Soziales Netzwerk; Facebook; Erbfall; Zugang zum Benutzerkonto

Leitsätze:

Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen. (Rn. 17, 22, 52, 53, 54 ff. und 64 ff.)

BGH, Urteil vom 12.07.2018 - III ZR 183/17

DS-GVO Art. 6 Abs. 1, 99 Abs. 1
TMG §§ 2 S. 1 Nr. 1, 3 Abs. 3 Nr. 1, 2, 4, 7 Abs. 3 S. 2
TKG §§ 3 Nr. 6, 88 Abs. 3 S. 3, 91 ff
BGB §§ 280, 1922, 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 307 Abs. 1 S. 1, , 399, 1922 Abs. 1, 2047 Abs. 2
BDSG §§ 1 Abs. 5, 32, 34
AEUV Art. 267

I. Einführung

Die Parteien streiten über den Zugang zum Benutzerkonto eines sozialen Netzwerks, das die Beklagte betreibt. Die Klägerin beansprucht, den Zugang zu dem bei der Beklagten unterhaltenen Konto ihrer verstorbenen, minderjährigen Tochter und „den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten“ zu gewähren. Sie ist neben deren Vater Mitglied der Erbengemeinschaft. Beide Elternteile waren zu Lebzeiten die gesetzlichen Vertreter der Erblasserin.

Für die Nutzung des Netzwerks ist nach einer Registrierung die Eingabe von Kontozugangsdaten in Form von Benutzername und Passwort erforderlich. Die Dienste des sozialen Netzwerks werden durch F. mit Sitz in den USA und die Beklagte mit Sitz in Irland erbracht. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von F. ist die Beklagte Vertragspartnerin der Nutzer mit Wohnsitz außerhalb der USA.

Im Jahr 2011 registrierte sich die Erblasserin im Alter von 14 Jahren mit Einverständnis ihrer Eltern beim sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto. Im Dezember 2012 verunglückte sie unter bisher ungeklärten Umständen tödlich, als sie in einem U-Bahnhof von einem einfahrenden Zug erfasst wurde.

Die Klägerin versuchte hiernach, sich unter Verwendung der Zugangsdaten ihrer Tochter in das Benutzerkonto der Erblasserin einzuloggen. Dies gelang jedoch nicht, weil die Beklagte das Konto nach Mitteilung des Todes der bisherigen Nutzerin durch einen Dritten in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte. In diesem ist ein Zugang zu dem Benutzerkonto auch mit den zutreffenden Zugangsdaten nicht mehr möglich. Das Konto an sich, einschließlich der auf den Servern der Beklagten gespeicherten Inhalte, bleibt aber bestehen, und die vom Verstorbenen geteilten Inhalte sind für die Zielgruppe, mit der sie geteilt wurden, weiterhin sichtbar. Außer der Beklagten hat niemand mehr Zugriff auf den Kontoinhalt, z.B. die gespeicherten Fotos und Nachrichten.

Die Klägerin trägt vor, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob die Erblasserin kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe. Ferner benötige sie den Zugang, um Schadensersatzansprüche des U-Bahn Fahrers abzuwehren. Die persönlichen Kommunikationsinhalte im Benutzerkonto ihrer Tochter seien an die Erbengemeinschaft vererbt worden.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren (FamRZ 2016, 738). Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

II. Problem

Der BGH erachtete die Revision als zulässig und erfolgreich.

Zutreffend hätten die Vorinstanzen im Ergebnis die Zulässigkeit der Klage bejaht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei die Klage aber begründet. Die Klägerin sei berechtigt, von der Beklagten zu verlangen, der Erbengemeinschaft Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen Inhalten zu gewähren. Ein solcher Anspruch sei vererblich, und es würden ihm weder das postmortale Persönlichkeitsrecht noch das Fernmeldegeheimnis, datenschutzrechtliche Regelungen oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner der Erblasserin entgegenstehen.

