Grundbuch; Voreintragung des Berechtigten; transmortale Vollmacht

Amtlicher Leitsatz:

Die Voreintragung des Berechtigten ist nicht entsprechend § 40 Abs. 1 GBO entbehrlich, wenn ein Bevollmächtigter aufgrund einer von dem noch als Eigentümer eingetragenen Erblasser erteilten transmortalen Vollmacht nach dem Ableben des Vollmachtgebers eine Finanzierungsgrundschuld an einem Nachlassgrundstück eintragen lassen will (entgegen OLG Celle, Beschluss vom 16. August 2019 - 18 W 33/19; OLG Köln, Beschluss vom 16. März 2018 - I-2 Wx 123/18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Oktober 2018 - 8 W 311/18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.06.2017 - 20 W 179/17; KG Berlin, Beschluss vom 22.10.2020 - 1 W 1357/20).

OLG Bremen (3. Zivilsenat), Beschluss vom 29.11.2021 – 3 W 22/21

GBO §§ 39 Abs. 1, 40 Abs. 1

I. Einführung

Die Antragsteller begehren die Eintragung einer Grundschuld.

Im Grundbuch sind die Antragstellerin zu 1) und ihr im Jahr 2017 verstorbener Ehemann als Miteigentümer zu je zu ½ Anteil eingetragen. Mit notariellen Urkunden aus dem Jahr 2006 hatten die Eheleute ihren Kindern (den Bevollmächtigten), jeweils eine Vorsorgevollmacht in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten eingeräumt. Die Vollmacht, die über den Tod der Vollmachtgeber hinaus wirksam bleiben sollte, umfasste insbesondere auch das Recht der Bevollmächtigten, über Vermögensgegenstände jeder Art zu verfügen.

Mit notariellem Kaufvertrag aus dem Jahr 2021 veräußerten die Bevollmächtigten unter Berufung auf die ihnen erteilten Vollmachten, ausweislich der Urkunde handelnd für die Antragstellerin zu 1) und den verstorbenen Ehemann, den bezeichneten Grundbesitz an die Antragstellerin zu 3) und bewilligten zugleich die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Unter § 8 des Kaufvertrages wurde der Antragstellerin zu 3) zudem das Recht eingeräumt, das Grundstück bereits vor Eigentumsumschreibung mit einem Grundpfandrecht zu belasten und die Verkäufer bei allen hierfür erforderlichen Rechtshandlungen zu vertreten. Mit gesonderter Urkunde bestellte die Antragstellerin zu 3) sodann im eigenen Namen sowie aufgrund der kaufvertraglich gewährten Belastungsvollmacht für die Verkäufer eine Grundschuld in Höhe von 255.000,00 € zugunsten einer Bank.

Der den Kaufvertrag beurkundende Notar beantragte die Eintragung der Grundschuld und einer Auflassungsvormerkung für die Antragstellerin zu 3). Das Amtsgericht teilte mit Zwischenverfügung mit, dass der beantragten Grundbucheintragung Eintragungshindernisse entgegenstünden. Aufgrund des Versterbens des Ehemanns sei zunächst eine Grundbuchberichtigung herbeizuführen. Die Ausnahmeregelung des § 40 GBO greife bei der Eintragung einer Grundschuld nicht, so dass eine Voreintragung nach § 39 GBO erforderlich sei.

Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte zu 1) bis 3) Beschwerde eingelegt und die Ansicht vertreten, dass es einer Voreintragung der Erben des noch als Miteigentümer eingetragenen Erblassers nicht bedürfe.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Hanseatischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Ausnahmevorschrift des § 40 GBO sei eng und nach dem Wortlaut auszulegen.

II. Problem

Das OLG Bremen erachtete die gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts gerichtete Beschwerde als zulässig, aber in der Sache als erfolglos.

Das Amtsgericht - Grundbuchamt - habe die beantragte Eintragung zu Recht wegen der fehlenden Voreintragung (§ 39 Abs. 1 GBO) zurückgewiesen. Bei diesem Voreintragungsgrundsatz müsse es auch für den vorliegenden Fall verbleiben. Die Beschwerde könne sich hier nicht mit Erfolg auf § 40 Abs. 1 GBO berufen.

