Pflichtteilsberechtigter Auskunftsanspruch

Amtliche Leitsätze:

  1. Der Pflichtteilsberechtigte hat im Rahmen des Auskunftsanspruchs zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen (Anschluss an OLG Düsseldorf ZEV 2019, 90).
  2. Wird der Beklagte nicht nur zur Auskunftserteilung, sondern auch zur Belegvorlage verurteilt, kommt es für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes auch auf die Kosten an, die mit der Beschaffung der Belege (hier u.a. Bankunterlagen für die letzten 10 Jahre vor dem Erbfall) verbunden sind.

OLG München (33. Zivilsenat), Endurteil vom 23.08.2021 – 33 U 325/21

BGB §§ 2314 Abs. 1, 260
ZPO § 511 Abs. 2

I. Einführung

Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche. Der Kläger ist der Sohn der im Jahr 2019 verstorbenen Erblasserin, der Beklagte ihr Ehemann. Die Erblasserin wurde vom Beklagten allein beerbt. Mit seiner Klage begehrt der Kläger Auskunft und Belegvorlage vom Beklagten, um seine Pflichtteilsansprüche beziffern zu können.

Der Beklagte verteidigt sich mit der Behauptung, ein Anspruch auf Belegvorlage bestünde nicht, im Übrigen seien die Belege bereits zum Teil vorgelegt worden.

Das Erstgericht hat der Klage mit Teilurteil stattgegeben. Es sah die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Belegvorlage als gegeben an.

Der Beklagte rügt in seiner Berufungsbegründung, dass das Erstgericht zu Unrecht eine allgemeine Belegvorlage zugesprochen hat.

Der Kläger ist der Ansicht, dass eine Belegvorlage vorliegend deswegen gerechtfertigt sei, weil diese notwendig sei, um hinsichtlich des Nachlassbestandes eine Werteinschätzung vornehmen zu können.

II. Problem

Das OLG München erachtete die Berufung als zulässig und im Ergebnis erfolgreich.

Die Berufung sei zulässig, insbesondere werde der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erreicht. Zwar übersteige die Beschwer bei einer Verpflichtung zur Auskunftserteilung wohl nur in Ausnahmefällen die Grenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass alle Auskünfte, die der Beklagte zu erteilen hat, unter Belegvorlage erfolgen sollen. Insoweit habe der Beklagte vorgetragen, dass allein für die Vorlage von Bankbelegen für die zurückliegenden 10 Jahre vor dem Erbfall Bankgebühren in erheblichem Umfang anfallen, so dass allein dadurch der Wert des Beschwerdegegenstandes überschritten werde.

Der Senat teilte nicht die Ansicht des Landgerichts, wonach im vorliegenden Falle neben der Verurteilung zur Auskunftserteilung auch eine Vorlage von Belegen zu erfolgen hat.

Die zu erteilende Auskunft des Erben im Rahmen des § 2314 BGB erstrecke sich auf alle Berechnungsfaktoren und somit auf alle tatsächlich zum Erbfall vorhandenen Aktiv- und Passivposten (Blum/Heuser in: BeckOGK/BGB § 2314 Rn. 7; Krätzschel in: Firsching/Graf Nachlassrecht § 17 Rn. 25).

Nach Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur bestehe kein allgemeiner Anspruch auf Belegvorlage im Rahmen eines Auskunftsanspruchs (OLG Koblenz BeckRS 2012, 20029; OLG Hamm BeckRS 2015, 12501; OLG Koblenz ZEV 2010, 262 Rn. 20; OLG Düsseldorf ZEV 2019, 90; Lange in: MüKo/BGB § 2314 Rn. 14).

Eine Pflicht zur Vorlegung von Belegen bestehe ausnahmsweise dann, wenn ein Unternehmen zum Nachlass gehört und die Beurteilung seines Wertes ohne Kenntnis insbesondere der Bilanzen und ähnlicher Unterlagen dem Pflichtteilsberechtigten nicht möglich wäre (BGH NJW 1961, 602).

Eine Vorlage von Belegen könne ausnahmsweise auch dann gefordert werden, wenn der Wert einzelner Nachlassgegenstände ungewiss ist und die Vorlage einzelner Unterlagen erforderlich ist, damit der Pflichtteilsberechtigte den Wert der Gegenstände selbst abschätzen kann (Palandt/Weidlich § 2314 Rn. 10).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze komme eine Vorlage von Belegen im vorliegenden Falle nicht in Betracht.

Der Senat teilte die herrschende Meinung der Rechtsprechung, wonach eine allgemeine Belegvorlagepflicht hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB nicht besteht.

Maßgeblich sei insoweit, dass § 2314 Abs. 1 BGB nur auf § 260 BGB, nicht auch auf § 259 BGB verweist und § 260 BGB keine allgemeine Pflicht zur Rechenschaftslegung und seinem Wortlaut nach auch keine Pflicht zur Vorlage von Belegen beinhaltet.

Auch der Vergleich mit § 1379 Abs. 1 S. 2 BGB spreche für die herrschende Meinung. Die Vorschrift sieht für den Fall der Berechnung von Zugewinnausgleichsansprüchen vorbereitend ebenfalls Auskunftsansprüche, ein Verzeichnis nach § 260 BGB, das Anwesenheitsrecht bei der Erstellung des Verzeichnisses, einen Wertermittlungsanspruch und ein notarielles Verzeichnis vor. Während der Gesetzgeber dort aber durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts ausdrücklich eine Pflicht zur Belegvorlage eingeführt hat, habe es eine solche Gesetzesänderung im Erbrecht nicht gegeben, obwohl der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts zwar unter anderem das Pflichtteilsrecht geändert hat, § 2314 BGB aber gerade nicht um die Regelung einer Belegvorlagepflicht ergänzt hat (OLG Düsseldorf ZEV 2019, 90).

