Verwaltung des von Todes wegen erworbenen Vermögens; Pflegerbestellung; Ausschluss der Vermögensverwaltung durch die Eltern

Leitsatz:

  1. Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen (§ 1909 Abs. 1 S. 2 BGB).
  2. Der Ausschluss von der Vermögensverwaltung muss nicht ausdrücklich in der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser vorgenommen werden. Es genügt, dass der Wille des Erblassers, die Eltern oder einen Elternteil von der Verwaltung auszuschließen, in der letztwilligen Verfügung, wenn auch nur unvollkommen, zum Ausdruck kommt.
  3. Der Ausschluss kann darin liegen, dass der Erblasser um die Bestellung eines Pflegers oder um die Verwaltung durch das Jugendamt ersucht. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung allein genügt für den Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge aber nicht.

OLG Brandenburg (1. Senat für Familiensachen), Beschluss vom 15.03.2019 - 9 WF 265/18

BGB §§ 1629 Abs. 1, 1638 Abs. 1, 1909 Abs. 1 S. 1

I. Einführung

ie Beteiligten streiten über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.

L1 (geboren im Jahr 2008) und L2 (geboren im Jahr 2009), sind die Kinder der Beteiligten zu 1) und des K. Die Ehe der Kindeseltern wurde im Jahr 2012 geschieden.

Der Kindesvater ist im Jahr 2016 verstorben. Er hinterließ noch zwei weitere Kinder.

Mit handschriftlichem Testament aus dem Jahr 2012 hatte der Erblasser seine beiden Töchter L1 und L2 als Erben zu je ½ eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Ferner bestimmte er, dass seine geschiedene Ehefrau N den Minimalpflichtteil aus dem Nachlass erhält.

Das Amtsgericht Eisenhüttenstadt hat den Testamentsvollstrecker wegen Untätigkeit entlassen. Die im Testament - für den Fall des Todes des Testamentsvollstreckers - weiter benannte Person lehnte die Übernahme des Amtes ab.

Im Verfahren hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt für beide betroffene Kinder eine Ergänzungspflegschaft angeordnet und den Beteiligten zu 2) zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Wirkungskreis umfasst die Verwaltung des ererbten Vermögens nach dem Erblasser K.

Gegen diesen Beschluss hat die Mutter Beschwerde eingelegt, mit der sie dessen Aufhebung erstrebt. Der Erblasser habe sie (die Mutter) nicht von der Verwaltung des ererbten Vermögens ausschließen wollen. Derartiges ergebe sich nicht aus seinem Testament.

II. Problem

Das OLG Brandenburg erachtete die Beschwerde als zulässig und in der Sache erfolgreich.

Das Amtsgericht habe zu Unrecht für die minderjährigen Kinder eine Ergänzungspflegschaft hinsichtlich der Verwaltung des Nachlasses des verstorbenen Vaters angeordnet.

Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhalte, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Er erhalte insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen (§ 1909 Abs. 1 S. 2 BGB). Das sei hier aber nicht der Fall.

Die Beteiligte zu 1) sei für die betroffenen Kinder allein sorgeberechtigt. Stirbt ein Elternteil und stehe die elterliche Sorge bis zu diesem Zeitpunkt den Eltern gemeinsam zu, so stehe nach § 1680 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu. Bestandteil der elterlichen Sorge sei neben der Personensorge auch die Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 BGB). Sie umfasse alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, das Kindesvermögen zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren. Soweit die Vermögenssorge reicht, habe der überlebende Elternteil auch die Befugnis zur Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 1 S. 1, 3 BGB).

Der Beteiligten zu 1) steht die Sorge für das gesamte Vermögen der Kinder zu. Dazu gehört auch der Nachlass des verstorbenen Kindesvaters. Die Vermögenssorge der Mutter sei nicht aufgrund testamentarischer Anordnung ausgeschlossen. Sie könne die Kinder bezüglich des ererbten Vermögens vertreten.

Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstrecke sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.

In seinem Testament habe der Erblasser die Mutter nicht von der Vermögenssorge hinsichtlich des Nachlasses ausgeschlossen. Die letztwillige Verfügung enthalte keine ausdrückliche Bestimmung, wonach das Vermögensverwaltungsrecht der Mutter beschränkt sein soll.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ergebe sich eine derartige Beschränkung auch nicht im Wege der Auslegung des Testaments.

Der Ausschluss von der Vermögensverwaltung müsse nicht ausdrücklich in der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser vorgenommen werden. Es genüge, dass der Wille des Erblassers, die Eltern oder einen Elternteil von der Verwaltung auszuschließen, in der letztwilligen Verfügung, wenn auch nur unvollkommen, zum Ausdruck kommt (BayObLG, FamRZ 1989, 1342; FamRZ 1964, 522; Erman/Döll, BGB, § 1638 Rz. 8; MüKo-BGB/Huber, § 1638 Rz. 8; jurisPK-BGB/Schwer, § 1638 Rz. 3; Staudinger/Heilmann, § 1638 Rz. 11; Frenz, DNotZ 1995, 908, 915). Die letztwillige Verfügung bedürfe dazu der Auslegung.

