Vollstreckung; Miterbenanteil

Amtlicher Leitsatz:

Die Pfändung und Überweisung des Anteils eines Miterben am Nachlass berechtigt den Vollstreckungsgläubiger nicht dazu, den Erbanteil freihändig zu veräußern. Hierzu bedarf es vielmehr eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts.

BGH (V. Zivilsenat), Beschluss vom 07.02.2019 - V ZB 89/18

ZPO §§ 835 Abs. 1, 857 Abs. 5, 859 Abs. 2
GBO §§ 29 Abs. 1, 78 Abs. 1
BGB §§ 2033 Abs. 1 S. 1, 2042

I. Einführung

Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind im Grundbuch in Erbengemeinschaft als Eigentümer zu je 1/3-Anteil eines Grundstücks eingetragen. Die Beteiligten zu 5) und 6) pfändeten den Miterbenanteil des Beteiligten zu 1) und erwirkten die Überweisung des Anteils zur Einziehung. Sodann verkauften und übertrugen sie ihn an die Beteiligte zu 4). Unter Vorlage des Erbanteilskaufvertrages haben die Beteiligten zu 4) bis 6) die Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich des Erbanteils des Beteiligten zu 1) beantragt. Das Grundbuchamt hat die Eintragung u.a. von der Vorlage einer Anordnung des Vollstreckungsgerichts nach § 844, § 857 Abs. 5 ZPO oder einer Genehmigung des Beteiligten zu 1) in der Form des § 29 Abs. 1 GBO abhängig gemacht. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4) bis 6) ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 4) weiterhin die Aufhebung der Zwischenverfügung und die Eintragung der Erbteilsübertragung in das Grundbuch erreichen.

Das Beschwerdegericht war der Ansicht, dass das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht, da die Überweisung zur Einziehung nach § 857 Abs. 1, §§ 835 ff. ZPO den Gläubiger nur dazu ermächtige, das Recht des Schuldners aus dem gepfändeten Erbanteil geltend zu machen und alle in dem Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung des Gläubigers dienenden Maßnahmen durchzuführen. Eine Veräußerung des Miterbenanteils, sei es durch Versteigerung des Anteils oder, wie hier, durch einen freihändigen Verkauf, sei dagegen nicht schon nach einer Pfändung und Überweisung des Anteils möglich, sondern nur nach einer entsprechenden Anordnung des Vollstreckungsgerichts. Hieran fehle es. Ein Einverständnis des Beteiligten zu 1) mit dem Verkauf liege ebenfalls nicht vor.

II. Problem

Der BGH erachtete die Rechtsbeschwerde als zulässig, aber unbegründet. Die beantragte Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 22 Abs. 1 GBO scheidet aus, da es nicht unrichtig geworden sei.

Übertrage ein Miterbe gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB seinen Anteil an dem Nachlass auf einen Dritten und gehört zu dem Nachlass ein Grundstück, werde eine Grundbuchberichtigung erforderlich. Der Erwerber erhalte durch die Veräußerung zwar nicht die Miterbenstellung als solche (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1959 - V BLw 34/59, BGHZ 31, 253, 255). Er trete aber an Stelle des veräußernden Miterben in dessen vermögensrechtliche Stellung am Nachlass ein. Dies führe hinsichtlich des Eigentums an dem Grundstück zu einer Rechtsänderung, die grundbuchmäßig im Wege der Berichtigung kenntlich gemacht werden muss (vgl. BGH NJW 1969, 92).

Da hier nicht der Beteiligte zu 1), sondern die Beteiligten zu 5) und 6) den Miterbenanteil des Beteiligten zu 1) an die Beteiligte zu 4) übertragen haben, hätte dies nur dann die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Folge, wenn sie zu einer solchen Veräußerung aufgrund der Pfändung und Überweisung des Erbanteils berechtigt gewesen wären. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Pfändung und Überweisung des Anteils eines Miterben am Nachlass berechtige den Vollstreckungsgläubiger nicht dazu, den Erbanteil freihändig zu veräußern. Hierzu bedürfe es vielmehr eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts, an dem es vorliegend fehle.

