Nachlassverbindlichkeiten; Grabpflegekosten; Pflichtteil

Amtliche Leitsätze:

  1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.
  2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.
  3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB.

BGH (IV. Zivilsenat), Urteil vom 26.05.2021 – IV ZR 174/20

BGB §§ 1968, 2305

I. Einführung

Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil geltend. Die im Jahr 2017 verstorbene Erblasserin war ledig und hatte keine leiblichen Kinder. Den Kläger hatte sie als ehelichen Abkömmling durch Adoption angenommen. Die Erblasserin hinterließ ein eigenhändiges Testament mit folgendem Inhalt:

C. möchte ich als Verwalter meiner Persönlichen Sachen Übergeben. Wenn alles Verkauft ist, bekommen alle 10% + 5% die ich jetzt namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und, 20 Jahre Pflege des Grabes.

Dieser Text befindet sich rechtsseitig auf dem Testament. Auf der linken Seite heißt es:

E. 10% D. 10% CA. 10% B. H. G. 5% M. 5% C. 10% J. 5% und die Wohnung geht HI.

Die Beklagte zu 6) wurde zur Testamentsvollstreckerin ernannt. Sie erstellte ein Nachlassverzeichnis und holte Angebote für die Kosten einer zwanzigjährigen Grabpflege ein. Nach einem Angebot belaufen sich die Kosten auf 11.682,83 €, nach einem weiteren auf 7.329,57 €. Der Aktivnachlass betrug nach dem Vorbringen des Klägers in der Revisionsinstanz 16.102,74 €. Nachlassverbindlichkeiten bestanden ohne die Grabpflegekosten in Höhe von 6.337,55 €. Der Kläger forderte die Beklagte zu 6) zur Zahlung von 3.559,77 € auf, was diese ablehnte und dem Kläger lediglich 809,44 € überwies.

Der Kläger hat sich erstinstanzlich darauf berufen, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 3.559,77 € zu, woraus sich abzüglich der gezahlten 809,44 € ein Betrag in Höhe von 2.750,33 € ergebe. Er hat die Auffassung vertreten, die Grabpflegekosten seien bei dem Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage erweitert und zuletzt in der Hauptsache einen Betrag von 6.335,56 € geltend gemacht. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren teilweise weiter.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZErb 2020, 369 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch aus § 2305 BGB gegen die Beklagten zu. Zwar finde § 2305 BGB auf den Kläger Anwendung. Der Anspruch des Klägers sei aber durch die vorgerichtliche Zahlung vollumfänglich erfüllt. Die Kosten für die Grabpflege seien als Nachlassverbindlichkeit anzusehen.

II. Problem

Dies hielt einer rechtlichen Nachprüfung durch den BGH nicht stand.

Dem Kläger stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1 BGB in Höhe von 3.209,04 € zu.

Ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts sollten die von der Erblasserin in ihrem Testament eingesetzten Personen ihre alleinigen Erben sein, auch wenn sich deren Erbeinsetzung rechnerisch zusammen nur auf eine Quote von 55% bezog. Ausgehend hiervon ergebe sich für den Kläger, der im Testament mit 5% des Erbes bedacht wurde, eine Erbquote von 9,09% und damit ein Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1 BGB von 40,91%.

Zu Unrecht habe das Berufungsgericht jedoch angenommen, der Anspruch des Klägers auf den Zusatzpflichtteil sei durch die außergerichtliche Zahlung der Beklagten zu 6) in Höhe von 809,44 € erfüllt worden.

Die Kosten für die Grabpflege seien im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zwar trage gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst würden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte finde. Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals würden nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung zählen, sondern entsprängen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1973 - III ZR 148/71, BGHZ 61, 238, 239; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968 Rn. 4; a.A. LG Heidelberg ZEV 2011, 583; AG Neuruppin ZEV 2007, 597; Damrau, ZEV 2004, 456).

Auch die Möglichkeit, erbschaftsteuerlich Grabpflegekosten abzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG), vermöge an dieser fehlenden rechtlichen Verpflichtung des Erben zur Grabpflege nichts zu ändern, da die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen nichts über die zivilrechtliche Verpflichtung des Erben zur Kostentragung besage (OLG Köln ZEV 2015, 355 Rn. 4; OLG Schleswig ZEV 2010, 196; MüKo-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; anders LG Heidelberg, AG Neuruppin, je aaO). Diese steuerrechtliche Regelung habe dem Gesetzgeber auch keine Veranlassung zu einer Änderung des § 1968 BGB gegeben.

Ferner sei eine möglicherweise bestehende öffentlich-rechtliche Pflicht von Erben oder Angehörigen zur Grabpflege unabhängig von der rein zivilrechtlichen Frage des Bestehens einer Nachlassverbindlichkeit zu beurteilen (OLG Köln ZEV 2015, 355 Rn. 4; MüKo-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Märker, MDR 1992, 217; a.A. LG Heidelberg aaO).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermöge auch die Anordnung im Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung sowie zwanzig Jahre Grabpflege zu verwenden, keine dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten würden gemäß § 1967 Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2014 - XII ZB 133/12, FamRZ 2014, 1775 Rn. 14).