In Rechtsprechung und Literatur sei die Frage umstritten, ob die Voreintragung der Erben nach §§ 39, 40 GBO auch dann erforderlich ist, wenn - wie hier - ein transmortal Bevollmächtigter über ein Grundstück verfügt und es mit einer Finanzierungsgrundschuld belastet (zum Meinungsstand s. etwa Weber, DNotZ 2018, 884, 895 f.). Das OLG Celle (Beschluss vom 16.08.2019 - 18 W 33/19) habe diese Frage zuletzt unter Verweis auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Frankfurt (Beschluss vom 27.06.2017 - 20 W 179/17), Köln (Beschluss vom 16.03.2018 - I-2 Wx 123/18, 2 Wx 123/18) und Stuttgart (Beschluss vom 17.10.2018 - 8 W 311/18) mit der Erwägung verneint, dass das Handeln des transmortal Bevollmächtigten rechtskonstruktiv mit dem Handeln eines Nachlasspflegers vergleichbar sei. Für diesen gelte aber ausdrücklich die Ausnahme vom Voreintragungsgrundsatz nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 Fall 2 GBO. Hinzu komme, dass § 40 GBO den Erben die Kosten einer unnötigen Eintragung ersparen wolle, wenn diese durch Übertragung des ererbten Rechts ohnehin alsbald wieder aus dem Grundbuch ausscheiden würden. Auch dies spreche hier aber für eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift, zumal eine Differenzierung zwischen der Eintragung der Auflassungsvormerkung, bei der nach allgemeiner Meinung keine Voreintragung der Erben erforderlich sein solle, und der Eintragung von Finanzierungsbelastungen auch der Sache nach nicht gerechtfertigt erscheine. In beiden Konstellationen stehe von vornherein fest, dass eine Eintragung des Käufers im Grundbuch innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit nachfolgen werde (zum Ganzen OLG Celle, a.a.O., Rn. 20).

Das OLG Bremen schloss sich diesen Ausführungen nicht an und hielt an dem Voreintragungserfordernis auch in Fallkonstellationen wie dem vorliegenden fest. Hierfür spricht aus Sicht des OLG Bremen was folgt:

  • 40 Abs. 1 GBO sei nach seinem Wortlaut im Falle der Belastung eines Grundstücks mit einem Grundpfandrecht durch einen transmortal Bevollmächtigten - insoweit unstreitig - nicht unmittelbar einschlägig. Denn zum einen handele es sich bei der Bestellung einer Grundschuld nicht um die Übertragung eines Rechts. Zum anderen erfolge der Eintragungsantrag in diesem Fall weder durch die Bewilligung eines Nachlasspflegers noch des Erblassers selbst, da letztere grundsätzlich eine noch lebzeitig durch den Erblasser abgegebene Erklärung erfordert. Die transmortale Vollmacht führe nach dem Tod des Vollmachtgebers jedoch zu einer Vertretererklärung für den an die Stelle des Verstorbenen getretenen Erben; sie sei rechtlich nicht als Erklärung des Erblassers anzusehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 11. März 2019 - I-2 Wx 82/19 -, Rn. 13).

Auch eine entsprechende Anwendung des - als Ausnahmevorschrift ohnehin eng auszulegenden (OLG München, Beschluss vom 27. April 2006 - 32 Wx 67/06 -, Rn. 17) - § 40 Abs. 1 GBO auf Fallkonstellationen wie die vorliegende scheide nach Ansicht des Senates aus (entgegen OLG Celle, Beschluss vom 16. August 2019 - 18 W 33/19; OLG Köln, Beschluss vom 16. März 2018 - I-2 Wx 123/18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Oktober 2018 - 8 W 311/18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.06.2017 - 20 W 179/17; KG Berlin, Beschluss vom 22.10.2020 - 1 W 1357/20).

Zweifelhaft sei insoweit bereits, ob überhaupt von dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden kann. Denn die grundsätzliche Problemlage sei spätestens seit einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 28. Juni 1916 (Az. V.B. 1/16 -, RGZ 88, 345, 348) - und mithin seit über 105 Jahren - bekannt, ohne dass der Gesetzgeber dies zum Anlass genommen hätte, die bezeichnete Norm zu revidieren (zum Ganzen auch Kramer, FGPrax 2019, 13, 14; für das Gebiet der neuen Länder war die entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO für die Eintragung von Belastungen in der Übergangsvorschrift des § 11 Abs. 2 GBBerG hingegen ausdrücklich vorgesehen).

Selbst wenn man hier das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke bejahen wolle, so fehlt es - aus Sicht des OLG Bremen - doch jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage.

