Insolvenzanfechtung; Anfechtbarkeit der Mitwirkung an der Aufhebung einer vertraglichen Erbeinsetzung

Leitsätze:

Die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und somit unanfechtbar.

BGH, IX ZR 56/12, Urteil vom 20.12.2012

BGB § 2290
InsO §§ 83 Abs. 1 S. 1, 129

I. Einführung

Die Schuldnerin B hatte sich bereit erklärt, die über achtzigjährige Erblasserin F bei sich aufzunehmen und sie zu pflegen. In Anerkennung dieser Pflegeleistung setzte die Erblasserin die Schuldnerin im notariellen Vertrag vom 29. Dezember 2003 zur Erbin und die Tochter der Schuldnerin, die Beklagte, zur Ersatzerbin ein. Am 11. Mai 2005 wurde die Erbeinsetzung durch die Vertragsparteien durch notariellen Vertrag wieder aufgehoben. Die Erblasserin setzte die Schuldnerin hierbei zur alleinigen, nicht befreiten Vorerbin ein, die Beklagte wurde zur Nacherbin und  Ersatzerbin bestimmt.

Am 12. Mai 2006 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 5. März 2009 verstarb die Erblasserin.

Der Kläger hat den zweiten Erbvertrag gegenüber der Beklagten angefochten. Mit der Klage macht er gegenüber der Beklagten die Übertragung ihrer Rechte aus dem zweiten Erbvertrag auf ihn geltend.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Mit der eingelegten Revision will der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung darauf verwiesen, dass § 83 Abs. 1 InsO die Anfechtung des zweiten Erbvertrags ausschließe. Nur dem Schuldner selbst stehe nach Eintritt des Erbfalls die höchstpersönliche Entscheidung zu, ob er den ihm letztwillig zugedachten Vermögenszuwachs annehme oder ausschlage.

Auch ein Erbverzicht sei nicht anfechtbar, denn durch den Verzicht werde kein Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben, sondern nur ein möglicher Zuwachs abgelehnt. Gleiches müsse deswegen für die streitgegenständlichen Erbverträge gelten.

II. Problem

Der Bundesgerichtshof erachtet die Revision als nicht begründet und teilt die Auffassung des Berufungsgerichts im Wesentlichen.

Der Kläger könne weder die im zweiten Erbvertrag vereinbarte Aufhebung der im ersten Erbvertrag erfolgten Erbeinsetzung, noch die Mitwirkung der Schuldnerin am zweiten Erbvertrag, noch die Erbeinsetzung der Beklagten als Nacherbin anfechten.

In dem zweiten Erbvertrag hätten die Vertragsparteien die Erbeinsetzung der Schuldnerin (aus dem ersten Erbvertrag) aufgehoben und die Schuldnerin zur nicht befreiten Vorerbin eingesetzt. Daneben wurde die Beklagte zur Nacherbin der Erblasserin berufen.

Erst durch diese einseitige letztwillige Verfügung (§ 2299 Abs. 1 BGB) habe die Beklagte die Rechtsstellung erlangt, die der Kläger nun gemäß § 143 Abs. 1 InsO für die Masse beanspruche.

Erwachse der Rückgewährsanspruch aus mehreren Handlungen, teilweise auch unter Einschaltung Dritter, so könne eine einzige Rechtshandlung vorliegen, da eine einheitlich angelegte Vermögenszuwendung nicht sinnentstellend in verschiedene Einzelteile zerlegt werden dürfe.

Wegen der vom ersten Erbvertrag ausgehenden Bindungswirkung habe die Beklagte die Rechtsstellung als Nacherbin grundsätzlich nur deshalb erlangen können, weil hierüber zwischen Schuldnerin und Erblasserin Einvernehmen bestand. Sei die Aufhebung des ersten Erbvertrages anfechtungsfest, gelte dies auch für die erst durch die Aufhebung ermöglichte, einseitige letztwillige Verfügung der Erblasserin, da es sich hierbei nur um einen zweiten Schritt eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs (Verlagerung eines Teils der erbrechtlichen Anwartschaft von der Schuldnerin auf die Beklagte) handelt.

