Reallast; Bestimmtheit; Beerdigung; Grabpflege; Gottesdienste
Leitsatz des Verfassers:
Die Regelung zur Übernahme der Kosten der standesgemäßen und ortsüblichen Beerdigung, sowie für die üblichen Gottesdienste, die Errichtung eines Grabmals und die Grabpflege als Teil der Leistungen einer Reallast im Rahmen eines Leibgedings verstößt nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 04.06.2019 - 20 W 218/18
BGB § 1105
EGBGB Art. 96
GBO § 49
HessAGBGB §§ 12 Abs. 3, 12 Abs. 4, 17 Abs. 1
I. Einführung
Der Beteiligte zu 1) ist bezüglich der betroffenen Grundstücke als Eigentümer eingetragen. Der Verfahrensbevollmächtigte hat beim Grundbuchamt verschiedene Eintragungsanträge gestellt. Ausweislich der notariellen Urkunde hat der Beteiligte zu 1) den Grundbesitz an den Beteiligten zu 2), seinen Sohn, übertragen. Ausweislich § 4 des Vertrages hat der Beteiligte zu 2) als Übernehmer dem Beteiligten zu 1) auf dessen Lebensdauer ein unentgeltliches Leibgeding gewährt.
Nach § 4 Ziffer 7 beinhaltet dieses unter anderem Folgendes:
„Übernahme der Kosten der standesgemäßen und ortsüblichen Beerdigung, für die üblichen Gottesdienste, die Errichtung eines Grabmales und die Grabpflege. Zahlungen durch Sterbegeldversicherung gebühren dem Übernehmer.“
Sodann heißt es in § 4, dass die Sicherung der unter Ziffer 7 bestellten Rechte am gesamten übergebenen Grundbesitz durch Reallast bewilligt und beantragt wird und zwar gemäß § 49 GBO als Leibgeding zu Gunsten des Beteiligten zu 1). Der Verfahrensbevollmächtigte hat gegenüber dem Grundbuchamt unter anderem die Eintragung der Reallast als Leibgeding gemäß § 49 GBO entsprechend § 4 Ziffer 7 beantragt.
Die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt hat unter anderem beanstandet, dass Punkt 7 des bewilligten Leibgedings zu unbestimmt hinsichtlich der Beerdigung, der Gottesdienste und des Grabmals sei. Sie hat um bestimmbare Kriterien gebeten.
Nach weiterem Schriftwechsel hat die Rechtspflegerin durch die angefochtene Zwischenverfügung darauf hingewiesen, dass das beantragte Leibgeding eine Bündelung von Einzelrechten sei und sich aus Dienstbarkeiten und Reallasten zusammensetzen könne. Für die einzelnen Rechte innerhalb dieses Leibgedings seien die gesetzlichen Bestimmungen für Dienstbarkeiten und Reallasten einzeln zu prüfen. Hinsichtlich des beantragten Leibgedings fehle die für Reallasten unbedingt notwendige Bestimmbarkeit. „Standesgemäß“, „ortsüblich“, „übliche“ seien keine bestimmbaren Formulierungen. Auch die Formulierungen „Errichtung eines Grabmales und die Grabpflege“ sei nicht bestimmbar genug formuliert. Sie hat um Ergänzung und Bewilligung hinsichtlich der Bestimmbarkeit gebeten.
Der Verfahrensbevollmächtigte hat im Hinblick auf die Beanstandung des Leibgedings Beschwerde eingelegt. Er rügt die Rechtsauffassung des Grundbuchamts.
Die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Problem
Der Senat erachtete die Beschwerde als statthaft, zulässig und auch in der Sache als erfolgreich.
Die angefochtene Zwischenverfügung sei inhaltlich nicht gerechtfertigt.
