Testamentsauslegung; Vor- und Nacherbe; Ersatznacherbfolge

Leitsätze:

Zur Auslegung eines notariellen Testaments bei der die Erblasserin Vor- und Nacherbfolge“ sowie Ersatznacherbfolge angeordnet hat.

OLG München, Beschluss vom 24.04.2017 - 31 Wx 463/16

BGB §§ 1754, § 2361, § 2363 Abs. 1 S. 1, 2096, 2100
GNotKG §§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 22 Abs. 1
FamFG § 38 Abs. 3 S. 3

I. Einführung

Die Erblasserin hinterließ folgendes Testament:

„(…)II. Zu meiner alleinigen Erbin bestimme ich meine Nichte S.(= Beteiligte zu 1).

III. Frau S. (= Beteiligte zu 1) soll jedoch nur Vorerbin sein. Zu Nacherben bestimme ich ihre Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen. Dies sind derzeit: (= Beteiligte zu 2,3,4)

Die Nacherbschaft tritt ein mit dem Tode des Vorerben. Der Vorerbe ist nicht von den gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit.

  1. Zu Ersatznacherben bestimme ich die weiteren Abkömmlinge von Frau S. (= Beteiligte zu 1) nach Stämmen zu gleichen Anteilen. Sollten auch sie nicht erben werden, bestimme ich zur weiteren Ersatznacherbin meine Nichte, Frau B., ersatzweise deren Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen, ersatzweise (…) zur Verwendung für das Kinderdorf (…). Für Frau B. ordne ich weitere Nacherbfolge an. Diese weiteren Nacherben sind deren Abkömmlinge nach gleichen Stammanteilen.
  2. Falls Abkömmlinge von S.(= Beteiligte zu 1) nicht erst Nacherben, sondern sogleich Erben von mir werden, so sind auch sie nur Vorerben und deren Nacherben sind die oben weitere bestimmten Ersatznacherben.

Das Nachlassgericht hat der Beteiligten zu 1) antragsgemäß einen Erbschein erteilt, der sie unter Anordnung von Nacherbfolge als Alleinerbin ausweist. Des Weiteren enthält der Erbschein u.a. folgende Vermerke:

Die Nacherben sind die Abkömmlinge der Vorerbin nach Stämmen zu gleichen Anteilen, derzeit:

Beteiligte zu 2-4 Ersatznacherbfolge ist angeordnet.

Ersatznacherben sind die weiteren Abkömmlinge der Vorerbin nach Stämmen zu gleichen Anteilen…“.

Die Beteiligte zu 1) bat um Berichtigung des Erbscheins durch Streichen des Wortes „derzeit“. Bei diesem Wort handele es sich um ein völlig überflüssiges inhaltlich sinnloses und verwirrendes Füllwort. Die Nacherbfolge sei unter Verwendung des Erbscheins im Grundbuch eingetragen. Die Beteiligte zu 1) habe im Sommer 2015 die Nachlasswohnung verkauft; die im Erbschein genannten Nacherben hätten dem Verkauf zugestimmt. Das Grundbuchamt habe aber die Beteiligung der weiteren unbekannten Nacherben durch Bestellung eines Ergänzungspflegers gefordert. Der sodann bestellte Ergänzungspfleger habe die Zustimmung zur Löschung des Nacherbenvermerks erklärt. Die zuständige Rechtspflegerin beim Betreuungsgericht habe in ihrem Beschluss die Genehmigungsfähigkeit der Zustimmung verneint. Das Landgericht München I habe in dem Verfahren „unbekannte Erben nach der Erblasserin wg. Pflegschaft“ einen Hinweis erteilt, dass die Rechtsauffassung des Grundbuchamtes, wonach es unbekannte Nacherben geben könne, unzutreffend sei. Das Nachlassgericht hat die Einziehung des Erbscheins abgelehnt, da der Erbschein die Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wiedergebe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1). Sie vertritt die Auffassung, aus Ziffer IV Satz 1 ergebe sich, dass die weiteren Abkömmlinge, die durch Geburt oder Adoption hinzutreten, nicht Nacherben, sondern Ersatznacherben sind.

II. Problem

Die zulässige Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilte die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Voraussetzungen für die von der Beteiligten zu 1) im Ergebnis angeregte Einziehung des Erbscheins nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gebe der Erbschein die Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wieder.

Zu Recht habe das Nachlassgericht darauf abgestellt, dass in einem dem Vorerben zu erteilenden Erbschein gemäß § 2363 Abs. 1 Satz 1 BGB (a.F.) nicht nur anzugeben sei, dass eine Nacherbfolge angeordnet ist, sondern auch unter welchen Voraussetzungen sie eintritt und wer der Nacherbe ist. Insoweit sei es geboten, in dem den Vorerben zu erteilenden Erbschein die Person des (der) Nacherben so genau wie möglich anzugeben.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin erweise sich die Formulierung in dem erteilten Erbschein betreffend die Nacherben unter der Formulierung „derzeit“ als richtig.

