Nacherbenvermerk; Löschung; Verzicht auf Eintragung; Vorerbschaft

Leitsatz:

Die Bewilligung der Löschung und der Verzicht auf die Eintragung des Nacherbenvermerks sind zulässig und als Verzicht des Nacherben auf den Schutz des Nacherbenvermerks zu verstehen, lassen aber die Zugehörigkeit des Nachlassgegenstandes zur Vorerbschaft unberührt (Anschluss an OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 228). (amtlicher Leitsatz)

OLG München, Beschluss vom 03.02.2017 - 34 Wx 470/16

GBO § 52, § 75
BGB § 2111, § 2113

I. Einführung

Der Beteiligte und seine zwischenzeitlich verstorbene Mutter M sind im Grundbuch als je hälftige Miteigentümer von Grundbesitz eingetragen.

M hatte aufgrund Auseinandersetzung der gestuften Erbengemeinschaft nach (unter anderem) der Großmutter des Beteiligten, F, Alleineigentum am Grundstück erhalten. Der bezüglich des Erbanteils von M eingetragene Nacherbenvermerk, der den Beteiligten als Nacherben und als Eintritt der Nacherbfolge den Tod der Vorerbin bezeichnete, war beim Vollzug der Auseinandersetzung im Grundbuch eingetragen geblieben. Mit notariellem Vertrag hatte M im Jahre 2006 einen halben Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf den Beteiligten übertragen. Dieser hatte gleichzeitig die Löschung des Nacherbfolgevermerks bewilligt.

Im September 2016 hat der Beteiligte unter Vorlage eines Teilerbscheins, der den Eintritt des Nacherbfalls und den Beteiligten hinsichtlich des Anteils der Vorerbin am Nachlass als Erben nach F bezeugt, seine Eintragung im Grundbuch beantragt (wörtlich: „die Hälfte des Nachlasses in das Grundbuch einzutragen“).

Mit fristsetzender Zwischenverfügung hat das Amtsgericht als Hindernis der Eintragung benannt, dass der Beteiligte nur als Erbe nach seiner Mutter eingetragen werden könne, da der noch eingetragene hälftige Anteil der Mutter in Folge der Löschung des Nacherbenvermerks nicht mehr der Nacherbfolge unterliege.

Dagegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde. Das Amtsgericht hat dieser nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II. Problem

Nach der Entscheidung des OLG München wurde die Abhilfeentscheidung sowie die Vorlageverfügung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückgegeben.

Werde eine Entscheidung des Amtsgerichts - Grundbuchamts - angefochten, so habe dieses über die Abhilfe zu entscheiden (§ 75 GBO). Die Vorschrift sei nicht dahingehend zu verstehen, dass nur dann, wenn das Amtsgericht die Beschwerde für begründet erachtet, förmlich, d. h. durch zu begründenden Beschluss (vgl. Demharter GBO § 75 Rn. 11) zu entscheiden ist. Vielmehr sei auch die Nichtabhilfe eine Sachentscheidung und als solche regelmäßig in Beschlussform zu treffen, zu begründen und den Beteiligten bekannt zu geben (vgl. OLG München RNotZ 2010, 397; OLG München FGPrax 2008, 13). Die Anforderungen an Begründungsumfang und -dichte würden naturgemäß vom Einzelfall abhängen. Ein Aktenvermerk mit einer zeitgleichen Vorlageverfügung reiche dann nicht aus, wenn das Beschwerdevorbringen neuen Vortrag enthält (vgl. Hügel/Kramer GBO § 75 Rn. 20). Der Nichtabhilfebeschluss müsse erkennen lassen, dass das Grundbuchamt das wesentliche Beschwerdevorbringen beachtet hat und seiner Pflicht zur Prüfung und Selbstkontrolle im Abhilfeverfahren nachgekommen ist (vgl. OLG München a. a. O.; vgl. auch OLG Brandenburg FGPrax 2000, 45; Budde in Bauer/von Oefele GBO § 75 Rn. 1 und 6; Keidel/Sternal FamFG § 68 Rn. 12 ff.; Gottwald in Bassenge/Roth FamFG § 68 Rn. 4, 7).

Diesen Anforderungen werde die Verfahrensweise des Amtsgerichts ersichtlich nicht gerecht. Schon der Ausgangsbeschluss lasse eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen Problemen des Falles vermissen. Vielmehr werde ohne Weiteres davon ausgegangen, dass der Miteigentumsanteil der M  nicht mehr der Nacherbfolge unterliege. Auf das Beschwerdevorbringen gehe die Nichtabhilfeentscheidung überhaupt nicht ein. Dies hätte sich aber aufgedrängt, weil dort mit erbrechtlichen Vorschriften argumentiert und Rechtsprechung und Kommentarliteratur zitiert wird.

