USA; Quellensteuer; Versicherung; Erbschaftssteuer

Leitsatz:

  1. Die vom Erwerber in den USA auf eine Versicherungsleistung gezahlte Quellensteuer („Federal Income Tax Withheld“) ist weder nach § 21 ErbStG noch nach den Vorschriften des DBA USA-Erb auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen.
  2. Von der Versicherungssumme ist die einbehaltene Quellensteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, wenn die Quellensteuer deshalb erhoben wird, weil in der Versicherungssumme unversteuerte Einnahmen des Erblassers enthalten sind.
  3. Vom Erblasser herrührende Schulden können auch bei Erwerbern, die nicht Erben sind, als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb abziehbar sein.

BFH, Urteil vom 15.06.2016 - II R 51/14

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 5 Nr. 1, § 21
BGB § 1922, § 1967 Abs. 2

I. Einführung

Der im Inland lebende Kläger und Revisionskläger wurde von dem in den USA lebenden und 2008 verstorbenen Erblasser als Begünstigter aus einer vom Erblasser in den USA abgeschlossenen Lebensversicherung ("Thrift Savings Plan") benannt.

Nach dem Tod des Erblassers erhielt der Kläger die Versicherungssumme abzüglich einbehaltener Quellensteuer ("Federal Income Tax Withheld"). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts beruhte der Abzug der pauschalen Quellensteuer darauf, dass in der Versicherungssumme bis dato unversteuert gebliebene Einnahmen des Erblassers enthalten waren. Der Erblasser habe zum einen die Prämienzahlungen aus unversteuerten Einkünften erbracht und zum anderen während der Laufzeit erzielte Kapitaleinkünfte nicht versteuert.

Der Kläger begehrte den Abzug der ausländischen Steuer von der inländischen Erbschaftsteuer nach § 21 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) folgte dem nicht und setzte die Erbschaftsteuer ausgehend von einem Wert des Erwerbs und unter Abzug eines persönlichen Freibetrags in Höhe von 5.200 € fest. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage ab. Seiner Ansicht nach war die einbehaltene Quellensteuer weder als ausländische Erbschaftsteuer noch als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision.

II. Problem

Die Revision war nach Ansicht des BFH begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids.

Das FG habe zwar zutreffend entschieden, dass die einbehaltene Quellensteuer weder nach § 21 ErbStG noch nach dem DBA USA-Erb auf die inländische Erbschaftsteuer angerechnet werden kann. Entgegen der Ansicht des FG sei aber die einbehaltene Quellensteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.

Nach § 21 ErbStG könne die in einem ausländischen Staat auf das Auslandsvermögen entfallende, festgesetzte und gezahlte Steuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden, wenn das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Die ausländische Steuer sei nur anrechenbar, wenn sie der deutschen Erbschaftsteuer entspricht. Dazu müsse durch sie der Wert des Nachlassvermögens im Sinn einer auf der Nachlassmasse als solcher liegenden Nachlasssteuer oder der Erbanfall, also die Bereicherung beim einzelnen Erben, erfasst werden (BFHE 177, 492, BStBl II 1995, 540).

Nach den Feststellungen des FG erfülle die "Federal Income Tax Withheld" diese Voraussetzung nicht.

Danach sei die US-amerikanische Erbschaftsteuer als Nachlasssteuer konzipiert. Besteuert werde nicht der Erwerbsvorgang, sondern der Nachlass, und zwar unabhängig davon, wie viele Erben daran teilhaben und in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis die Erben zum Erblasser stehen. Steuerschuldner sei der im US-amerikanischen Erbrecht obligatorisch vorgesehene Nachlassverwalter und nicht der Erbe (vgl. Wilms, Grundzüge des US-amerikanischen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2001, 345 ff., 385 ff.).

Die "Federal Income Tax Withheld" werde demgegenüber unabhängig von einem Erbanfall oder einer Bereicherung des Berechtigten allein durch die Auszahlung der Versicherungssumme ausgelöst. Besteuerungsgegenstand der "Federal Income Tax Withheld" sei nicht das Nachlassvermögen als Ganzes oder die Bereicherung des einzelnen Erben, sondern ausschließlich die ausgezahlte Versicherungssumme. Wäre die Auszahlung noch zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers erfolgt, hätte dieser als Steuerschuldner die "Federal Income Tax Withheld" ebenfalls entrichten müssen.

Ausgehend von diesen Feststellungen, könne die dem Kläger belastete ausländische Quellensteuer nicht auf die Erbschaftsteuer angerechnet werden.

Aus denselben Gründen sei die einbehaltene Quellensteuer auch nicht nach dem DBA USA-Erb anzurechnen.