Die Erblasserin habe in dem vor einem Notar errichteten Testament selbst und ausdrücklich die Formulierung „derzeit“ gewählt.

Sie habe zwar die Beschwerdeführerin als ihre Alleinerbin bestimmt (Ziffer II.), jedoch in Ziffer III. als Vorerbin eingesetzt (Satz 1). Die Regelung der Nacherbfolge in Satz 2 sei dadurch gekennzeichnet, dass die Erblasserin die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits geborenen Abkömmlinge der Beschwerdeführerin gerade nicht unmittelbar als Bedachte eingesetzt hat, sondern sich darauf beschränkt hat, die Bedachten mit einem allgemeinen Oberbegriff („Ihre Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen“) zu bezeichnen. Dies lege den Schluss nahe, dass der Wille der Erblasserin vorrangig darauf gerichtet war, dass alle auch zukünftig aufgrund des Abstammungsverhältnisses zu der Vorerbin als Abkömmlinge in Frage kommenden Personen als Nacherben in den gleichmäßigen Genuss ihres Nachlasses kommen sollen. Insoweit sei die im nachfolgenden Satz 3 verwendete Formulierung „derzeit“ gerade nicht überflüssig. Vielmehr setze diese Formulierung gerade den bereits in Satz 2 zum Ausdruck gekommenen Willen der Erblasserin rechtstechnisch um, in dem sie die momentan (= derzeit) in Frage kommenden Nacherben näher bezeichnet.

Gegenteiliges ergebe sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht zwingend aus Ziffer IV. Satz 1 des Testaments. Diese Ziffer regele im Nachgang zu der grundsätzlichen und abschließenden Regelung der Letztbedachten als Nacherben in Ziffer III. allein die Ersatznacherbfolge, also den Fall, dass ein grundsätzlich als Nacherbe in Frage kommender Bedachter vor Eintritt des Nacherbfalls wegfällt. In der Gesamtschau der in Ziffer III. und IV. gewählten Formulierung sei die dabei gewählte Formulierung „weiteren Abkömmlinge“ dahingehend zu verstehen, dass an die Stelle des weggefallenen Abkömmlings dessen Abkömmlinge treten, diese insofern die „weiteren Abkömmlinge“ der Vorerbin seien. Eine solche Auslegung finde eine Stütze in der Anordnung der Ersatzerbnacherbfolge zugunsten ihrer weiteren Nichte, für die sie wiederum weitere Nacherbfolge zugunsten deren Abkömmlinge nach gleichen Stammanteilen bestimmt hat. Demgemäß komme in Ziffer IV. der Wille der Erblasserin zum Ausdruck, dass letztendlich ihr Nachlass vorrangig im Stamm der Vorerbin, hilfsweise im Stamm ihrer weiteren Nichte, gleichmäßig über Generationen hinweg aufgeteilt werden soll.

Zu Recht habe das Nachlassgericht herausgestellt, dass der von der Erblasserin in ihrem vor einem Notar errichteten Testament verwendete Begriff „Abkömmling“ nach § 1754 BGB auch adoptierte Abkömmlinge umfasst, und daher der Kreis der in Betracht kommenden Nacherben erst im Zeitpunkt des Nacherbfalls feststellbar sei.

III. Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht, wie gerade komplexe Vor-, Nach-, Ersatz- und Ersatznacherbanordnungen bei der Testamentserrichtung genau geplant und abgewogen werden müssen.

Werden wie vorliegend pauschal die Abkömmlinge als Nacherben bestimmt und erfolgt keine konkrete Beschränkung, so kann sich dies für den Vorerben als äußerst problematisch erweisen. Ist der Nacherbfall der Tod des Vorerben, so hilft ihm bei einer Veräußerung von Nachlassgegenständen allein die Zustimmung der bisherigen Abkömmlinge nichts, da noch offen ist, ob bis zum Nacherbfall weitere Abkömmlinge hinzukommen.

Solche Fallkonstellationen müssen in der Beratungspraxis besonders berücksichtigt werden.


Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Burandt
Rezension des Beschlusses des OLG München v. 01.02.2017 - 31 Wx 463/16 „Testamentsauslegung / Vor- und Nacherbe / Ersatznacherbfolge", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.7 Juli 2017, S.407 f


Ist ein Erbfall eingetreten gibt es Vieles zu bedenken und zu veranlassen,
hierbei kann ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht behilflich sein.

Zurück