Dies gelte zum einen insoweit, als die Bestellung einer Finanzierungsgrundschuld - und mithin die dauerhafte Belastung eines Grundstücks mit einem Fremdrecht - nicht mit der Übertragung eines Rechtes gleichgesetzt werden kann. Etwas anderes folge auch nicht aus den Erwägungen, die der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Bewilligung und Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu §§ 39, 40 GBO angestellt hat (BGH, Beschluss vom 05. Juli 2018 - V ZB 10/18). Anders als die Auflassungsvormerkung sei das Grundpfandrecht nicht akzessorisch und in seinem rechtlichen Bestand unabhängig vom Übertragungsanspruch des Erwerbers. Eine Grundschuld würde daher - auch im Falle des Scheiterns der beabsichtigten Grundstücksübertragung - im Grundbuch eingetragen bleiben, ohne dass die Berechtigung des Bewilligenden aus dem Grundbuch ersichtlich wäre. Insoweit unterscheide sich die Finanzierungsvollmacht jedoch von der Eigentumsvormerkung, die bei Scheitern der Übertragung als unrichtig zu löschen wäre. Dass die Finanzierungsgrundschuld wirtschaftlich der Übertragung eines Grundstücks dient und sie im sachlichen Zusammenhang mit dieser im Grundbuch eingetragen wird, rechtfertige insoweit - auch unter Wertungsgesichtspunkten - keine rechtliche Gleichstellung mit dieser und mithin auch keine analoge Anwendung der Norm (so bereits OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. März 2021 - 12 W 38/21 -, Rn. 12; Weber, DNotZ 2018, 884, 897; Dressler-Berlin, FGPrax 2021, 153, 155; ders., FGPrax 2020, 10, 13; Kramer, FGPrax 2019, 13, 15; zustimmend in diesem Punkt auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Oktober 2018 - 8 W 311/18 -, Rn. 14; KG Berlin, Beschluss vom 22.10.2020 - 1 W 1357/20 -, Rn. 8).

Das Handeln eines transmortal Bevollmächtigten sei des Weiteren auch nicht mit dem eines Nachlasspflegers rechtskonstruktiv vergleichbar (so allerdings OLG Celle, Beschluss vom 16. August 2019 - 18 W 33/19 -, Rn. 20; OLG Köln, Beschluss vom 16. März 2018 - I-2 Wx 123/18 -, Rn. 27; KG Berlin, Beschluss vom 22.10.2020 - 1 W 1357/20 -, Rn. 9; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Oktober 2018 - 8 W 311/18 -, Rn. 14, OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.06.2017 - 20 W 179/17 -, Rn. 21; wie hier u.a.: Dressler-Berlin, FGPrax 2020, 10, 13; Weber, DNotZ 2018, 884, 896 f.; Kramer, FGPrax 2019, 13, 14). Der Grund dafür, dass § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO für Grundbucherklärungen von Nachlasspflegern eine Befreiung vom Voreintragungsgrundsatz anordnet, sei der Umstand, dass die Erben noch nicht feststehen (vgl. §§ 1960 f. BGB). Die Eintragung unbekannter Erben sei grundsätzlich jedoch nicht zulässig und komme nur in engen Ausnahmefällen in Betracht. Hierüber helfe § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO hinweg. Eine transmortale Vollmacht gelte hingegen auch und gerade im Verhältnis zu den bekannten Erben. Hinzu komme, dass es die Aufgabe des Nachlasspflegers sei, den Nachlass für den wirklichen Erben als treuhänderische Amtsperson zu sichern und zu erhalten. Auch insoweit sei die Ausgangslage aber eine gänzlich andere als bei einem transmortal Bevollmächtigten, den eine entsprechende Fürsorgepflicht gegenüber den Erben nicht treffe, und der daher auch eigene, den Interessen der Erben durchaus auch zuwiderlaufende Interessen verfolgen könne.

Das OLG Bremen wies abschließend darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang nicht das praktische Bedürfnis, die ggfs. kostenpflichtige und zeitaufwändige Grundbuchberichtigung in Fällen wie diesem zu vermeiden, übersieht (zu möglichen Alternativgestaltungen s. etwa Weber, DNotZ 2018, 884, 898; kritisch aber Milzer, DNotZ 2009, 325 ff.). Der - durchaus nachvollziehbare - Wunsch nach Kosten- und Zeitersparnis könne jedoch nicht über die Aufgabe des Grundbuchs gestellt werden, die eintretenden dinglichen Rechtsänderungen unter Geltung des Voreintragungsgrundsatzes möglichst lückenlos und Schritt für Schritt für den Rechtsverkehr zu dokumentieren. Soweit hier Änderungsbedarf bestehen möge, sei es die Aufgabe des Gesetzgebers, tätig zu werden.

III. Fazit

Das Erfordernis der Voreintragung des Berechtigten bzw. deren Entbehrlichkeit bei Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld, wenn eine von dem (noch als Eigentümer eingetragenen) Erblasser erteilte transmortale Vollmacht vorliegt, zählt zu einer der in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantworteten und kontrovers diskutierten Fragen.

Die Entscheidung des OLG Bremen mag dogmatisch nachvollziehbar sein, für die Praxis bedeutet sie jedoch eine weitere Steigerung der Rechtsunsicherheit, wenn sich das OLG Bremen vorliegend mit seiner Entscheidung gegen die Oberlandesgerichte in Celle, Stuttgart und Frankfurt sowie das Kammergericht Berlin positioniert.


Rezension des Beschlusses des OLG Bremen  v. 29.11.2021 - 3 W 22/21; „Grundbuch / Voreintragung des Berechtigten / Transmortale Vollmacht", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 3 März 2022, S.161 ff


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