Stufenklage; Anspruch auf Auskunft durch privatschriftlichen Nachlassverzeichnis; Verjährung; Hemmung; Anspruch auf Auskunft durch notarielles Nachlassverzeichnis

Amtlicher Leitsatz:

Der im Rahmen einer Stufenklage von dem Pflichtteilsberechtigten geltend gemachte Anspruch auf Auskunft durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses hemmt grundsätzlich auch die Verjährung des Anspruchs auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. (Rn. 17 ff.)

BGH (IV. Zivilsenat), Urteil vom 31.10.2018 - IV ZR 313/17

BGB §§ 204 Abs. 1 Nr. 14, 213, 2303 Abs. 1, 2314 Abs. 1 S. 1, 2 u. 3, 2325 Abs. 3, 2329
ZPO § 263

I. Einführung

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses.

Die Klägerin ist die Tochter des vorverstorbenen Sohnes, die Beklagten sind zwei weitere Kinder der Erblasserin. Diese setzte mit notariellem Erbvertrag den Vater der Klägerin sowie die Beklagten zu je 1/3 zu Erben ein. Der Vater der Klägerin verstarb bereits im Jahr 2002, sie beerbte ihn mit dessen Ehefrau je zur Hälfte. Die Erblasserin errichtete 2002 ein weiteres notarielles Ergänzungstestament, in dem sie den Beklagten zu 1) als Erben zu 2/3, die Beklagte zu 2) als Erbin zu 1/3 einsetzte. Den Beklagten zu 1) bzw. dessen Stamm beschwerte sie mit einem Vermächtnis zugunsten der Klägerin.

Nachdem der Beklagte zu 1) die Auszahlung des Vermächtnisses an die Klägerin abgelehnt hatte, schlug diese das Vermächtnis aus und erklärte, den Pflichtteil zu beanspruchen. Zugleich forderte sie die Beklagten zur Auskunft durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses auf. Ausgehend von den Angaben des Beklagten zu 1) zum Wert des Nachlasses forderte die Klägerin die Beklagten im Dezember 2013 auf, an sie 30.652,71 € als den ihr mindestens zustehenden „Pflichtteil“ zu zahlen. Der Beklagte zu 1) lehnte dies unter Aufrechnung mit einer behaupteten Forderung aus einem Darlehen ab.

Im Dezember 2014 hat die Klägerin einen Prozesskostenhilfeantrag nebst Entwurf einer Stufenklage eingereicht. Auf der Auskunftsstufe (Klageantrag zu 1) hat sie zunächst die Vorlage eines von den Beklagten unterschriebenen Bestandsverzeichnisses verlangt, worüber das Landgericht nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe im April 2016 verhandelt hat. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016 hat die Klägerin den Antrag auf Auskunft dahingehend gefasst, dass sie nunmehr Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses begehre. Die Beklagten haben nach Hinweis des Landgerichts einer Klageänderung nicht zugestimmt. Sie haben sich auf Verjährung des Anspruchs auf Erteilung der Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses berufen und die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB erhoben. Das Landgericht hat mit Teilurteil der Klage auf der Auskunftsstufe in der zuletzt beantragten Form stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Abweisung der Klage auf der Auskunftsstufe zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgten die Beklagten die Abweisung der Klage weiter, soweit ihr durch Teilurteil stattgeben worden ist.

II. Problem

Das Rechtsmittel hatte nach Ansicht des BGH keinen Erfolg.

Rechtsfehlerfrei habe das Berufungsgericht die Pflichtteils- und Auskunftsberechtigung der Klägerin bejaht. Sie sei gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB auch nach privatschriftlicher Auskunftserteilung berechtigt, die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu verlangen, ohne dass hierfür besondere Voraussetzungen vorliegen müssen (BGHZ 193, 260 Rn. 8; BGHZ 33, 373, 378; OLG München FamRZ 2017, 2076, 2077).

Ebenfalls zu Recht habe das Berufungsgericht das Informationsinteresse der Klägerin an der Auskunft bejaht.

Im Ergebnis zutreffend habe das Berufungsgericht ferner angenommen, der Anspruch der Klägerin auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sei nicht verjährt.