Eine Nachlassverbindlichkeit könne zwar durch eine Erwähnung der Grabpflege in der letztwilligen Verfügung begründet werden, wenn bereits der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hatte, der sodann die Erben als dessen Rechtsnachfolger gemäß § 1922 BGB bindet (vgl. OLG Schleswig ZEV 2010, 196; LG München I NJW-RR 1989, 197; Staudinger/Herzog, BGB (2015) § 2311 Rn. 55; MüKo-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Märker, MDR 1992, 217). Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor, da die Erblasserin zu ihren Lebzeiten keinen derartigen Vertrag geschlossen hatte.

Zu Unrecht nehme das Berufungsgericht demgegenüber an, die testamentarische Anordnung, dass der Rest des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, begründe bereits eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld, die im Rahmen der Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB zu berücksichtigen sei. Die Bestimmung eines Erblassers in einer letztwilligen Verfügung hinsichtlich Art und Umfang der nach seinem Tod durchzuführenden Grabpflege sei als Auflage gemäß §§ 1940, 2192 BGB (vgl. BayObLG ZEV 2003, 241) oder - je nach Ausgestaltung - als Zweckvermächtnis gemäß §§ 1939, 2156 BGB anzusehen. Eine Auflage sei eine Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder einem Vermächtnisnehmer eine Verpflichtung auferlegt werde, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht auf die Leistung erhalte (vgl. MüKo-BGB/Leipold, 8. Aufl. § 1940 Rn. 2). Hier liege eine derartige Auflage vor, da die Erblasserin den Erben insgesamt aufgegeben habe, dass nach dem Verkauf ihrer Sachen sowie Auszahlung der prozentual vorgesehenen Beträge an die Erben der Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben ist. Im Verhältnis der Erben untereinander sowie zu außenstehenden Dritten stelle eine Auflage, wie sich auch aus § 1967 Abs. 2 BGB ergebe, eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld dar (vgl. Staudinger/ Kunz, BGB (2020) § 1968 Rn. 15; MüKo-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968 Rn. 4).

Demgegenüber führe eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs. Nach einhelliger Auffassung sei der Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen vorrangig (BGH NJW 1988, 136; BGH FamRZ 2014, 1775 Rn. 20; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1991 Rn. 5; MüKo-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2311 Rn. 22; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht 3. Aufl. § 2311 Rn. 37). Dieser Vorrang ergebe sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 1991 Abs. 4 BGB. Hiernach seien Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen durch den Erben so zu berichtigen, wie sie im Falle des Insolvenzverfahrens zur Berichtigung kommen würden. Nach § 327 Abs. 1 InsO werden Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten vor Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen erfüllt. Dem Erblasser solle es verwehrt sein, den Pflichtteilsanspruch durch freigiebige Vermächtnisanordnungen oder Auflagen zu schmälern oder sogar auszuhöhlen.

Dieser Vorrang des Pflichtteilsanspruchs gelte auch dann, wenn der Erblasser - wie hier - Grabpflege in Form einer Auflage angeordnet hat. Auch in einem solchen Fall könnten die Grabpflegekosten bei der Berechnung des Nachlasswertes für den Pflichtteilsanspruch nicht in Abzug gebracht werden (so zu Recht OLG Düsseldorf ZErb 2018, 104; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968 Rn. 4; Schuhmacher, ZErb 2020, 373; Ruby/Schindler, ZEV 2010, 545, 546; anders in einem obiter dictum OLG Schleswig ZEV 2010, 196; hierzu Maibach, jurisPR-FamR 5/2010 Anm. 4; Hartmann, ErbStB 2010, 333). Der Unterschied zu einem noch vom Erblasser geschlossenen Grabpflegevertrag liege darin, dass es sich in diesem Fall noch um eine vom Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erblasserschuld gemäß § 1967 Abs. 1 BGB handele, die bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs wertmindernd zu berücksichtigen sei.

III. Fazit

Die Kosten für die Grabpflege des Erblassers führen zwischen den Erben immer wieder zu Streit, insbesondere wenn der Erblasser einzelne gesetzliche Erben enterbt hat.

Der BGH stell in seiner Entscheidung klar, dass die Kosten für die Grabpflege bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen sind. Auch Anordnungen des Erblassers Nachlassvermögen für die Grabpflege zu verwenden, vermag danach keine Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Es handelt sich hierbei vielmehr oftmals um eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit, die nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs führt.

Bei der Testamentsgestaltung könnte jedoch in Erwägung gezogen werden, schon zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag abzuschließen, der sodann die Erben gemäß § 1922 BGB bindet.


Rezension des Urteils des BGH  v. 26.05.2021 - IV ZR 174/20 - LG Mannheim; „Nachlassverbindlichkeiten / Grabpflegekosten / Pflichtteil", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 10  Oktober 2021, S.560 f


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