Notarielles Nachlassverzeichnis; Verpflichtung; Weigerung; Vollstreckung

Leitsätze:

  1. Die Verpflichtung, durch ein notarielles Verzeichnis Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen, ist insgesamt durch die Festsetzung von Zwangsgeld bzw. Zwangshaft gem. § 888 ZPO zu vollstrecken. Sie kann nicht in die gem. § 887 ZPO zu vollstreckende Auftragserteilung an den Notar und die gem. § 888 ZPO zu vollstreckende Mitwirkung bei der Aufnahme des Verzeichnisses aufgespalten werden. (amtlicher Leitsatz)
  2. Hängt die vorzunehmende Handlung nicht nur vom Willen des Schuldners, sondern auch von der Bereitschaft eines Dritten ab, obliegt es dem Schuldner, dessen Handlung mit der gebotenen Intensität einzufordern und die ihm zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen. Dazu gehört auch eine Beschwerde gem. § 15 Abs. 2 BNotO, wenn der Notar sich entgegen § 15 Abs. 1 BNotO weigert, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. (amtlicher Leitsatz)

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2016 - I-7 W 67/16

ZPO § 887, § 888
BGB § 2314

I. Einführung

Das LG Düsseldorf hat die Schuldnerin als Alleinerbin des 2012 verstorbenen Erblassers rechtskräftig verurteilt, der Gläubigerin als Tochter des Erblassers durch ein notarielles Verzeichnis Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen.

Die Gläubigerin forderte die Schuldnerin erfolglos zum Nachweis der Beauftragung eines Notars mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auf. Sodann hat die Gläubigerin unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils beantragt, gegen die Schuldnerin zur Durchsetzung des Urteils ein Zwangsgeld zu verhängen sowie der Gläubigerin Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung zu gewähren.

Die Schuldnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, insgesamt 27 Notare und Notarinnen in Neuss und Düsseldorf zwecks Beauftragung mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses angeschrieben zu haben. Einige hätten schriftliche Absagen erteilt, andere telefonisch. Somit habe sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles versucht, um einen Notar zur Mandatsübernahme zu veranlassen, was aber nicht gelungen sei.

Das LG Düsseldorf hat die Anträge der Gläubigerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, der Antrag nach § 888 ZPO sei unstatthaft, da der „Auftrag“ an einen Notar zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses eine vertretbare, keine unvertretbare Handlung darstelle. Auch die Vollstreckungsgläubigerin selbst könne als am Verfahren Beteiligte einen Notar hierzu „beauftragen“. Insoweit sei bei Handlungen, die teilweise vertretbar, teilweise unvertretbar seien (hier in Bezug auf die Mitwirkung der Schuldnerin am Zustandekommen eines Nachlassverzeichnisses) in Bezug auf die einzelnen Teile der Handlung hinsichtlich der Vollstreckungsarten zu differenzieren, um geringstmöglich in die Rechte des Schuldners einzugreifen. Hinzu komme, dass es einem dem Zivilrecht immanenten Grundprinzip entspreche, dass derjenige, der Ansprüche verfolgt, die damit zusammenhängenden Lasten trägt, so dass es gerechtfertigt erscheine, dem Vollstreckungsgläubiger die mit der Notarsuche verbundenen Mühen aufzubürden.

Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG Düsseldorf hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Problem

Das OLG Düsseldorf erachtete die Beschwerde als zulässig und in der Sache erfolgreich.

Rechtsgrundlage für die von der Gläubigerin beantragte Festsetzung eines Zwangsgelds sei § 888 ZPO. Danach sei - sofern der Schuldner seine Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme ausschließlich von seinem Willen abhängt und die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann, nicht erfüllt - auf Antrag des Gläubigers vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme durch Zwangsgeld anzuhalten ist (§ 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen. Die mit dem Urteil titulierte Auskunftsverpflichtung stelle auch eine unvertretbare Handlung dar, die eine Vollstreckung nach § 888 ZPO grundsätzlich ermöglicht (Zöller ZPO/Stöber,  § 888 Rn. 3, Stichwort „Auskunft“).

Vertretbar i.S.d. § 887 ZPO seien nur solche Handlungen, die selbstständig von einem Dritten anstelle des Schuldners vorgenommen werden können, ohne dass das Erfüllungsinteresse des Gläubigers hiervon berührt wird. Es müsse von dem Standpunkt des Gläubigers aus wirtschaftlich gleichgültig sein, durch wen die Handlung vorgenommen wird, und vom Standpunkt des Schuldners rechtlich zulässig sein, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt (BeckOK-ZPO/Stürner, § 887 Rn. 2). Die Handlung, zu deren Erfüllung vorliegend Zwangsmitteln eingesetzt werden sollen, sei die Erteilung einer Auskunft über den Nachlassbestand. Bei einer solchen handele es sich regelmäßig um eine unvertretbare Handlung (MüKo ZPO/Gruber, § 887 Rn. 14 m.w.N.). Etwas Anderes gelte nur in Fällen, in denen es um die Erteilung einer Abrechnung geht, welche - das Vorliegen der erforderlichen Unterlagen vorausgesetzt - auch durch Dritte erfolgen kann (a.a.O). Ein solcher Fall liege hier nicht vor, vielmehr setzte die Auskunftserteilung die Mitteilung der Kenntnisse der Schuldnerin höchstpersönlich voraus.