Festzuhalten sei zunächst, dass beim Leibgeding als Inbegriff von Rechten verschiedener Art bzw. von dinglich gesicherten Nutzungen und Leistungen zum Zwecke der persönlichen Versorgung des Berechtigten, die zu einer Einheit verbunden sind, bestimmte Leistungen auch durch Reallasten dinglich gesichert werden könnten. Obwohl § 1105 BGB als Inhalt der Reallast grundsätzlich nur wiederkehrende Leistungen zulasse, könnten jedenfalls im Rahmen eines Leibgedings auch einmalige Leistungen einbezogen werden, wenn sie innerhalb eines Gesamtbereichs wiederkehrender Leistungen liegen, innerlich zu einem Altenteil bzw. Leibgeding gehören, dieses ergänzen und nur ihrer Natur nach einmalig sind (vgl. BGH NJW 2014, 1000; OLG München FGPrax 2012, 250; MüKo-BGB/Mohr, § 1105 Rz. 53; Demharter, GBO, § 49 Rz. 4; Anh. zu § 44 Rz. 73).
Die Leistungen im Rahmen einer Reallast müssten, anders als bei Grundpfandrechten, nicht ziffernmäßig bestimmt, sondern nur in ihrem Umfang bestimmbar sein. Dabei bedeute der Bestimmtheitsgrundsatz nicht, dass der Umfang der tatsächlichen Belastung in einem bestimmten Zeitpunkt aus der Eintragung selbst oder in Verbindung mit der Eintragungsbewilligung ohne Weiteres ersichtlich sein muss. Es genüge vielmehr, wenn Art, Gegenstand und Umfang der Leistung aufgrund objektiver Umstände bestimmbar sind, die auch außerhalb des Grundbuchs liegen können, sofern sie nachprüfbar und mindestens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind. Dabei stehe dem Bestimmtheitsgrundsatz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Reallast nicht einmal entgegen, dass ein Dritter die Umstände, aus denen sich die tatsächliche Belastung in einem bestimmten Zeitpunkt ergibt, nicht feststellen kann. Entscheidend sei, dass die höchstmögliche Belastung des Grundstücks für jeden Dritten erkennbar ist und dass der Umfang der Haftung in einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund der in der Eintragungsbewilligung enthaltenen Voraussetzungen bestimmt werden kann. Dabei genüge es dann, wenn erst durch eine richterliche Entscheidung bestimmte Umstände klargestellt werden können (so BGHZ 130, 342 m. w. N.; vgl. auch MüKo-BGB/Mohr, a.a.O., § 1105 Rz. 32; Böttcher ZNotP 2011, 122, 130). So würden sich denn auch etwa im Rahmen der unter Art. 96 EGBGB fallenden Leibgedings- bzw. Altenteilsverträge nach Landesrecht seit jeher entsprechende Begriffe wie „Standesgemäßheit“ und/oder „Ortsüblichkeit“ (vgl. auch Art. 96 EGBGB, §§ 12 Abs. 3, 17 Abs. 1 HessAGBGB: „nach dem Maß der Lebensstellung“) zur Feststellung des Umfangs der Leistungen finden. Es werde davon ausgegangen, dass durch deren Verwendung der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz noch gewahrt ist (vgl. die Nachweise bei Böhringer MittBayNot 1988, 103, 109).
Den genannten Anforderungen werde § 4 Ziffer 7 des Leibgedings in der notariellen Urkunde des Verfahrensbevollmächtigten gerecht.
