Testament; Unauffindbarkeit; Kopie; Beweiskraft

Leitsatz des Verfassers:

  1. Die Unauffindbarkeit eines Testaments begründet keine Vermutung für dessen Vernichtung durch den Erblasser.
  2. Die Aufbewahrung einer handschriftlich bearbeiteten Kopie eines Testaments bis zum Tod spricht dafür, dass der Erblasser zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatte, den im kopierten Testament zum Ausdruck gekommenen Willen zu ändern.

OLG Düsseldorf (25. Zivilsenat), Beschluss vom 22.02.2019 - 25 Wx 65/18

BGB §§ 2247 Abs. 1, 2255 S. 2, 2258 Abs. 1

I. Einführung

Die Erblasserin ist 2016 verstorben. Herr Dr. D. und Herr E. sind Cousins der Erblasserin.

Im Jahr 1997 errichtete die Erblasserin ein einseitiges handschriftliches Testament, welches durch das Amtsgericht Wuppertal eröffnet wurde. In diesem setzte die Erblasserin ihre beiden Freundinnen Frau F. und Frau G als Alleinerbinnen ein.

Im Jahr 2002 errichtete die Erblasserin ein weiteres handschriftliches Testament, dessen Original allerdings nicht mehr auffindbar ist. Es existieren jedoch zwei Kopien, auf denen die Erblasserin einige wenige handschriftliche - völlig übereinstimmende - Änderungen vorgenommen hat. Am Ende findet sich der handschriftliche Hinweis „Veränderungen am 10.April 2013 (Unterschriftskürzel) B.

Eine dieser bearbeiteten Kopien bewahrte sie in einem Umschlag mit der handschriftlichen Beschriftung „Kopie Testament und letztwillige Verfügungen“ auf. Diese Testamente wurden ebenfalls durch das Amtsgericht Wuppertal eröffnet. In diesen setzte die Erblasserin die beiden Freundinnen ebenfalls als Erben ein, traf jedoch noch eine Vielzahl von weiteren Verfügungen, u.a. ordnete sie eine Testamentsvollstreckung an und wendete ihr Bankvermögen verschiedenen Dritten zu.

Zudem liegt ein weiteres undatiertes, nicht unterzeichnetes Schreiben vor, welches vom Amtsgericht Wuppertal eröffnet wurde und in dem unter der Überschrift „V. Vermächtnisse“ verschiedene, näher bezeichnete Schmuckstücke einzelnen Personen zugedacht werden.

Die in den Testamenten genannte F. ist vorverstorben.

Die Antragstellerin, nachverstorben am 10.08.2016, stellte am 01.06.2016 den Antrag auf die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie begründete ihren Antrag damit, dass das Testament aus dem Jahr 2002 nicht mehr im Original aufgefunden werden könne, so dass davon auszugehen sei, dass dieses im Todeszeitpunkt nicht mehr existierte und somit das Testament aus dem Jahr 1997 maßgeblich sei. Das Testament aus dem Jahr 2002 in Kopie mit handschriftlichen Änderungen sei nicht formwirksam.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Testament aus dem Jahre 1997 gemäß § 2258 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen worden sei, da die Erblasserin eine anderweitige Regelung ihrer Erbfolge getroffen habe und das Testament aus dem Jahr 2002 seinerseits nicht widerrufen worden sei.

Zwar könne das Testament aus dem Jahr 2002 nicht mehr in Urschrift vorgelegt werden. In einem solchen Fall sei aber ausnahmsweise möglich, die Testamentserrichtung und den Inhalt der Testamentsverfügung durch Vorlage einer Testamentskopie darzulegen, wenn das Nachlassgericht aufgrund der Kopie und sonstiger Beweise zur Erkenntnis gelange, dass ein Originaltestament mit dem aus der Fotokopie ersichtlichen Inhalt formgültig errichtet und von der testierenden Person nicht widerrufen worden sei. Im Übrigen könne ein formwirksames Testament auch dadurch hergestellt werden, dass der Testierende die Fotokopie eines von ihm eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments eigenhändig ändere, wenn der im vorhandenen Original und auf dessen Kopie niedergelegte Text ein einheitliches Ganzes bilden. Das Gericht sei der Überzeugung, dass die Erblasserin das Testament aus dem Jahr 2002 im Original geschrieben und unterschrieben und damit ein formwirksames Testament gemäß §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB errichtet habe. Dies ergebe sich aus den vorliegenden Kopien, die die Erblasserin am 10.04.2013 bei einigen Daten aktualisiert habe, ohne den Inhalt der letztwilligen Verfügungen zu verändern. Damit habe sie bestätigt, dass das Testament aus dem Jahr 2002 inhaltlich weitergelten solle. Zugleich habe sie damit ein neues form-wirksames Testament errichtet.