Der BGH interpretiert den hier vorliegenden Sachverhalt dementsprechend.

Die Aufhebung der Erbeinsetzung (erster Teilschritt) in dem zweiten Erbvertrag unterfalle nicht der Insolvenzanfechtung, da es sich um eine höchstpersönliche Entscheidung der Schuldnerin gehandelt habe. Der Senat verweist hierzu auf seine Rechtsprechung zur Annahme oder Ausschlagung von Erbschaften und Vermächtnissen sowie zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen, wobei die dort dargestellten Grundsätze auch auf die Aufhebung eines Erbvertrages, in dem eine Erbeinsetzung enthalten war, anzuwenden seien.

Der Senat stellt sodann allgemein die Grundsätze des erbrechtlichen Erwerbs im Insolvenzverfahren dar.

Sei der Schuldner vor oder während des Insolvenzverfahrens Erbe geworden, falle der Nachlass bis zur Annahme oder zur Ausschlagung vorläufig in die Masse (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Abs. 1 InsO). Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft stehe wegen ihres höchstpersönlichen Charakters ausschließlich dem Schuldner zu, § 83 Abs. 1 InsO. Habe der Erbe die Erbschaft einmal angenommen, so könne er sie gemäß § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen. Ab diesem Zeitpunkt sei der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse, aus der die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben zu befriedigen seien (soweit keine Trennung vorgenommen wird). Auch die Ausschlagung einer Erbschaft sei wg. § 83 Abs. 1 InsO der Insolvenzanfechtung entzogen, und dies selbst dann, wenn der Ausschlagende im Einvernehmen mit dem an seine Stelle tretenden Erben bewusst und gezielt zur Benachteiligung der Gläubiger gehandelt habe.

Da aber die Ausschlagung einer bereits angefallenen Erbschaft nicht anfechtbar ist, könne folglich ein Erbverzicht erst recht nicht angefochten werden. Anders als bei einem Verzicht werde hier nur eine bloße Erberwartung angefochten, also ein Weniger. Auch eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO  sei zu verneinen.

Entsprechend sei auch die Position des Vermächtnisnehmers zu beurteilen. Seine Forderung komme normalerweise mit dem Erbfall zur Entstehung und falle somit in die Masse. Der Vermächtnisnehmer könne das Vermächtnis jedoch gem. § 2180 BGB annehmen oder ausschlagen. Auch diese Ausschlagung sei ein höchstpersönliches Recht, § 83 Abs. 1 InsO. Gleiches gelte für einen Verzicht auf das Vermächtnis. Eine Obliegenheitsverletzung sei in beiden Fällen zu vermeiden.

Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten nach § 2303 BGB entstehe ebenfalls mit dem Erbfall. Vor der Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben (oder der Rechtshängigkeit des Anspruchs) sei der Anspruch von den Gläubigern jedoch wg. § 852 Abs. 1 ZPO nur pfändbar und nicht zu diesen überweisbar. Der Anspruch gehöre als pfändbares Vermögen nur vorübergehend zur Insolvenzmasse. Aufgrund der familiären Verbindung zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigem ist die Entscheidung darüber, ob der Anspruch gegenüber dem Erben durchgesetzt werden soll, höchstpersönlich. Die Anfechtungsvorschriften sind hierauf nicht anwendbar. Mithin liege in einem Verzicht auch keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners.

Sodann überträgt der BGH die oben genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall der Aufhebung einer vertraglichen Erbeinsetzung. Auch diese Erklärung sei höchstpersönlicher Natur, wobei dies nicht durch die Anwendung der Anfechtungsregeln unterlaufen werden dürfe.

Die Schuldnerin habe durch ihre Mitwirkung bei der Aufhebung auf ihre unbeschränkte Erbeinsetzung verzichtet und sich zur nicht befreiten Vorerbin (§§ 2112 ff BGB) und ihre Tochter, die Beklagte, zur Nacherbin (§ 2100 BGB) einsetzen lassen.