Was die „Übernahme der Kosten der standesgemäßen und ortsüblichen Beerdigung, für die üblichen Gottesdienste“ betrifft, sei in der Rechtsprechung bereits ausgesprochen worden, dass die Eintragung einer Reallast im Rahmen eines Leibgedings für die „Kosten einer standesgemäßen Bestattung und der Gottesdienste hierzu“ nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstößt (so OLG München FGPrax 2012, 250; so auch Meikel/Morvilius, GBO, 11. Aufl., Rz. B 566; vgl. zur „standesgemäßen Bestattung“ weiter OLG München FamRZ 2013, 1252). Für die hiesige Formulierung gelte nichts anderes. Begründet werde dies damit, dass der Wortlaut der „standesgemäßen“ Bestattung der vor dem 01.01.1999 geltenden gesetzlichen Regelung in § 1968 BGB entspricht. Die Streichung des Wortes „standesgemäß“ in dieser Vorschrift habe keine inhaltliche Änderung gebracht, so dass auch heute noch gelte, dass der Verpflichtete die Kosten zu tragen hat, die an der Ausrichtung der Lebensstellung des bzw. der Verstorbenen orientiert sind, zumal außerhalb der Bewilligung liegende Umstände hier herangezogen werden könnten. Weitergehende Anforderungen seien auch im Hinblick auf nachrangig Berechtigte nicht zu stellen (so OLG München FGPrax 2012, 250; vgl. zu den insoweit maßgeblichen Kriterien für die Bestimmung: Burandt/Rojahn/Joachim, Erbrecht, 3. Aufl., § 1968 BGB Rz. 6 ff.; BeckOGK/Grüner, BGB, Stand 01.05.2019, § 1968 Rz. 40 ff.). Ob für die Regelung eines „standesgemäßen Unterhalts“ anderes gelten würde (vgl. dazu etwa die Nachweise bei Staudinger/Reymann, a.a.O., § 1105 Rz. 37), könne offenbleiben, da die sich in diesem Zusammenhang stellenden Bewertungsschwierigkeiten laufender Unterhaltsleistungen hier keine Rolle spielen. Tendenziell dürften an die Bestimmbarkeit wiederkehrender Geldleistungen strengere Maßstäbe anzulegen sein (vgl. die Nachweise bei Reetz in BeckOK GBO, a.a.O., § 49 Rz. 18). Auch die Kosten „für die üblichen Gottesdienste“ hielt der Senat für hinreichend bestimmbar, auch wenn es hier an einer Regelung zum unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Beerdigung fehlt. Vergleichbare Regelungen seien denn auch in der Rechtsprechung bislang nicht konkret beanstandet worden (vgl. etwa OLG Hamm FGPrax 2014, 238, für „die üblichen Seelenmessen“; BayObLGZ 1998, 250 für „die üblichen Trauerfeierlichkeiten“).
Entsprechende Erwägungen würden für die Übernahme der Kosten für „die Errichtung eines Grabmales und die Grabpflege“ gelten. Auch hier bedürfe es aus den obigen Erwägungen heraus keiner näheren Eingrenzung. Auch im Übrigen würden sich derartige Vereinbarungen im Rahmen eines Leibgedings bzw. Altenteils und deren dingliche Sicherung durch eine Reallast in einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen finden, ohne dass sie aus dem Gesichtspunkt der Bestimmbarkeit heraus beanstandet worden wären (vgl. etwa BayObLGZ 1998, 250; 1997, 121; BayObLG Rpfleger 1988, 98; Rpfleger 1983, 308; OLG Hamm OLGZ 1988, 181; FGPrax 2014, 238).
III. Fazit
Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge kommt dem Leibgeding und einer entsprechenden Absicherung durch eine Reallast auch heute noch eine große Bedeutung zu. Die Entscheidung des OLG Frankfurt beschäftigt sich in seiner Entscheidung schwerpunktmäßig mit den Anforderungen an die Bestimmtheit etwaiger Verpflichtungen.
Obwohl § 1105 BGB als Inhalt der Reallast grundsätzlich nur wiederkehrende Leistungen zulässt, können jedenfalls im Rahmen eines Leibgedings auch einmalige Leistungen einbezogen werden, wenn sie innerhalb eines Gesamtbereichs wiederkehrender Leistungen liegen, innerlich zu einem Altenteil bzw. Leibgeding gehören, dieses ergänzen und nur ihrer Natur nach einmalig sind. Bei der Bestimmung ist jedoch zu beachten, dass der Bestimmtheitsgrundsatz bei einer Reallast erfordert, dass die höchstmögliche Belastung des Grundstücks für jeden Dritten erkennbar ist und dass der Umfang der Haftung in einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund der in der Eintragungsbewilligung enthaltenen Voraussetzungen bestimmt werden kann.
Die Regelung zur Übernahme der Kosten der standesgemäßen und ortsüblichen Beerdigung, für die üblichen Gottesdienste, die Errichtung eines Grabmals und die Grabpflege erachtete das OLG Frankfurt insoweit als ausreichend bestimmt.
Rezension des Beschlusses des OLG Frankfurt v. 04.06.2019 - 20 W 218/18 „Reallast / Bestimmtheit / Beerdigung / Grabpflege / Gottesdienste", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.01 Januar 2020, S.63 f