Auch im Rahmen der Auslegung des Testamentswortlauts und der Erforschung des wirklichen Willens der Erblasserin ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin Alleinerbin (nach dem Vorversterben von Frau F.) geworden sei. Die Erblasserin habe um ihr nicht unbeträchtliches Bankvermögen gewusst und die Barwerte bewusst im Testament aus dem Jahr 2002/2013 aufgeteilt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Gericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass das Testament aus dem Jahr 1997 durch das Testament aus dem Jahr 2002/2013 widerrufen worden sei.

Sie beantragt, den Beschluss des Nachlassgerichts aufzuheben und ihr einen Erbschein aufgrund des Testaments der Erblasserin aus dem Jahr 1997 zu erteilen, wonach sie Alleinerbin geworden sei.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG Düsseldorf vorgelegt.

II. Problem

Das OLG Düsseldorf erachtete die Beschwerde als statthaft und zulässig, aber in der Sache als erfolglos.

Das Nachlassgericht habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Antragstellerin die Erblasserin nicht als Alleinerbin beerbt hat. Das im Jahr 1997 formwirksam errichtete Testament der Erblasserin wurde nach Überzeugung des Senats wirksam von der Erblasserin durch das Testament aus dem Jahr 2002, welches noch wirksam sei, widerrufen, § 2258 Abs. 1 BGB.

Zwar erfülle die vorliegende Fotokopie des Testaments aus dem Jahr 2002 als solche nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament, denn es fehle an den Voraussetzungen des § 2247 Abs. 1 BGB, nämlich der eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Erklärung. Das ändere aber nichts daran, dass auf andere Weise der Nachweis geführt werden könne, dass der Erblasser ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet hat. Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit der Urkunde besage für sich allein noch nichts. Sie begründet insbesondere keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist (OLG Koblenz Beschluss vom 08.10.2015, 11 WX 78/14 FamRZ 2016, 1007 Rn. 15; Beschluss vom 18.12.2015 1 W 622/15 FamRZ 2016, 1487; OLG Naumburg FamRZ 2013, 246). Vorliegend werde die eigenhändige und handschriftliche Errichtung des lediglich in Kopie vorliegenden Testaments aus dem Jahr 2002 durch die Erblasserin von der Antragstellerin selbst nicht bestritten. Allerdings behauptet sie, dass die Erblasserin dieses bis zu ihrem Tode wohl selbst vernichtet und damit widerrufen haben müsse. Zwar werde im Falle der Vernichtung der Urkunde durch den Erblasser vermutet, dass er damit die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat (§ 2255 S. 2 BGB). Für die Vernichtung des Testaments im Falle der Unauffindbarkeit spreche aber mit den oben genannten Erwägungen gerade keine Vermutung; es seien auch hier keinerlei sonstige Anhaltspunkte dafür ersichtlich.

Im Ergebnis unterliege daher die Kopie der angeblichen Testamentsurkunde der freien Beweiswürdigung (OLG Karlsruhe OLGR 2007, 364 Tz. 20; Geimer in: Zöller ZPO,32. Auflage Vor § 415 Rn. 2), wobei an die Beweisführung strenge Anforderungen zu stellen seien (OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 1007 Rn. 15; OLG Naumburg FamRZ 2013, 246; Bauermeister in: juris PK-BGB 8. Aufl. 2017 § 2247 BGB Rn. 24).