Sie sei zwar Vorerbin geworden, jedoch sei sie hierdurch in ihrer Verfügungsmacht beschränkt. Insbesondere die Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter erfolge, sei im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Eine Veräußerung durch den Insolvenzverwalter sei nach § 83 Abs. 2 InsO untersagt. Gleiches gelte für eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger mit Mitteln des Nachlasses, die Erfüllung von vom Vorerben eingegangenen Verbindlichkeiten zur Veräußerung bestimmter Nachlassgegenstände sowie das Treffen von den §§ 2113, 2114 BGB widersprechenden Verfügungen. Lediglich die Verwertung von Erbschaftsnutzungen sei möglich.

Folglich sei der Kläger daran gehindert, das in die Masse gefallene, ererbte Grundstück zugunsten der Masse durch Veräußerung zu verwerten.

Der zweite, für die Masse nachteilige, Erbvertrag oder die Mitwirkung der Schuldnerin an diesem könne nicht angefochten werden. Zwar habe die Schuldnerin als Vertragserbin bezogen auf die Erbenstellung eine geschützte Rechtsposition, da eine Entziehung durch die Erblasserin ohne ihr Mitwirken nicht mehr möglich war. (Anders der der gesetzliche und der testamentarische Erbe welche nur eine Aussicht auf ein künftiges Erbe hätten, da der Erblasser jederzeit von Todes wegen über den Nachlass verfügen und jemand anderen zum Erben berufen könne.) Jedoch sei der Verzichtende beim Erbverzicht nach § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB zudem von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, womit er mit dem Pflichtteilsrecht unanfechtbar eine geschützte Rechtsposition aufgebe, die ihm der Erblasser andernfalls nicht ohne Weiteres hätte entziehen können. Ebenso verzichten der gesetzliche und der testamentarische Erbe mit der (gleichfalls unanfechtbaren) Erbausschlagung auf das ihm mit dem Erbfall angefallene Vermögen (§ 1922 Abs. 1 BGB). Der Pflichtteilsberechtigte habe ebenfalls ähnlich wie der Vertragserbe eine geschützte Rechtsstellung. Auch ihm könne sein Pflichtteilsanspruch nicht ohne Weiteres entzogen werden. Dennoch sei anerkannt, dass der Verzicht des Pflichtteilsberechtigten auf die Geltendmachung seines Pflichtteils als höchstpersönliches Recht nicht anfechtbar ist.

Nach dem der BGH die oben dargestellte Parallele aufgezeigt hat, überträgt er diese Grundsätze nun auf den vorliegenden Fall. Die Stellung des Vertragserben, der nach § 2290 Abs. 1 BGB an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung mitwirkt, unterscheide sich nicht wesentlich von dem Erben, der die Erbschaft ausschlage, auf die Erbschaft verzichte, gegebenenfalls mit der Wirkung, dass er seinen Pflichtteilsanspruch verliere, oder von einem Vermächtnisnehmer, der das Vermächtnis ausschlage, und dem Pflichtteilsberechtigten, der seinen Anspruch gegen den Erben nicht geltend mache.

Er sei deswegen nicht anders zu behandeln. Die Mitwirkung an den Aufhebungsvertrag nach § 2290 BGB sei eine höchstpersönliche Entscheidung, ob und inwieweit er Erbe sein will.

III. Fazit

Die Entscheidung des BGH ist in der Schnittstelle zwischen Erb- und Insolvenzrecht angesiedelt. Sie bietet einen umfassenden Überblick über die Rechtsprechung zu den höchstpersönlichen Entscheidungen des Schuldners im Rahmen von Erbschaft, Vermächtnis und Pflichtteilsrecht. Die Entscheidung überträgt die dort entwickelten Grundsätze in überzeugender Weise auf den Fall der Mitwirkung an der Aufhebung einer vertraglichen Erbeinsetzung. Auch diese Mitwirkung stellt eine höchstpersönliche Entscheidung dar und kann somit nicht durch die Insolvenzanfechtung rückgängig gemacht werden.


Rezension des Urteils des BGH v. 20.12.2012 - IX ZR 56/12 - OLG Hamburg zu „Insolvenzanfechtung; Anfechtbarkeit der Mitwirkung an der Aufhebung einer vertraglichen Erbeinsetzung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.4 April 2013, S. 232 ff

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