als Beklagte bei der Aufnahme des Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zuzuziehen ist.

Das von der Schuldnerin vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis, genüge den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB. Dem stehe nicht entgegen, dass sie bei dessen Aufnahme und bei dem von dem mit der Aufnahme beauftragten Notar anberaumten früheren Terminen, zu denen sie und die Gläubigerin beide geladen waren, nicht persönlich anwesend gewesen ist.

Die Frage, ob die persönliche Anwesenheit des Auskunftsverpflichteten bei der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses erforderlich ist, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen hat, lasse sich nicht allgemein beantworten. Der Umfang der Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richte sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgeblich seien danach jeweils die Umstände des Einzelfalls.

  • 2314 BGB gehe von der Lage aus, in der sich ein Pflichtteilsberechtigter befindet, der nicht Erbe ist. Weil dieser weder Zugang zum Nachlass hat, noch an ihm beteiligt ist, gewähre ihm die Bestimmung Auskunftsrechte, die so umfassend ausgestaltet sind, dass er sein Pflichtteilsrecht gleichwohl durchzusetzen vermag (BGHZ 61, 180, 183). Gesetzgeberischer Zweck des § 2314 BGB sei es damit, dem Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Außerdem solle mit der Bezugnahme auf § 260 BGB sichergestellt werden, dass der gesetzliche Auskunftsanspruch in einer klaren und übersichtlichen Form befriedigt wird (BGHZ 33, 373, 374).

Ein notarielles Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB solle eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das Privatverzeichnis des Pflichtteilsbelasteten bieten. Dementsprechend müsse der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet (BGHZ 33, 373, 377). Der Notar sei in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er müsse zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings dürfe er sich hierauf nicht beschränken, namentlich nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen, selbst wenn er den Erben über seine Pflicht belehrt hat, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Vielmehr müsse er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei habe er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28. Januar 2011 - 5 W 312/10; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. März 2014 - 2 W 495/13).

Aus dem Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB ergebe sich zwar keine Verpflichtung des Erben, vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen. Allerdings werde der Notar im Regelfall für die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses auf Angaben des Erben angewiesen sein. Hierfür müsse der Notar den Erben grundsätzlich persönlich befragen und ihn dabei auf seine Pflicht zur Erteilung wahrheitsgemäßer und vollständiger Angaben hinweisen. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der in § 2314 Abs. 1 BGB geregelten Auskunftspflicht. Sei der Erbe beim Notar persönlich erschienen und hat er dabei Angaben zum Nachlass gemacht, habe er bei fehlendem weiteren Aufklärungsbedarf seiner Mitwirkungspflicht genügt und sei nicht verpflichtet, in einem für die förmliche Aufnahme des Nachlassverzeichnisses bestimmten Termin, bei dem der Auskunftsberechtigte anwesend ist, erneut zu erscheinen. Besteht dagegen weiterer Aufklärungsbedarf, könne es erforderlich sein, dass der Auskunftspflichtige erneut persönlich vor dem Notar erscheint.

Das Beschwerdegericht sei von diesen Grundsätzen ausgegangen und habe zu Recht angenommen, dass es im Streitfall der Anwesenheit der Schuldnerin in einem der anberaumten Termine zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses nicht bedurfte.

Jedenfalls in einem Fall wie dem Streitfall, bei dem es einen persönlichen Kontakt zwischen dem Auskunftspflichtigen und dem Notar gegeben hat, sei der Erbe nicht verpflichtet, zu dem Termin zur förmlichen Aufnahme des Nachlassverzeichnisses erneut vor dem Notar zu erscheinen, wenn es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gibt.

Danach war die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts auf Kosten der Gläubigerin zurückzuweisen.

III. Fazit

Die Entscheidung führt die vorangegangenen Entscheidungen des OLG Saarbrücken (FamRZ 2011, 1258) und des OLG Koblenz (NJW 2014, 1972) zu den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis fort und konkretisiert diese teilweise.

Die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen hat, wurde vom BGH nicht allgemein beantwortet. Nach der Entscheidung komme es hierbei auf die Umstände des Einzelfalls an. Im Normalfall muss der Erbe, nach den in der Entscheidung dargelegten Grundsätzen, jedoch mindestens einmal persönlich vor dem Notar erscheinen und durch diesen befragt werden. Besteht danach kein weiterer Aufklärungsbedarf mehr, ist ein weiteres persönliches Erscheinen nicht mehr notwendig.

Zu den allgemeinen Anforderungen führt die Entscheidung weiter aus, dass der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln muss und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen muss, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens aber weitgehend frei. Zwar muss er zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen, darf sich hierauf aber nicht beschränken, namentlich nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei habe er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Für die Praxis ist auf eine baldige weitergehende Konkretisierung durch die Rechtsprechung zu hoffen.


Rezension des Beschlusses des BGH v. 13.09.2018 - I ZB 109/17 - OLG Köln „Vollstreckung / Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.2 Februar 2019, S.113 ff


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