Der Ausschluss könne darin liegen, dass der Erblasser um die Bestellung eines Pflegers oder um die Verwaltung durch das Jugendamt ersucht (OLG Frankfurt, ZKJ 2012, 451). Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung allein genüge für den Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge aber nicht (BayObLG, FamRZ 2004, 1304; FamRZ 1989, 1342; Soergel/Löhnig, § 1638 Rz. 23; Erman/Döll, § 1638 Rz. 8; Staudinger/Heilmann, § 1638 Rz. 11; MüKo-BGB/Huber, § 1638 Rz. 9; jurisPK-BGB/Schwer, § 1638 Rz. 4; Palandt/Götz, § 1638 Rz. 4; Frenz, DNotZ 1995, 908, 915). Es seien immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend.

Allein aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung lasse sich nicht entnehmen, dass die Vermögensverwaltung der Mutter gemäß § 1638 BGB ausgeschlossen sein sollte. Beide Anordnungen könnten nebeneinander getroffen werden; sie würden sich nicht ausschließen. Zu prüfen sei, ob ein Wille des Erblassers vorlag, die Mutter für den Fall der Beendigung der Testamentsvollstreckung von der Verwaltung des ererbten Vermögens auszuschließen. Dafür gebe der Inhalt der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände aber nichts her.

Dass der Erblasser die Mutter von der Verwaltung sämtlicher Vermögenswerte ausschließen wollte, die den Töchtern aufgrund seines Todes zukommen, lasse sich nicht mit der Anordnung, dass die geschiedene Ehefrau nur „den Minimalpflichtteil“ aus dem Nachlass erhalten soll, begründen. Der Erblasser habe mit dieser Bestimmung lediglich sicherstellen wollen, dass sein Vermögen den eingesetzten Erbinnen, seinen beiden Töchtern L1 und L2, möglichst ungeschmälert zufällt. Er sei sich offenbar nicht bewusst gewesen, dass nach erfolgter Scheidung kein gesetzliches Ehegattenerbrecht (§ 1931 BGB) mehr bestand. Ein Wille des Erblassers, die Mutter der Kinder von der Vermögensverwaltung auszuschließen, lasse sich insoweit nicht ausmachen. In diesem Zusammenhang dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kindeseltern über die Scheidung hinaus freundschaftlich verbunden waren. Sie hätten mit den Töchtern noch Ausflüge unternommen und seien auch zusammen verreist. Daneben habe es auch noch gemeinsame geschäftliche Aktivitäten gegeben (Erwerb einer Eigentumswohnung). Es lasse sich weder aus dem Inhalt des Testaments noch aus anderen Umständen schließen, dass die Testamentsvollstreckung aus Misstrauen der geschiedenen Ehefrau gegenüber erfolgte. Der Erblasser habe die Beziehung seiner Kinder zu den in der letztwilligen Verfügung als Testamentsvollstrecker bestimmten Personen - über seinen Tod hinaus – erhalten wollen; die in Rede stehende Anordnung sei Ausdruck eines besonderen Vertrauensverhältnisses gewesen. Bei den eingesetzten Testamentsvollstreckern habe es sich um den besten Freund des Erblassers und dessen Ehefrau gehandelt; diese sind auch Paten der betroffenen Kinder. Die Erwartung des Erblassers habe sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht erfüllt.

Die testamentarischen Anordnungen, welche die Mutter der Erbinnen betreffen, würden nur erkennen lassen, dass diese nicht selbst Nutznießerin des Vermögens des Erblassers werden sollte. Der Fall, dass sowohl der eingesetzte Testamentsvollstrecker als auch die hilfsweise - für dessen Todesfall - eingesetzte Person nicht für das Amt zur Verfügung stehen würden, sei vom Erblasser nicht bedacht worden. Dass für diesen Fall aus Sicht des Erblassers Gründe bestehen könnten, die Mutter der Erbinnen von der Vertretung auszuschließen, sei nicht festzustellen.

Nach alledem war der Beschluss aufzuheben.

III. Fazit

Der Entscheidung liegt an sich die Ausgangssituation eines sogenannten Geschiedenentestaments zu Grunde. Vorliegend hat das Gericht jedoch angenommen, dass der Erblasser die Kindesmutter, von der er geschieden war, von der Verwaltung des Vermögens, das er seinen Töchtern hinterlassen hat, nicht ausschließen wollte.

Demgegenüber ist in der Praxis oftmals eine Regelung zu finden, die verhindert, dass das Nachlassvermögen, bei Vorversterben der Kinder vor dem überlebenden Elternteil, nicht an den überlebenden Elternteil fällt, der überlebende Elternteil von der Verwaltung des Nachlassvermögens ausgeschlossen ist und diese durch eine vom Erblasser gewählte Person erfolgt.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass insbesondere der Entzug der Vermögenssorge klar zum Ausdruck kommen muss. Demgegenüber genügt die bloße Anordnung einer Testamentsvollstreckung für den Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge nicht.


Rezension des Beschlusses des OLG Brandenburg v. 15.03.2019 - 9 WF 265/18 „Verwaltung des von Todes wegen erworbenen Vermögens / Pflegerbestellung / Ausschluss der Vermögensverwaltung durch die Eltern", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.8 August 2019, S.483 f


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