Der Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto und den dort gespeicherten Inhalten ergebe sich aus dem auf die Erben übergegangenen schuldrechtlichen Vertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten.

Zu Recht hätten die Vorinstanzen auf das Vertragsverhältnis deutsches Recht angewandt. Der Vertrag unterliege nach Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO dem von den Parteien gewählten deutschen Recht. Dessen Anwendbarkeit ergebe sich zudem nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO, weil ein Verbrauchervertrag vorliege.

Das Vertragsverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten sei mit dem Tod der Erblasserin nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen, die hierdurch in dieses eingetreten seien und deshalb als Vertragspartner einen Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen (digitalen) Inhalten hätten.

Die Vererbbarkeit des aus dem Nutzungsvertrag folgenden Anspruchs auf Zugang zu dem Benutzerkonto sei weder durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen, noch lasse sich ein Ausschluss der Vererbbarkeit aus dem Wesen des Vertrags ableiten. Auch eine Differenzierung nach der Art des Inhalts der auf dem Konto gespeicherten Daten sei abzulehnen.

Die Vererbbarkeit von Ansprüchen könne vertraglich ausgeschlossen werden. Dies sei hier aber nicht der Fall.

Die Nutzungsbedingungen der Beklagten würden keine Regelung zur Vererbbarkeit des Benutzungsvertrags und der Inhalte des Benutzerkontos enthalten. Offen bleiben könne, ob die Vererbbarkeit des vertraglichen Nutzungsverhältnisses und des daraus folgenden Kontozugangsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich wirksam ausgeschlossen werden kann. Eine Unvererblichkeit ergebe sich auch nicht aus den Regelungen der Beklagten zum Gedenkzustand. Diese finden hier schon deshalb keine Anwendung, weil die Bestimmungen, die nur im Hilfebereich abrufbar waren, nicht Bestandteil des Nutzungsvertrags geworden seien, § 305 Abs. 2 BGB.

Die Regelungen zum Gedenkzustand würden ungeachtet dessen auch nach Maßgabe von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die Vererbbarkeit des aus dem Nutzungsverhältnis folgenden Kontozugangsrechts nicht wirksam ausschließen. Es handele sich bei den Regelungen gerade nicht um der Inhaltskontrolle entzogene unmittelbare Bestimmungen des Leistungsgegenstands. Im Hinblick auf die erhebliche Einschränkung der vertraglichen Rechte der in den Nutzungsvertrag eingetretenen Erben liege eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB vor. Die Klausel würde die Vererblichkeit des Anspruchs aushöhlen, indem den Erben als Vertragspartnern nach der Mitteilung des Todes durch einen beliebigen Dritten das Recht des Zugangs zu dem Konto verwehrt wird und sie damit einen Hauptleistungsanspruch verlieren. Zugleich liege ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, da das Versetzen in den Gedenkzustand dazu führe, dass die wesentlichen Rechte aus dem Vertragsverhältnis, nämlich der Zugang zu dem Benutzerkonto, der Zugriff auf die dort gespeicherten Inhalte und die Verfügungsbefugnis hierüber, entfallen, so dass die Erreichung des Vertragszwecks nicht mehr möglich sei.

Daneben ergebe sich auch aus dem Wesen des Vertrags keine Unvererblichkeit. Die Pflichten der Vertragsparteien seien nicht höchstpersönlicher Natur. Die höchstpersönliche, eine Vererbbarkeit ausschließende Natur des Vertrags ergebe sich auch nicht daraus, dass die Nutzer der Beklagten die „nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte“ gewähren. Zwar erhalte die Beklagte hierdurch - die Wirksamkeit der Klausel vorausgesetzt - Rechte auf individuelle, personenbezogene Daten. Diese würden aber ungeachtet des erbrechtlichen Übergangs bestehen bleiben.