Der Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungssumme erfülle den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Vom Erwerb sei jedoch die einbehaltene Quellensteuer als vom Erblasser herrührende Schuld nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzuziehen.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gelte als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG setze bei einem Vertrag zugunsten Dritter voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handele es sich nämlich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet werde, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tod des Erblassers als Zuwendenden eintritt. Daher verlange auch der Erwerb i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine objektive Bereicherung des Dritten, die aus dem Vermögen des Erblassers herrührt (BFH/NV 1998, 1485; BFHE 243, 385, BStBl II 2014, 261, Rz 10).

In den Fällen des § 3 ErbStG gelte als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setze ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff "herrühren" ergebe sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen (vgl. BFH NJW 1991, 2558; BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790). Erblasserschulden i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB seien auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre.

Vom Erblasser herrührende Schulden könnten auch bei Erwerbern, die keine Erben sind, Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sein. Dies folge aus § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, der den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nicht auf bestimmte Erwerbsvorgänge des § 3 ErbStG beschränkt. Soweit der Senat die Auffassung vertreten hat, dass ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG durch eine Person, die nicht Erbe geworden ist, nicht um Erblasserschulden i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gemindert werden kann (vgl. BFH/NV 2001, 39), werde daran nicht mehr festgehalten.

Hat der Erblasser für den Fall seines Todes einen Dritten als alleinigen Bezugsberechtigten der Versicherungssumme aus einer von ihm abgeschlossenen Lebensversicherung benannt und dabei freigebig gehandelt, sei der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mit dem Tod des Erblassers erfüllt. Die Versicherungssumme ist mit dem Nennwert anzusetzen. Von der Versicherungssumme sei nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG eine bei Auszahlung der Versicherungssumme einbehaltene Quellensteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, wenn die Quellensteuer deshalb erhoben wird, weil in der Versicherungssumme unversteuerte Einnahmen des Erblassers enthalten sind. Insoweit gilt nichts anderes als beim Abzug von - nach dem Tod des Erblassers gegen den Erben festgesetzten - Steuerschulden des Erblassers (vgl. dazu BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790; BFHE 252, 448, BStBl II 2016, 477). Die bei Auszahlung einbehaltene Quellensteuer wirke in diesem Fall wie eine nachgelagerte Besteuerung des Erblassers und gehört zu den vom Erblasser herrührenden Schulden.

Ausgehend von diesen Grundsätzen bemesse sich der steuerpflichtige Erwerb im Streitfall nach der Versicherungssumme abzüglich der in den USA einbehaltenen Quellensteuer.

Die Entscheidung stehe auch nicht im Widerspruch zu einem anderen Urteil des Senats (BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641). Danach sei die beim Erbfall (latent) auf einer Zinsforderung ruhende Einkommensteuerlast des Erben weder bei der Bewertung noch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen, wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten eine Ursache für diese Einkünfte gesetzt hat. In einem solchen Fall sei es aus Vereinfachungsgründen gerechtfertigt, bei der Bemessung der Erbschaftsteuer die zum Todeszeitpunkt noch nicht fälligen Zinsansprüche mit ihrem Nennwert, mithin ohne Berücksichtigung ihrer späteren Belastung durch Einkommensteuer anzusetzen (Nichtannahmebeschluss vom 7. April 2015 1 BvR 1432/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 695). Die hier streitige Quellensteuer sei in Höhe von 10 % pauschal auf die Versicherungssumme im Zeitpunkt des Todes erhoben worden. Sie erfasse bislang unversteuerte Einzahlungen und Erträge aus dem eingezahlten Kapital und berücksichtigt weder persönliche Verhältnisse des Erblassers noch solche des Berechtigten.

III. Fazit

Der Bundesfinanzhof stellt in der vorliegenden Entscheidung klar, dass die amerikanische "Federal Income Tax Withheld" weder nach § 21 ErbStG noch nach den Vorschriften des DBA USA-Erb auf die deutsche Erbschaftsteuer angrerechnet werden kann.

Ein Abzug der einbehaltenen Quellensteuer als vom Erblasser herrührende Schuld nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist jedoch möglich.

Bedeutend ist die Abkehr des BFH von seiner früheren Rechtsprechung. Nunmehr stellt er fest, dass vom Erblasser herrührende Schulden auch bei Erwerbern, die keine Erben sind, Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sein können. Dies folge aus § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, der den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nicht auf bestimmte Erwerbsvorgänge des § 3 ErbStG beschränkt. Die frühere Ansicht, dass ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG durch eine Person, die nicht Erbe geworden ist, nicht um Erblasserschulden i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gemindert werden kann, ist mithin hinfällig. 


Rezension des Beschlusses des BGH v. 15.06.2016 - II R 51/14 „USA / Quellensteuer / Versicherung / Erbschaftssteuer", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.1 Januar 2017, S.51 f


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