Soweit die Literatur teilweise Ausnahmen vom o.g. Grundsatz annimmt, so wenn die Vorlage von Unterlagen bzw. Belegen erforderlich ist, damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch berechnen kann (Staudinger/Herzog Neubearbeitung 2015 § 2314 Rn. 33 m.w.N.), würden diese Voraussetzungen nach Auffassung des Senats hier nicht vorliegen.

Vorliegend habe das Landgericht festgestellt, dass die zum Nachlass gehörenden ehemaligen landwirtschaftlichen Flächen verpachtet sind. Der Bestand des Nachlasses stehe insoweit fest. Dass es für den Kläger im Hinblick auf die spätere Bezifferung von Pflichtteilsansprüchen der Höhe nach praktisch wäre, die Pachtverträge zu sehen, um sich einen Überblick über die Erträge zu verschaffen, begründe ebenso wenig einen Anspruch auf die Vorlage dieser Belege wie der Umstand, dass es für den Beklagten im Zweifel ohne großen Aufwand möglich wäre, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen (so wohl Staudinger/Herzog Neubearbeitung 2015 § 2314 Rn. 33 m.w.N.).

Insbesondere lasse sich die Belegvorlage vorliegend nicht mit dem Argument der Klagepartei rechtfertigen, so könne eingeschätzt werden, ob es sich bei den verpachteten Flächen um ein Landgut im Sinne des § 2312 BGB handele. Sei streitig, ob ein landwirtschaftliches Anwesen ein Landgut ist und ist für diese Feststellung besondere Sachkunde erforderlich, müsse gegebenenfalls ein Gutachten eingeholt werden (BGH ZEV 2008, 40; Horn in: Burandt/Rojahn § 2312 BGB Rn. 5). Aus vorgelegten Belegen würden sich insoweit jedenfalls keine tragfähigen Schlüsse ziehen lassen.

Soweit der Beklagte schließlich verurteilt wurde, die Mitteilungen an die Erbschaftsteuerstelle vorzulegen, bestehe auch dieser Anspruch nicht. Insoweit handele es sich bei dieser Mitteilung wiederum um einen Beleg, auf dessen Vorlage kein Anspruch bestehe. Etwas anderes ergebe sich aber auch nicht aus der Entscheidung des Landgerichts Köln (BeckRS 2016, 134374), auf das das Landgericht seine angefochtene Entscheidung stützt. Im Gegenteil: Im dortigen Urteil heiße es ausdrücklich, dass es sich bei den „aufgeführten Mitteilungen an die Erbschaftssteuerstelle um Belege [handelt], deren Vorlage im Rahmen des Auskunftsanspruchs […] nicht verlangt werden kann.“.

Auch der Hinweis auf Stimmen in der Literatur (z.B. Horn in: ZEV 2018, 626/627) würden fehl gehen, denn die Vorlage der entsprechenden Belege werde gerade nicht für den Auskunftsanspruch, sondern nur für den Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 2 BGB bejaht. Ein solcher werde hier aber gerade nicht geltend gemacht.

Schließlich bestehe nach Ansicht des Senats auch kein Anspruch auf Mitteilung, wem bzw. gegebenenfalls in welchem Umfang die Erblasserin eine Vollmacht zur Verfügung über ihre Bankkonten erteilt hat. Zwar werde ein derartiger Anspruch in der Literatur teilweise angenommen (Horn in: Burandt/Rojahn Erbrecht § 2314 Rn. 23). Nach Auffassung des Senats bestehe ein derartiger Anspruch jedoch nicht, da erteilte Vollmachten ihrer Natur nach keine Aktiva des Nachlasses sein könnten. Etwaige Forderungen des Nachlasses gegenüber Dritten, in diesem Zusammenhang auch gegenüber etwaigen Bevollmächtigten, seien jedoch vom allgemeinen Auskunftsanspruch schon umfasst, da Auskunft selbstverständlich über alle aktiv Positionen des Nachlasses, mithin auch über Forderungen, zu erteilen sei.

Die angefochtene Entscheidung war nach Ansicht des OLG München deswegen teilweise aufzuheben.

III. Fazit

Pflichtteilsberechtigte versuchen gegenüber den Erben im Rahmen des mit ihren Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen zusammenhängenden Auskunftsanspruches immer wieder die Vorlage von Belegen zu erreichen.

Wie die Entscheidung des OLG München jedoch zeigt, besteht ein derartiger Anspruch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen. So etwa, wenn der Wert der Nachlassgegenstände ungewiss ist und eine Abschätzung des Wertes nur durch die Vorlage einzelner Unterlagen möglich ist.  

Der teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht, dem Pflichtteilsberechtigten stehe ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der durch den Erblasser erteilten Vollmachten zu, schließt sich das OLG München vorliegend nicht an.


Rezension des Endurteils des OLG München  v. 23.08.2021 - 33 U 325/21; „Pflichtteilsberechtigter Auskunftsanspruch", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 12  Dezember 2021, S.687 f


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