Der Anteil eines Miterben an dem Nachlass könne gemäß § 859 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ZPO gepfändet werden. Insoweit handele es sich um eine Zwangsvollstreckung in ein anderes Vermögensrecht, für die gemäß § 857 Abs. 1 ZPO die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in Forderungen gemäß § 828 ff. ZPO entsprechend gelten. Dies bedeute, dass der Gläubiger mit der Pfändung ein Pfändungspfandrecht (§ 804 Abs. 1 ZPO) an dem Erbanteil erwirbt, nicht jedoch an den einzelnen Nachlassgegenständen (BGH, Urteil vom 12. Mai 1965 - VIII ZR 86/67, BGHZ 52, 99, 102). Für die Verwertung des gepfändeten Anteils finde § 835 Abs. 1 ZPO Anwendung, d.h., der Anteil werde dem Gläubiger - wie hier den Beteiligten zu 5) und 6) - zur Einziehung überwiesen. Die in der Vorschrift ebenfalls vorgesehene Überweisung an Zahlungs statt scheide nach allgemeiner Auffassung aus, da es bei einem Erbteil an einem von der Vorschrift vorausgesetzten Nennwert fehle (vgl. nur Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1690; BeckOK BGB/Lohmann, § 2033 Rn. 37).

Durch eine Überweisung zur Einziehung werde der Gläubiger zu allen im Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung dienenden Maßnahmen ermächtigt. Handelt es sich um eine Geldforderung i.S.d. § 829 Abs. 1 ZPO, dürfe er im eigenen Namen die Forderung kündigen, einziehen, mit ihr aufrechnen und vor allem auf Leistung an sich klagen (vgl. BGH NJW 1978, 1914). Werde dem Gläubiger, wie hier, ein Erbanteil zur Einziehung überwiesen, berechtige ihn dies dazu, die Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) zu betreiben. Er könne hierzu gemäß § 363 Abs. 2 FamFG bei dem Nachlassgericht einen Antrag auf Vermittlung der Auseinandersetzung durch einen Notar stellen oder auch eine Teilungsklage gemäß § 2042 Abs. 1, §§ 749 ff. BGB gegen die Miterben erheben. Der Gläubiger sei zudem nach § 2042 i.V.m. § 753 BGB, § 181 Abs. 2 Satz 1 ZVG berechtigt, zum Zwecke der Gesamtauseinandersetzung selbstständig den Antrag auf Teilungsversteigerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks zu stellen (vgl. BGH NJW-RR 1999, 504).

Die Überweisung der gepfändeten Geldforderung (§ 829 Abs. 1 ZPO) bzw. des gepfändeten Rechts (§§ 857 ff. ZPO) zur Einziehung - hier des Erbanteils - gebe dem Gläubiger jedoch nicht die Befugnis, die Forderung oder das Recht auf einen Dritten zu übertragen.

Der Pfändungsgläubiger werde bei einer Überweisung zur Einziehung nicht Inhaber der Forderung oder des Rechts. Die Inhaberschaft der Forderung oder des Rechts verbleibe vielmehr bei dem Schuldner (vgl. BGH NJW 1978, 1914; Urteil vom 8. Oktober 1981 - VII ZR 319/80, BGHZ 82, 28). Deshalb erwerbe der Gläubiger die Verfügungsbefugnis nicht uneingeschränkt. Etwas anderes gelte nur bei einer Überweisung der Forderung an Zahlungs statt zum Nennwert (vgl. § 835 Abs. 1 und 2 ZPO). Bei einer solchen Vorgehensweise stehe dem Gläubiger die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Forderung zu, er könne sie also insbesondere auch veräußern, trage auf der anderen Seite aber das Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung, weil die Vollstreckungsforderung in Höhe des überwiesenen Betrages ungeachtet der Bonität des Drittschuldners als erloschen gilt (§ 835 Abs. 2 ZPO). Abgesehen davon, dass bei der Pfändung eines Erbanteils eine Überweisung an Zahlungs statt von vorneherein ausscheidet, sei der Erbteil des Beteiligten zu 1) den Beteiligten zu 5) und 6) nur zur Einziehung überwiesen worden.