Nichts Anderes gelte etwa deshalb, weil die Auskunft in Form der Vorlage eines notariellen Verzeichnisses gemäß § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB erteilt werden soll. Die Erteilung der Auskunft durch ein notarielles Verzeichnis verändere ihren Charakter als unvertretbare Handlung nicht. Damit komme es nicht darauf an, ob die Beauftragung eines Notars mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses als solche eine vertretbare und damit nach § 887 ZPO vollstreckbare Handlung darstellt, denn mit der bloßen Beauftragung eines Notars - ohne die inhaltliche Mitwirkung der Schuldnerin durch Mitteilung ihrer Kenntnisse diesem gegenüber - sei der Gläubigerin zur Erfüllung ihres Auskunftsanspruchs in keiner Weise gedient. Die geschuldete Handlung lasse sich damit gerade nicht, wie das Landgericht meint, in einen vertretbaren und einen unvertretbaren Teil aufspalten. Auch unter Berücksichtigung des im Rahmen der Vollstreckung greifenden Grundsatzes, dass in die Rechte des Schuldners bei gleicher Eignung der Vollstreckungsmaßnahmen nur geringstmöglich einzugreifen ist, richte sich die Vollstreckung der Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses (Staudinger/Herzog, BGB, § 2314 Rn. 172 m.w.N.; MüKo-BGB/Lange, § 2314 Rn. 48) insgesamt nach § 888 ZPO.

Allerdings setze die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen nach § 888 ZPO voraus, dass die vorzunehmende Handlung ausschließlich von dem Willen des Verpflichteten abhängt. Hieran fehle es, wenn die Handlung dem Verpflichteten unmöglich ist oder, wenn sie von einem dem Einfluss des Verpflichteten entzogenen Willen abhängt, gleichgültig, ob dies auf einem Verschulden des Verpflichteten beruht oder nicht (OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 584). Vorliegend hänge die vorzunehmende Handlung nicht nur vom Willen der Schuldnerin ab, sondern auch von der Bereitschaft eines Dritten, nämlich eines Notars. In diesem Fall sei die Schuldnerin im Vollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO verpflichtet, die Handlung des (ihr gegenüber) mitwirkungspflichtigen Dritten mit der gebotenen Intensität einzufordern, die ihr zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen (BGH, NJW 2009, 2308). Erst wenn feststehe, dass trotz derart intensiven Bemühens um die Mitwirkungshandlung des Dritten diese nicht zu erlangen ist, sei die titulierte unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar (BGH a.a.O.). Voraussetzung hierfür sei, dass der Schuldner alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung des Dritten zu erlangen, und dass er seine darauf gerichteten Bemühungen im Einzelnen dargelegt hat (OLG Nürnberg, a. a. O.). An diesem Maßstab gemessen habe die Schuldnerin ihren im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens obliegenden Verpflichtungen nicht genügt. Allein durch ihre Anfrage bei mehr als 25 Notariaten habe die Schuldnerin die ihr zustehenden Möglichkeiten nämlich nicht ausgeschöpft. Gemäß § 15 Abs. 1 BNotO darf ein Notar insoweit seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Insoweit bestehe bei Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Tätigkeit des Notars die Möglichkeit der Beschwerde vor dem Landgericht, § 15 Abs. 2 BNotO. Letzteres den ihre Tätigkeit verweigernden Notaren in Aussicht gestellt oder gar in die Tat umgesetzt zu haben habe die Schuldnerin nicht vorgetragen.

Nichts Anderes ergebe sich auch vor dem Hintergrund, dass es, wie das Landgericht ausführt, allein das Interesse des Gläubigers ist, einen „auftragsbereiten“ Notar zu finden. Diese Interessenlage entspreche vielmehr der üblichen.

III. Fazit

Das OLG Düsseldorf hatte sich vorliegend mit der Auskunftspflicht durch ein notarielles Verzeichnis über Bestand des Nachlasses zu beschäftigen.

Es stellt hierzu fest, dass die Auskunftsverpflichtung insgesamt eine unvertretbare Handlung darstellt, wobei eine Vollstreckung nach § 888 ZPO möglich ist. Die Verpflichtung ist nicht in einen vertretbaren und einen unvertretbaren Teil aufspalten.

Was die notwendige Mitwirkung eines Notars betrifft, so ist der Auskunftsverpflichtete im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens verpflichtet, die Handlung des mitwirkungspflichtigen Notars mit der gebotenen Intensität einzufordern, d.h. die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen um den Dritten, hier den Notar, zu einer Mitwirkung zu bewegen. Bloße Anfragen genügen hierfür nicht.


Rezension des Beschlusses des OLG Düsseldorf v. 31.10.2016 - 7 W 67/16 „Notarielles Nachlassverzeichnis / Verpflichtung / Weigerng / Vollstreckung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.3 März 2017, S.161 ff


Wie kann ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht weiterhelfen?

Zurück