Der höchstpersönliche Charakter und damit der vertragliche Ausschluss der Vererbbarkeit des Zugangsrechts zu dem Benutzerkonto folge auch nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Zwar möge der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerkes und sonstige nicht öffentlich geteilte Inhalte jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und durch die Beklagte dritten Personen gegenüber nicht offengelegt werden. Es bestehe jedoch nach den vertraglichen Regeln und den zugrunde liegenden technischen Bedingungen kein schutzwürdiges Vertrauen, dass diese Diskretion des Austausches zwischen dem verstorbenen Nutzer und den übrigen Teilnehmern des Netzwerks - auch über den Tod hinaus - gegenüber den Erben gewährleistet ist.

Angesichts der systemimmanenten, dem verständigen Nutzer bewussten und von der Beklagten nicht kontrollierbaren Anonymität des sich jeweils bei dem Benutzerkonto anmeldenden Nutzers könne nicht von einer Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung an eine bestimmte Person, sondern nur zur Übermittlung an das ausgewählte Benutzerkonto ausgegangen werden. So sei weder für die Beklagte, noch für den Versender einer Nachricht oder Teilenden eines Inhalts prüfbar, ob die sich mit den Benutzerdaten anmeldende Person mit der als Empfänger benannten Person identisch ist. Trage der Kommunikationspartner des Kontoinhabers bereits das Risiko, dass zu dessen Lebzeiten Dritte Kenntnis von den dort gespeicherten Inhalten erlangen, gelte dies erst recht für den Zugriff der Erben des Nutzers auf diese. Der Absender einer Nachricht könne mithin zwar darauf vertrauen, dass seine Nachricht von der Beklagten nur für das von ihm ausgewählte Empfängerkonto bereitgestellt wird. Er müsse aber damit rechnen, dass Dritte dennoch Kenntnis vom Inhalt seiner Nachricht erhalten können. Dies gelte sowohl zu Lebzeiten des Kontoberechtigten im Hinblick auf die von diesem jederzeit veranlassbare Zugangsgewährung an Dritte als auch im Todesfall im Hinblick auf die Vererbung des Vertragsverhältnisses. Der Absender müsse damit rechnen, dass sein Kommunikationspartner versterben könnte und Dritte das Benutzerkonto erben, in das Vertragsverhältnis eintreten und damit als neue Kontoberechtigte Zugang auf die Kontoinhalte haben.

Überdies könne der Kommunikationspartner des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks keine berechtigte Erwartung haben, dass der Empfänger einer Nachricht diese auf dem Server des Netzwerkbetreibers belässt und nicht auf dem eigenen Computer oder einem anderen Medium (z.B. USB-Stick) lokal abspeichert oder auf Papier ausdruckt. In diesem Fall würde der Erbe ohne Weiteres Zugang zum Inhalt der Nachrichten erhalten, was auch dem Versender bewusst sein müsse.

Die im Schrifttum teilweise befürwortete Differenzierung der Vererbbarkeit des Kontozugangs nach dem Inhalt des Benutzerkontos (Nachrichten mit vermögensrechtlichem Bezug und solche mit höchstpersönlichen Inhalten) und ein differenzierter Übergang auf die Erben oder nächsten Angehörigen sei abzulehnen. Selbst nach dieser Auffassung wäre hier der Zugang zu gewähren, da die Klägerin und der Vater der Kontoinhaberin nicht nur deren Erben, sondern auch deren nächste Angehörige waren. Unabhängig davon werde eine solche Differenzierung zu Recht abgelehnt. Nach der gesetzgeberischen Wertung würden auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten unabhängig von einem Vermögenswert auf die Erben übergehen, wie sich aus § 2047 Abs. 2 BGB und § 2373 Satz 2 BGB ergebe. Es bestehe aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln, da das entscheidende Kriterium der Höchstpersönlichkeit bei analogen und digitalen Inhalten gleichermaßen betroffen sei. Letztlich würde eine Differenzierung zwischen höchstpersönlichen und sonstigen Inhalten zu erheblichen kaum zu bewältigenden praktischen Problemen führen.