Der Senat war nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen ebenso wie das Nachlassgericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Testament aus dem Jahr 2002 wirksam errichtet wurde und nach wie vor Geltung hat. Warum das Original nicht auffindbar ist, könne nicht mehr aufgeklärt werden. Der Senat geht im Ergebnis aber nicht davon aus, dass die Erblasserin es in der Absicht, es zu widerrufen, vernichtet hat.

Dies ergibt sich seiner Ansicht nach aus folgenden Erwägungen:

Die Erblasserin habe zwei Kopien des unstreitigen Testaments aus dem Jahr 2002 gefertigt, diese aufbewahrt und beide mehr als elf Jahre später, nämlich im Jahr 2013, handschriftlich (und auch identisch) marginal abgeändert, indem sie zwei Punkte aktualisiert hat. Dazu zählen zum einen die Streichung der Bankverbindung für das Bar- und Wertpapiervermögen bei der Commerzbank H., zum anderen die Aktualisierung der Adresse ihrer Nichte, Frau L. Diese Änderungen habe sie mit einem Zusatz unterhalb des kopierten Testaments mit „Veränderungen am 10. April 2013“ und dem Unterschriftenkürzel „B.“ bestätigt.

Des Weiteren habe sie eine der beiden bearbeiteten Kopien in einem Umschlag mit der handschriftlichen Beschriftung „Kopie“ und „Testament und letztwillige Verfügungen“ bis zu ihrem Tode aufbewahrt. Daraus ergebe sich, dass die Erblasserin zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatte, den im Testament aus dem Jahr 2002 zum Ausdruck gekommenen Willen inhaltlich zu ändern oder gar aufzugeben. Sie habe im Jahr 2013 lediglich Aktualisierungen vorgenommen und den übrigen Inhalt durch ihre Unterschrift gerade bestätigt. Wäre die Erblasserin selbst bei Vornahme der Ergänzung nicht vom Fortbestand des formwirksamen Testaments ausgegangen oder hätte sie inhaltliche Änderungen vornehmen wollen, hätte sie keine bloßen Aktualisierungszusätze angebracht, sondern ein neues Testament erstellt oder die Kopien vernichtet. Da sie dies nicht getan hat, sondern die Kopien in einem extra für ihren Todesfall vorgesehen Umschlag aufbewahrt hat, hatte der Senat keinen Zweifel daran, dass das Testament aus dem Jahr 2002 weiter fortgelten sollte. Da ebenfalls keine Zweifel daran bestünden, dass die Erblasserin selbst die handschriftlichen Veränderungen und die Bestätigung vorgenommen hat, sei der Beweis für die Wirksamkeit des Testaments als geführt anzusehen. Auf die Frage, ob die Ergänzungen auf der Testamentskopie überhaupt als Neuerrichtung eines Testaments angesehen werden konnten, komme es daher nicht mehr an.

Gleichfalls ergebe die Auslegung des Testaments aus dem Jahr 2002 zugunsten der Antragstellerin nicht, dass sie als Alleinerbin eingesetzt werden sollte und im Weiteren nur Vorausvermächtnisse erfolgen sollten.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit einem interessanten Fall der Unauffindbarkeit eines Testaments.

Das OLG Düsseldorf verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass die Unauffindbarkeit eines Testaments allein noch keine Vermutung für die Vernichtung des Testaments durch den Erblasser begründet und die Aufbewahrung einer handschriftlich bearbeiteten Kopie des unauffindbaren Testaments durch den Erblasser bis zu seinem Tod dafür spricht, dass der Erblasser gerade nicht die Absicht hatte, den im kopierten Testament zum Ausdruck gekommenen Willen zu ändern.

Der Fall zeigt auf anschauliche Weise, dass für die Praxis die amtliche Verwahrung von Testamenten anzuraten ist.


Rezension des Beschlusses des OLG Düsseldorf v. 22.02.2019 - 25 Wx 65/18 „Testament / Unauffindbarkeit / Kopie / Beweiskraft", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.02 Februar 2020, S.125 ff


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