Feststellungsinteresse; Bestehen oder Nichtbestehen eines Erbrechts

Leitsatz:

Das notwendige Feststellungsinteresse für eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Erbrechts liegt nur dann vor, wenn sich der Beklagte selbst ernsthaft einer Stellung als Erbprätendent berühmt und objektiv der Beklagte (Mit-) Erbe sein kann.

OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 09.10.2017 - 16 U 82/17

ZPO §§ 27 Abs. 1, 256 Abs. 1, 522 Abs. 2
FamFG § 345 Abs. 1

I. Einführung

Die Parteien streiten um die Erbfolge nach dem im Jahre 2014 verstorbenen Erblasser B.

Der Kläger ist der Bruder des Erblassers. Der Beklagte zu 1) ist der Ehemann der bereits 2009 verstorbenen Schwester des Erblassers. Der Beklagte zu 2) ist der gemeinsame Sohn des Beklagten zu 1) und der vorverstorbenen Schwester des Erblassers. Im November 2014 erschien der Kläger beim Nachlassgericht und übergab ein handschriftliches Testament. Mit nichtdatiertem Schreiben bat der Beklagte zu 1) im Namen seiner beiden Kinder um Einsicht in das Testament. Auf einen Erbscheinsantrag des Klägers hin forderte das Nachlassgericht unter anderem beide Beklagten zur Stellungnahme auf. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragte den Antrag zurückzuweisen. Dabei stellte er die Echtheit des Testaments in Abrede. Das Nachlassgericht wies darauf hin, dass lediglich die bereits volljährigen Kinder als gesetzliche Erben „unmittelbar Beteiligte“ an dem Nachlassverfahren seien, da der Beklagte zu 1) nicht antragsberechtigt sein dürfte. In einem Schreiben an den Beklagten zu 1) persönlich, entschuldigte sich das Nachlassgericht für das versehentlich an ihn übersandte Anhörungsschreiben. Für den Beklagten zu 1) teilte sein Prozessbevollmächtigter „im Hinblick auf die Antragsberechtigung“ mit, „dass dieser gesetzlicher Erbe der verstorbenen G. geb. F ist“ und fügte zum Nachweis einen notariellen Erbvertrag zwischen ihm und seiner Ehefrau bei. Das Amtsgericht Köln vernahm Zeugen und nahm Schriftproben. Schließlich erteilte es aufgrund des Testaments einen gemeinschaftlichen Erbschein für den Kläger und seinen Sohn sowie für Frau H und Herrn N. Sodann forderte der Kläger den Beklagten zu 1) auf, die Wirksamkeit des Testaments anzuerkennen, was der Beklagte zu 1) zurückwies. Auf entsprechende Aufforderungen reagierte auch der Beklagte zu 2) nicht.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass er aufgrund des wirksam errichteten Testamentes Erbe zu 88,5% neben den weiteren gewillkürten Erben F, H und N geworden ist und keine gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.

Die Beklagten haben das Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage in Abrede gestellt. Hilfsweise haben sie die Wirksamkeit des Testaments bestritten.

Das Landgericht hat über die Wirksamkeit des Testaments Beweis erhoben und der Klage gegen den Beklagten zu 2) stattgegeben. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) hat es als unzulässig verworfen, weil insoweit kein Feststellungsinteresse bestehe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den vom Landgericht abgewiesenen Hilfsantrag gegen den Beklagten zu 1) weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Beklagte zu 1) habe das testamentarische Erbrecht des Klägers von Anfang an ernstlich bestritten und nicht nur für seinen Sohn, den Beklagten zu 2), sondern auch ausdrücklich im eigenen Namen. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

II. Problem

Die Berufung war nach Ansicht des OLG Köln offensichtlich unbegründet. Das angefochtene Urteil entspreche der Sach- und Rechtslage.