Die Revision weise allerdings zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verjährung nur in der Gestalt und in dem Umfang gehemmt wird, wie der Anspruch mit der Klage rechtshängig gemacht worden ist, und grundsätzlich von dem geltend gemachten Streitgegenstand bestimmt wird. Davon, dass im Streitfall durch die Umstellung des Klageantrags auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses bei gleichbleibendem Klagegrund eine (sachdienliche) Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO vorliegt, sich also der Streitgegenstand geändert hat, sei auch das Berufungsgericht ausgegangen.

Gleichwohl sei die Verjährung des Anspruchs der Klägerin auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses durch den Antrag auf Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses rechtzeitig gehemmt worden.

Der Regelung des § 204 BGB liege das Prinzip zu Grunde, dass die Verjährung durch eine aktive Rechtsverfolgung des Gläubigers gehemmt wird, die einen auf die Durchsetzung seines Anspruchs gerichteten Willen für den Schuldner erkennbar macht. Der Gläubiger müsse dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so klar machen, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungszeit in Anspruch genommen zu werden. Entscheidend sei mithin, ob die konkrete Maßnahme der Rechtsverfolgung die geforderte Warnfunktion erfüllt. Der Anspruchsgegner müsse erkennen können, „worum es geht“ (BGH NJW 2015, 3711 Rn. 14 m.w.N.).

Ausgehend vom Sinn und Zweck der Verjährungsregelungen sei es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt, dass der Grundsatz, dass eine Klage die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und dem Umfang, wie sie mit der Klage rechtshängig gemacht wurden, unterbricht bzw. hemmt, Ausnahmen erfährt, wenn die geltend gemachten Ansprüche materiell-rechtlich wesensgleich sind, dem gleichen Endziel dienen und der zur Begründung des später erhobenen Anspruchs vorgetragene Lebenssachverhalt in seinem Kern bereits Gegenstand der früheren Klage gewesen ist (vgl. nur BGH VersR 2018, 1119 Rn. 37; BGHZ 132, 240, 244). Entsprechendes gelte hinsichtlich der Hemmungswirkung eines Prozesskostenhilfeantrags. Abzustellen sei insoweit nicht auf prozessuale Fragen einer Veränderung des Streitgegenstands oder einer Antragsumstellung, sondern darauf, ob eine „verjährungsrechtliche Selbständigkeit“ im Sinne verschiedenartiger Ansprüche anzunehmen ist (BGHZ 104, 268, 275). Ebenso wenig komme es darauf an, ob dem Gläubiger ein materielles Wahlrecht unter mehreren in Betracht kommenden Ansprüchen zusteht.

Der Anwendung dieser Grundsätze stehe auch § 213 BGB nicht entgegen. § 213 BGB setze voraus, dass die Ansprüche, die dem Gläubiger zur Wahl stehen, nicht von vorneherein kumulativ nebeneinander gegeben sind, sondern sich gegenseitig ausschließen.  Die Auskunftsansprüche nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB würden sich zwar nicht gegenseitig ausschließen. Vielmehr stünden sie dem Gläubiger grundsätzlich kumulativ zu, so dass er sie neben- oder hintereinander geltend machen könne. Aus § 213 BGB könne aber, weil die Regelung nur der Erstreckung der Hemmung zum Schutz des Gläubigers auf bestimmte dort genannte Tatbestände diene (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 121 f.), nicht geschlossen werden, dass es sich um eine abschließende Regelung handelt, die einer Verjährungshemmung gemäß § 204 BGB im hier zu beurteilenden Fall kumulativer Ansprüche entgegenstünde (vgl. auch BT-Drucks. aaO S. 122).

Die Voraussetzungen der Erstreckung der Hemmung seien im Streitfall erfüllt. Die Auskunftsansprüche der Klägerin aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BGB gegen die Beklagten würden dem gleichen, vom Klagevortrag umfassten Lebenssachverhalt entspringen und dem gleichen Endziel dienen. Entgegen der Auffassung der Revision seien die Auskunftsansprüche aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB auch materiellrechtlich wesensgleich (so auch Sarres, ZEV 2015, 710 f.; zustimmend Teschner, AnwZert ErbR 5/2017 Anm. 1 unter B II; a.A. Braun, MittBayNot 2016, 533, 534).

