Nachweis des Erbrechts durch eigenhändiges Testament

Leitsätze:

  1. Der Geschäftswert eines Erbscheinsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich nicht nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers, sondern nach dem Wert des Erbscheins, gegen dessen Erteilung sich die Beschwerde richtet (Festhaltung an Senat ErbR 2015, 499; Anschluss an OLG Schleswig FGPrax 2015, 93, Abweichung von OLG Hamm FGPrax 2015, 277, juris-Rn. 5; OLG Düsseldorf MDR 2016, 415, juris-Rn. 24; OLG Dresden, Beschluss vom 19. Januar 2016 - 17 W 1275/15, juris-Rn. 6). (amtlicher Leitsatz)
  2. Ein etwa bestehendes Pflichtteilsrecht mindert den Geschäftswert auch im Erbscheinsbeschwerdeverfahren nicht. (amtlicher Leitsatz)

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2016 - 11 Wx 103/15

GNotKG §§ 36, 40
KostO §§ 30, 131 Absatz 4

I. Einführung

Die Beteiligten haben im Erbscheinsverfahren darüber gestritten, ob die Beteiligte zu 1) - die Witwe des Erblassers - das vom Erblasser mit einer früheren Ehefrau errichtete Testament wirksam wegen ihrer Übergehung als Pflichtteilsberechtigte angefochten hat. Die Beteiligte zu 2), die Tochter des Erblassers, ist der Anfechtungserklärung entgegengetreten. Sie hat einen Erbschein beantragt, der ihren Bruder und sie zu jeweils hälftigen Testamentserben bestimmen soll. Die Beteiligte zu 1) hat einen Erbschein beantragt, der sie zur Hälfte und die Kinder des Erblassers - darunter die Beteiligte zu 2) - jeweils zu einem Viertel als Erben ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hat die Voraussetzungen dieses Erbscheinsantrags für festgestellt erachtet. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat der Senat zurückgewiesen. Dabei hat er den Geschäftswert unter Ansatz des gesamten Reinnachlasses festgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2). Sie behauptet, der Geschäftswert habe sich an ihrem wirtschaftlichen Interesse an der Entscheidung zu orientieren. Dieses entspreche lediglich einem Achtel des Nachlasswerts. Sie habe lediglich einen hälftigen Erbteil für sich in Anspruch genommen. Ein Viertel hiervon habe ihr die Beteiligte zu 1) selbst zugestanden. Es sei außerdem der der Beteiligten zu 1) jedenfalls zukommende Pflichtteil abzuziehen.

II. Problem

Der Senat legte die Eingabe der Beteiligten zu 2) dahingehend aus, dass im Wege der Gegenvorstellung eine amtswegige Korrektur der für die Berechnung der Gerichtsgebühren vorgenommenen Geschäftswertfestsetzung für den zweiten Rechtszug begehrt wird.

Diese war jedoch nach Ansicht des Senats erfolglos. Der Senat hielt daran fest, dass es für den (gerichtlichen) Geschäftswert im Erbscheinsbeschwerdeverfahren nicht allein auf die erstrebte wirtschaftliche Beteiligung des Beschwerdeführers am Nachlass ankommt. Daneben berühre ein etwaiges Pflichtteilsrecht die Höhe des Geschäftswerts nicht.

Der gegenteiligen Auffassung anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamm FGPrax 2015, 277, juris-Rn. 5; OLG Düsseldorf MDR 2016, 415, juris-Rn. 24; OLG Dresden, Beschluss vom 19. Januar 2016 - 17 W 1275/15, juris-Rn. 6) vermochte er sich nicht anzuschließen. Bei der Bestimmung des Geschäftswerts im Erbscheinsbeschwerdeverfahren sei der Rückgriff auf die ermessensgeleitete Wertvorschrift des § 36 GNotKG versperrt. Es sei auf die spezielle Regelung in § 40 GNotKG zurückzugreifen, die eine Berücksichtigung des eigenen wirtschaftlichen Interesses des beschwerdeführenden Erbanwärters nicht ermöglicht.

  • 61 GNotKG enthalte, anders als zuvor § 131 Absatz 4 KostO, keinen Verweis auf die § 30 KostO entsprechende allgemeine Wertvorschrift des § 36 GNotKG. Eine unmittelbare Anwendung des § 36 GNotKG sei nach der Systematik des Gerichts- und Notarkostengesetzes versperrt. Dieser ist ausweislich seines Wortlauts eine Auffangvorschrift (Hartmann, Kostengesetze, § 36 GNotKG, Rn. 2). Diese werde daher von dem speziell für das Erbscheinsverfahren geltenden § 40 GNotKG verdrängt. Aufgrund der Änderung der Gesetzessystematik könnten damit die zu § 30 KostO entwickelten Grundsätze zur Geschäftswertbemessung im Erbscheinsbeschwerdeverfahren nicht mehr herangezogen werden.