Möchte der Gläubiger bei einer Überweisung zur Einziehung einer gepfändeten Geldforderung diese veräußern, ergebe sich eine solche Befugnis nicht bereits aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, weil die Veräußerung über eine „Einziehung“ der Forderung hinausgehe. Der Gesetzgeber erkenne aber in § 844 ZPO an, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen eine von § 835 Abs. 1 ZPO abweichende Verwertungsart angezeigt sein kann. Dies sei der Fall, wenn die gepfändete Forderung bedingt oder betagt oder ihre Einziehung wegen der Abhängigkeit von einer Gegenleistung oder aus anderen Gründen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, führe dies aber nicht schon als solches dazu, dass der Gläubiger zu einer anderen Verwertungsart befugt ist, er die Forderung also beispielsweise veräußern darf. Vielmehr bedürfe es hierzu eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts. Dies beruhe darauf, dass sich die Rechtfertigung einer anderweitigen Verwertung nicht nur nach dem Interesse des Gläubigers an der alsbaldigen Befriedigung beurteilt, sondern auch nach dem schutzwürdigen Interesse des Schuldners, der den Pfandgegenstand nicht verschleudert sehen möchte (vgl. Stöber, Forderungspfändung 16. Aufl., Rn. 1466).

Auch bei der Pfändung und Überweisung eines Erbanteils sei der Gläubiger nur dann zu einer Veräußerung befugt, wenn er von dem Vollstreckungsgericht hierzu durch gesonderten Beschluss ermächtigt ist. Dies ergebe sich aus der Vorschrift des § 857 Abs. 5 ZPO, die bei der Pfändung eines Erbteils gemäß § 859 Abs. 2 ZPO anwendbar ist. Hiernach könne die Veräußerung von dem Gericht angeordnet werden, wenn die Veräußerung des Rechts selbst zulässig ist. Die in der Rechtsprechung vereinzelt ohne nähere Begründung vertretene Auffassung, dass der Gläubiger bereits aufgrund der Überweisung des Erbanteils zur Einziehung berechtigt sei, den Anteil freihändig zu veräußern (vgl. OLG Naumburg, FamRZ 2013, 1515; zustimmend wohl Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 859 Rn. 22; BeckOK BGB/Lohmann, § 2033 Rn. 14), finde im Gesetz keine Grundlage (so auch BeckOK ZPO/Riedel, § 859 Rn. 33, 35; vgl. auch MüKo-ZPO/Smid, § 859 Rn. 23; MüKo-BGB/Gergen, § 2033 Rn. 37; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1700; Liermann, NJW 1962, 218).

Bei dieser Sachlage bedürfe die Eintragung der Beteiligten zu 4) einer entsprechenden Bewilligung (§ 19 GBO) bzw. einer - gemäß § 185 BGB analog möglichen (vgl. BGH FGPrax 2010, 223 Rn. 13) - Genehmigung des Beteiligten zu 1) als Berechtigten. Auch hieran fehle es, so dass die von dem Beschwerdegericht bestätigte Zwischenverfügung des Grundbuchamtes rechtlich nicht zu beanstanden sei.

III. Fazit

Die Entscheidung des BGH beschäftigt sich mit einem Problem der Zwangsvollstreckung in einen Miterbenanteil eines Miterben.

Nach der vorliegenden Entscheidung berechtigt die Pfändung und Überweisung des Miterbenanteils am Nachlass den Vollstreckungsgläubiger nicht dazu, den Erbanteil freihändig zu veräußern. Hierzu bedarf es vielmehr eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts oder der Zustimmung des Vollstreckungsschuldners.

Der BGH wendet sich damit gegen eine teilweise in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen abweichenden Ansicht, die hier schon allein die Einziehung zur Überweisung ausreichen lassen will.

 


Rezension des Beschlusses des BGH v. 07.02.2019 - V ZB 89/18 OLG Oldenburg „Vollstreckung / Miterbenanteil", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.6 Juni 2019, S.361 f


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