Zwar werde allgemein angenommen, das amtliche Verzeichnis biete gegenüber dem privatschriftlichen Verzeichnis eine größere Gewähr für Klarheit, Übersichtlichkeit und Richtigkeit (BGHZ 193, 260 Rn. 8), da der Notar zur Vornahme von Ermittlungen berechtigt und verpflichtet sowie für den Inhalt des Nachlassverzeichnisses verantwortlich sei (vgl. BVerfG ZEV 2016, 578 Rn. 3; BGHZ 33, 373, 376 f.). Dies ändert aber nichts daran, dass das private und das notarielle Verzeichnis inhaltlich wesensgleich seien (BGH, aaO). Schuldner des Verzeichnisses sei jeweils der Erbe. Das Verzeichnis solle es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, durch eine Auskunft über den Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles und die ergänzungspflichtigen Schenkungen seinen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen. Der Anspruch auf Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses entspringe hier auch demselben mit der Klage bereits vorgetragenen Lebenssachverhalt und diene demselben Ziel, nämlich der Klägerin die Bezifferung ihres Pflichtteilsanspruchs zu ermöglichen.

Der Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB sei entgegen dem Revisionsvorbringen auch nicht mit dem Wertermittlungsanspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB vergleichbar (a.A. Braun, MittBayNot 2016, 533, 534). Bei der Auskunft gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB gehe es um die Weitergabe von Wissen, das der Verpflichtete hat oder sich verschaffen muss, an den Pflichtteilsberechtigten. Demgegenüber sei die Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB nicht etwa auf eine Äußerung des Verpflichteten über den Wert gerichtet; sie sei von dem Wissen und den Vorstellungen, die der Verpflichtete von diesem Wert hat, unabhängig (BGHZ 108, 393, 396; BGHZ 89, 24, 28). Anders als der Auskunftsanspruch sei der Wertermittlungsanspruch darauf gerichtet, dass der Verpflichtete Unterlagen vorlegt und eine von seinen eigenen Wertvorstellungen unabhängige Wertermittlung duldet und veranlasst (BGHZ 107, 200, 201 f.; BGH NJW 1975, 258; NJW 1986, 127). Der Wertermittlungsanspruch unterliege zudem anderen Voraussetzungen als die in § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB normierten Auskunftsansprüche. So setze das schutzwürdige Interesse des Pflichtteilsberechtigten an der Wertermittlung voraus, dass der Gegenstand, dessen Wert ermittelt werden soll, zum Nachlass gehört, was der Pflichtteilsberechtigte im Streitfall darzulegen und zu beweisen hat (BGHZ 89, 24, 29 f.; BeckOGK-BGB/Blum, § 2314 Rn. 75). Auch müsse der Pflichtteilsberechtigte, der seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB oder § 2329 BGB auf die Behauptung stützt, der Erblasser habe einen Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB verschenkt, grundsätzlich darlegen und beweisen, dass der betreffende Gegenstand zum Nachlass gehört. Anders als beim Auskunftsanspruch reiche der begründete Verdacht, der Erblasser habe einen bestimmten Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB weggeschenkt, für einen Anspruch auf Wertermittlung nicht aus. Den insoweit gegenüber der Auskunft höheren Anforderungen liege maßgeblich die Überlegung zugrunde, dass der Nachlass nicht in unzumutbarer Weise mit Kosten belastet werden soll.

Die Revision führte auch nicht aus anderen Gründen zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Auskunftsansprüche nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB im Rahmen der Verjährung.

Der BGH stellte hierzu fest, dass die Ansprüche materiell-rechtlich wesensgleich sind und daher die Geltendmachung des Anspruchs auf Auskunft durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses grundsätzlich auch die Verjährung des Anspruchs auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses hemmt.

Hingegen verneinte der BGH eine solche Wesensgleichheit bezüglich des Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB und dem Wertermittlungsanspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB und wendete sich damit gegen eine teilweise in der Literatur vertretene Ansicht.


Rezension des Urteils des BGH v. 31.10.2018 - IV ZR 313/17 - OLG Düsseldorf „Stufenklage / Anspruch auf Auskunft durch privatschriftliches Nachlassverzeichnis / Verjährung / Hemmung / Anspruch durch notariellles Nachlassverzeichnis", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.2 Februar 2019, S.111 ff


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