Der Senat teilte zwar im Ausgangspunkt die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (a. a. O., Rn. 7), dass die Sondervorschrift des § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 GNotKG darauf hindeutet, dass der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens hinter demjenigen der ersten Instanz zurückbleiben kann. Solche Fallkonstellationen aber könne es im Erbscheinsverfahren auch dann geben, wenn man von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 40 GNotKG ausgeht. So würde sich eine Reduzierung des Geschäftswerts im zweiten Rechtszug etwa dann ergeben, wenn der (einzige) Erbscheinsantragsteller erster Instanz im zweiten Rechtszug nicht mehr seine Ausweisung als Alleinerbe verlangt, sondern nur noch seinen erstinstanzlichen Hilfsantrag weiterverfolgt, ihm einen Teilerbschein mit der Ausweisung als hälftiger Erbe zu erteilen.

  • 65 Absatz 1 FamFG stehe der Anwendung der §§ 61 Absatz 1, 40 Absatz 1 Satz 1 GNotKG nicht entgegen (so aber OLG Hamm a. a. O.). Die Zulässigkeit einer Beschwerde in der freiwilligen Gerichtsbarkeit hänge, da § 65 Absatz 1 FamFG insoweit nur eine Sollvorschrift enthalte, nicht davon ab, dass sie begründet und ein förmlicher Antrag formuliert wird. Praktisch stelle es aber die Regel dar, dass sich das Ziel des Rechtsmittelführers aus seinem Vorbringen entnehmen lässt. Würden sich keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen ergeben, werde man davon ausgehen können, dass - je nach der Entscheidungskonstellation im ersten Rechtszug - die Erteilung eines Erbscheins nach dem erstinstanzlichen (einzigen) Antrag des Rechtsmittelführers erstrebt wird oder das Ziel darin besteht, statt des vom Nachlassgericht angekündigten, einen anderen, vom Rechtsmittelführer bereits erstinstanzlichen begehrten, Erbschein zu erlangen. Erst wenn hinreichende Anhaltspunkte für die Ziele des Rechtsmittelführers fehlen, könne auf § 61 Absatz 1 Satz 2 GNotKG zurückgegriffen und die Beschwer des Rechtsmittelführers herangezogen werden. Daher sei nicht anzunehmen, dass § 61 Absatz 1 GNotKG generell auf die Beschwer abstellt.

Der Gesetzgebungsgeschichte könne zwar nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber bewusst eine Fortführung der bisher zu § 30 KostO ergangenen Rechtsprechung ausschließen wollte. Das sei aber angesichts des systematisch eindeutigen Aufgebens der Verweisung von § 131 Absatz 4 KostO auf § 30 KostO kein hinreichendes Indiz dafür, dass die Anwendung des § 40 GNotKG im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen werden sollte.

Daneben mindere ein etwaiges Pflichtteilsrecht den Geschäftswert nicht. Nach § 40 Absatz 1 Satz 2 GNotKG seien bei der Geschäftswertbemessung im Erbscheinsverfahren nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abzuziehen. Pflichtteilsansprüche gehören nach allgemeiner Auffassung nicht dazu.

Die Anwendung des § 40 GNotKG führe auch nicht generell dazu, dass die Beteiligten einem unverhältnismäßigen Kostenrisiko ausgesetzt werden, das ihnen den grundrechtlich geschützten Zugang zu den Gerichten faktisch versperrt. Den Beteiligten verbleibe auch unter der Geltung des neuen Rechts die Möglichkeit, einen zwischen ihnen bestehenden Streit mit begrenztem Kostenrisiko dadurch zu klären, dass zunächst nur Teilerbscheinsanträge gestellt werden.

III. Fazit

Seit Inkrafttreten des GNotKG ist zwischen den Oberlandesgerichten umstritten, ob der Geschäftswert im Erbscheinsbeschwerdeverfahren von dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers, oder von dem Wert des Erbscheins, gegen dessen Erteilung sich die Beschwerde richtet, abhängt.

Das OLG Karlsruhe folgte vorliegend der letzten Ansicht. Es beruft sich dabei darauf, dass § 61 GNotKG, anders als noch § 131 Absatz 4 KostO, keinen Verweis auf die § 30 KostO entsprechende allgemeine Wertvorschrift des § 36 GNotKG enthält.

Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich auf diesem Gebiet leider noch nicht herausgebildet. Im Zweifel wäre hier eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wünschenswert.


Rezension des Urteils des BGH v. 05.04.2016 - XI ZR 440/15 - LG Wuppertal „Nachweis des Erbrechts durch eigenhändiges Testament", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.8 August 2016, S.487 ff


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