Auch das postmortale Persönlichkeitsrecht der Erblasserin stehe der Vererbbarkeit digitaler höchstpersönlicher Inhalte nicht entgegen. Ein dem Erbrecht vorgehendes Recht der nächsten Angehörigen an den höchstpersönlichen digitalen Inhalten begründe dies indes nicht, weshalb es im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich sei, dass hier die Erben ohnedies zugleich die nächsten Angehörigen der Verstorbenen sind.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitere ein Anspruch der Erbengemeinschaft auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Inhalten auch nicht an § 88 Abs. 3 TKG. Das Fernmeldegeheimnis schütze weder den Erblasser, noch den jeweiligen Kommunikationspartner vor einer Kenntnisnahme des Erben vom Inhalt des Benutzerkontos. Dies gelte sowohl für die zum Zeitpunkt des Todes durch den Erblasser noch nicht abgerufenen als auch hinsichtlich der bereits zur Kenntnis genommenen, auf den Servern der Beklagten zwischen- beziehungsweise endgespeicherten Inhalte. Ein Verstoß gegen § 88 Abs. 3 TKG liege jedenfalls deshalb nicht vor, weil der Erbe eines Kommunikationspartners entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht „anderer“ im Sinne dieser Vorschrift sei.

Andere im Sinne von § 88 Abs. 3 TKG sind Personen oder Institutionen, die nicht an dem geschützten Kommunikationsvorgang beteiligt sind. Der Erbe sei nicht anderer in diesem Sinne, sondern vielmehr mit dem Erbfall Beteiligter, der im Zeitpunkt des Erbfalls nicht beendeten und deshalb dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses unterstehenden Kommunikationsvorgänge geworden. Die Bereitstellung der Inhalte des Benutzerkontos für den Erben würden daher ebenso wenig gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen, wie die fortlaufende Bereitstellung für den ursprünglich Kontoberechtigten. Ein Vergleich mit der erbrechtlichen Rechtslage bei analoger Briefpost sowie ausgedruckten oder auf Medien des Erblassers gespeicherten digitalen Inhalten, bei denen ein erbrechtlicher Übergang stattfindet, bestätige dieses Ergebnis.

Ein Vertraulichkeitsinteresse habe nach den Grundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge gegenüber dem Erben zurückzustehen. Die Rechtsordnung sehe, wie sich aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB ergebe, einen Übergang auch höchstpersönlicher Inhalte auf den Erben vor und ordnet das Geheimhaltungsinteresse des Erblassers und der Kommunikationspartner folglich grundsätzlich dem durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Erbrecht unter. Der Übergang auch nichtvermögensrechtlicher Inhalte an den Erben sei demnach von der Rechtsordnung gebilligt und gewollt. Dies sei auch im Rahmen der Auslegung des Begriffs „anderen“ im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG zu berücksichtigen.

Schließlich stehe dem Anspruch der Klägerin auch Datenschutzrecht nicht entgegen.

Die Datenschutz-Grundverordnung beziehe sich nur auf lebende natürliche Personen. Auch datenschutzrechtliche Belange der Kommunikationspartner der Erblasserin würden dem Anspruch der Klägerin nicht entgegenstehen.

Mit dem Zugang im Benutzerkonto des Erblassers erhalte der Erbe die Möglichkeit, auf die Kommunikation oder die mit dem Erblasser geteilten Bilder und sonstigen Inhalte zuzugreifen. Sowohl die Nachrichten als auch die veröffentlichten Inhalte können personenbezogene Daten darstellen oder solche beinhalten.