Weise das Abhilfeverfahren schwere Mängel auf, so könne das Beschwerdegericht, unter Aufhebung der getroffenen Nichtabhilfe- und Vorlageverfügung, die Sache an das Erstgericht zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens zurückgeben (vgl. OLG München a. a. O.; Meikel/Schmidt-Räntsch § 75 Rn. 15; Hügel/Kramer § 75 Rn. 20; Budde in Bauer/von Oefele § 75 Rn. 6). Das Amtsgericht - Grundbuchamt - werde zunächst in eigener Zuständigkeit zu prüfen haben, ob es die Beschwerde des Beteiligten für begründet erachtet und ihr abhilft.

In der Sache wies der Senat ergänzend darauf hin, dass der Verzicht auf die Eintragung des Nacherbenvermerks, ggf. unter Mitwirkung der Ersatznacherben, von der wohl herrschenden Ansicht für zulässig erachtet wird (KGJ 52, 166/169; RG 151, 395/397; OLG Hamm FGPrax 2015, 13/14; Demharter § 51 Rn. 26; Meikel/Böhringer § 51 Rn. 87; KEHE/Munzig GBO § 51 Rn. 37; Schaub in Bauer/von Oefele § 51 Rn. 83; Schöner/Stöber Grundbuchrecht Rn. 3505). Nach einer Mindermeinung führe die Nichteintragung des Vermerks zur Grundbuchunrichtigkeit (vgl. Hügel/Zeiser § 51 Rn. 116, 127; ebenso Bestelmeyer Rpfleger 1994, 189 und 2015, 177). Der Senat folgte der herrschenden Meinung. Soweit die Mindermeinung damit begründet werde, auch der Testamentsvollstreckervermerk könne nicht allein aufgrund einer Bewilligung des Testamentsvollstreckers gelöscht werden, werde übersehen, dass der Vermerk nach § 52 GBO nicht den Testamentsvollstrecker zu schützen bestimmt ist. Zwar seien gegen die Beschränkungen des § 2113 BGB verstoßende Verfügungen des Vorerben bei Eintritt des Nacherbfalles absolut unwirksam, und es könne sich jedermann auf diese Unwirksamkeit berufen. Allerdings gelte dies erst mit Eintritt des Nacherbfalls (vgl. Palandt/Weidlich § 2113 Rn. 8). Bis zu diesem Zeitpunkt schütze der Nacherbenvermerk den Nacherben selbst, der jedoch - gegebenenfalls zusammen mit Ersatznacherben - Verfügungen des Vorerben zustimmen oder nachtäglich genehmigen und so auf seine Rechtsstellung als Nacherbe verzichten könne (Palandt/Weidlich § 2113 Rn. 6). Die Löschungsbewilligung des Nacherben hinsichtlich des Nacherbenvermerks enthalte zugleich eine solche Zustimmung zu künftigen entgeltlichen Verfügungen des Vorerben (Hügel/Zeiser § 51 Rn. 91; Staudinger/Avenarius BGB § 2100 Rn. 112).

Letztlich komme es auf diesen Meinungsstreit hier nicht an. Auch nach der herrschenden Meinung werde die Löschung aufgrund Bewilligung des Nacherben als Verzicht nur auf den Schutz des Nacherbenvermerks aufgefasst. Sie lasse die Zugehörigkeit des Nachlassgegenstandes zur Vorerbschaft jedoch unberührt (KGJ 52, 166/170; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 228; BayObLG Rpfleger 1989, 412; Demharter § 51 Rn. 38; Schaub in Bauer/von Oefele § 51 Rn. 84).

Über die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Nachlass der M. werde das Grundbuchamt zunächst in eigener Zuständigkeit unter Berücksichtigung des Inhalts der Grundakte und von § 2111 BGB zu entscheiden haben.

III. Fazit

Neben den Anforderungen an eine Abhilfeentscheidung nach § 75 GBO beschäftigt sich die Entscheidung ein einem obiter dictum mit der Bewilligung der Löschung und dem Verzicht auf die Eintragung des Nacherbenvermerks durch den Nacherben.

Das OLG München schließt sich hierbei der überwiegenden Ansicht an, wonach ein solcher Verzicht zulässig ist und zugleich eine Zustimmung zu künftigen entgeltlichen Verfügungen des Vorerben darstellt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage der Zugehörigkeit von einzelnen Nachlassgegenständen zum Vorerbe. Diese wird durch den Verzicht nicht berührt.

 


Rezension des Beschlusses des OLG München v. 03.02.2017 - 34 Wx 470/16 „Nacherbenvermerk / Löschung / Verzicht auf Eintragung / Vorerbschaft", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.5 Mai 2017, S.283 f


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