An der Berechtigung der Datenverarbeitung nach den Vorschriften der DS-GVO ändere sich durch den Eintritt des Erbfalls nichts. Die Beklagte mache weiterhin entsprechend ihrer Verpflichtung einerseits gegenüber dem Absender beziehungsweise Teilenden und andererseits gegenüber dem Berechtigten des Empfängerkontos die Inhalte für das betreffende Benutzerkonto zugänglich.

Abgesehen davon sei die Datenverarbeitung auch zur Wahrung der berechtigten Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin erforderlich (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO). Hier würden berechtigte Interessen der beiden Erben vorliegen, die eine Datenverarbeitung in Form der Zugangsgewährung erforderlich machen. Die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Kommunikationspartner der Erblasserin würden diese berechtigten Interessen nicht überwiegen.

Zu den berechtigten Interessen zählen danach, neben rechtlichen, auch tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen, nicht jedoch bloße Allgemeininteressen. Hier würden solche berechtigte Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin bestehen. Die Erbengemeinschaft könne sich auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Erbrecht berufen und ein berechtigtes Interesse geltend machen, da das mit der Beklagten bestehende Vertragsverhältnis nach dem anzuwendenden deutschen Recht auf die Erben übergegangen sei und diese deshalb als Vertragspartner einen Primärleistungsanspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen (digitalen) Inhalten hätten. Es stelle bereits für sich genommen ein gewichtiges berechtigtes Interesse eines Vertragspartners dar, die Hauptleistungsansprüche aus diesem Vertragsverhältnis auch geltend machen zu können.

Als Erben seien die Klägerin und der Vater der Erblasserin nicht nur Vertragspartner des Nutzungsvertrags geworden, sie hätten auch etwaige vermögensrechtliche Ansprüche der Erblasserin geerbt und haften für deren Verbindlichkeiten. Informationen über derartige Ansprüche und Verbindlichkeiten könnten sich auch aus den Inhalten des Benutzerkontos ergeben, die nicht nur höchstpersönliche, sondern auch vermögensrechtliche Bedeutung haben können. Der Zugang zu dem Benutzerkonto diene deshalb regelmäßig auch dazu, um zu prüfen, ob sich aus dem Inhalt Ansprüche der Erblasserin gegen Dritte oder Ansprüche Dritter gegen die Erblasserin ergeben, die die Erben weiterverfolgen können oder müssen, oder ob sonstige Handlungen rechtsgeschäftlicher Art erforderlich sind.

Im vorliegenden Fall würden über das allgemeine berechtigte Interesse der Erben an der Prüfung der Inhalte auf vermögensrechtliche Relevanz hinaus auch ein näher konkretisiertes derartiges Interesse deshalb bestehen, weil die Erben mit der Zugangsgewährung auch vermögensrechtliche Abwehrinteressen gegenüber dem U-Bahn Fahrer verfolgen, der sie auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Als berechtigtes Interesse der Klägerin und des Vaters der Erblasserin als Erben sowie Eltern der minderjährigen Verstorbenen sei auch anzuerkennen, dass diese durch den Zugang zu dem Benutzerkonto Aufschluss darüber erhalten möchten, ob die Erblasserin kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien nicht nur zwingende rechtliche Interessen, sondern ist auch ein derartiges ideelles Interesse im Rahmen der Abwägung berücksichtigungsfähig. Die Datenverarbeitung sei vorliegend erforderlich, da keine geeigneteren und milderen Mittel möglich sind, um die berechtigten Interessen der Erben zu erfüllen.

Die Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Kommunikationspartner, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen danach die berechtigten Interessen der Erben nicht. Bei der Abwägung gehe es im Kern um einen Ausgleich zwischen den Privatheitsinteressen des Betroffenen einerseits und den Verwendungsinteressen der Verantwortlichen beziehungsweise Dritten andererseits im konkreten Einzelfall

Zu berücksichtigen sei dabei zunächst, dass die relevanten Daten von den Kommunikationspartnern freiwillig und bewusst an die Beklagte übermittelt wurden, um sie für ein bestimmtes Benutzerkonto zur Verfügung zu stellen. Die Kommunikationspartner der Erblasserin hätten darüber hinaus vernünftigerweise absehen können, dass die Datenverarbeitung durch Bereitstellung der Nachrichten und Inhalte für das Empfängerkonto auch nach dem Tod der ursprünglichen Kontoberechtigten fortgesetzt würde und die Erben Kenntnis von diesen Daten erlangen könnten. In die Interessenabwägung einzustellen sei weiter der eng begrenzte Zweck der vorliegenden Datenverarbeitung. Es gehe hier ausschließlich um die Übermittlung und Bereitstellung von personenbezogenen Daten und Inhalten für ein konkretes, vom Absender selbst ausgewähltes Benutzerkonto im Rahmen des zwischen den Kommunikationspartnern und der Beklagten bestehenden Vertragsverhältnisses allein zum Zweck der Kenntnisnahme der bereits vorhandenen Inhalte durch die Mitglieder der Erbengemeinschaft. Damit seien zugleich die durch die konkrete Art der Datenverarbeitung entstehenden Risiken begrenzt.

Vor diesem Hintergrund komme den Interessen der Kommunikationspartner im Verhältnis zu denen der Erben keine überwiegende Bedeutung zu, unabhängig davon, ob diese minderjährig sind oder nicht und ob teilweise auch sensible Inhalte enthalten sind. Die oben dargelegten berechtigten Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin als Erben und nahe Angehörige seien von deutlich höherem Gewicht. Die Interessen der Kommunikationspartner würden es nicht rechtfertigen, das gesetzliche Erbrecht der Erben teilweise auszuhöhlen. Gestützt werde dieses Ergebnis hier durch die besondere persönliche Interessenlage der Erben, die zugleich nächste Angehörige seien und ein sowohl ideelles als auch vermögenswertes Interesse an der Aufklärung der Umstände des Todes ihrer Tochter hätten.

Ohne Erfolg berufe sich die Beklagte in der Revisionserwiderung auch auf einen Ausschluss des Zugangs wegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kommunikationspartner der Erblasserin. Dieses stehe dem Anspruch der Klägerin ebenso wenig entgegen, wie das Fernmeldegeheimnis oder Datenschutzrecht.

Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), die Berufung wurde zurückgewiesen.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit einer, spätestens seit der Entscheidung der Vorinstanz, in der Literatur breit und kontrovers diskutierten Problematik des sog. digitalen Nachlasses.

Danach geht der Nutzungsvertrag mit einem sozialen Netzwerk beim Tod des Kontoinhabers grds. gem. § 1922 BGB auf die Erben über. Das postmortale Persönlichkeitsrecht, Fernmeldegeheimnis, Datenschutzrecht und allgemeines Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner und des Erblassers stehen dem nicht entgegen.

Die ausführlich begründete Entscheidung des BGH verdient Zustimmung und fügt sich in die bisher zur Vererblichkeit von analoger Kommunikation entwickelten Grundsätze ein. Insbesondere die vielen Ausführungen zu vorliegend nicht streitentscheidenden Fragen erleichtern die zukünftige konkrete Anwendung in der Praxis. Einer Differenzierung zwischen Inhalten mit vermögensrechtlichem und nichtvermögensrechtlichem Charakter erteilt der BGH eine klare und begrüßenswerte Absage.

Die Grundsatzentscheidung des BGH hat auch über Social Media Plattformen wie etwa Facebook oder Instagram hinaus allgemeine Bedeutung für sonstige Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen wie etwa Messaging Dienste oder Cloud Anbieter und stärkt in erheblichem Maße die Rechte der Erben.


Rezension des Urteils des BGH v. 27.07.2018 - III ZR 183/17 KG „Soziales Netzwerk / Facebook / Erbfall / Zugang zum Benutzerkonto", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.12 Dezember 2018, S.673 ff


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