Das OLG Köln erteilte jedoch folgende Hinweise:

Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sei gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Bei einer Feststellungsklage liege eine solche Gefährdung in der Regel schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet oder er sich eines eigenen Rechts gegenüber dem Kläger berühmt (BGH ZEV 2010, 468, FamRZ 2010, 1068). Gegenstand einer Feststellungsklage könne hierbei, wie sich auch aus § 27 ZPO ergebe, das Bestehen oder Nichtbestehen eines (Mit-)Erbrechts sein (OLG Brandenburg ZEV 2010, 143, FamRZ 2010, 1610; OLG Koblenz ZEV 2013, 557, NJW-RR 2013, 965).

Nach diesen Grundsätzen habe das Landgericht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen den Beklagten zu 1) zu Recht verneint. In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen habe sich die Klage gegen einen Erbprätendenten gerichtet (BGH ZEV 2010, 468, FamRZ 2010, 1068; OLG Brandenburg ZEV 2010, 143; OLG Koblenz ZEV 2013, 557, NJW-RR 2013, 965). Der Beklagte zu 1) habe sich jedoch zu keiner Zeit einer Stellung als Erbprätendent berühmt. Die Berühmung müsse – solle sie ein Feststellungsinteresse begründen – nicht nur ernsthaft gemeint sein, sondern auch nach objektiver Würdigung eine gegenwärtige Gefahr für den Kläger begründen (MüKoBGB/Becker-Eberhard § 256 Rn. 42 m.w.N.). Daran fehle es vorliegend. Der Beklagte zu 1) scheide als gesetzlicher Erbprätendent objektiv aus, da ihm als Ehegatte der vorverstorbenen Schwester des Klägers kein gesetzliches Erbrecht zustand. Eines gesetzlichen Erbrechts habe er sich auch nicht irrtümlich berühmt. Ebenso habe er sich keines gewillkürten Erbrechts berühmt. Er hat weder geltend gemacht, aus dem streitgegenständlichen Testament ergebe sich eine eigene Miterbenstellung, noch habe er sich auf eine andere Verfügung von Todes wegen berufen, die das testamentarische Erbrecht des Klägers hätte gefährden können. Im Hinblick hierauf habe das Nachlassgericht eine Beteiligung des Beklagten zu 1) am Erbscheinsverfahen verneint (vgl. § 345 Abs. 1 FamFG). Die Schriftsätze des Beklagten zu 1) seien vor dem Hintergrund zu verstehen, dass das Nachlassgericht darauf hingewiesen hatte, lediglich die volljährigen Kinder des Beklagten zu 2) seien „unmittelbar Beteiligte“ des Nachlassverfahrens. Ein ernsthaftes Berühmen einer eigenen Erbenstellung lasse sich den beiden Schreiben nicht entnehmen. Das Bestreiten der Wirksamkeit des Testamentes und der daraus abgeleiteten Miterbenstellung der Klägers sei bei einer objektiven Betrachtung des Verhaltens des Beklagten zu 1) im Erbscheinsverfahren allein im Interesse und Namen des Beklagten zu 2) erfolgt. Soweit er im Rechtsstreit hilfsweise auch im eigenen Namen die Wirksamkeit des Testaments bestritten hat, sei dies ersichtlich die Folge davon, dass die Klage auch gegen ihn gerichtet gewesen war. Da hierfür kein Feststellungsinteresse bestand, könne dies nicht zu Lasten des Beklagten zu 1) gehen.

Der Senat beabsichtigte somit, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit dem besonderen Fall einer Feststellungsklage bzgl. des Bestehens oder Nichtbestehens eines Erbrechts.

Grundsätzlich ist es für das Feststellungsinteresse ausreichend, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Eine solche Gefahr wird in der Regel schon dann bejaht, wenn der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet oder er sich eines eigenen Rechts gegenüber dem Kläger berühmt.

Das OLG Köln führt jedoch für das notwendige Feststellungsinteresse für eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Erbrechts aus, das dieses nur dann vorliegt, wenn sich der Beklagte selbst ernsthaft einer Stellung als Erbprätendent berühmt und objektiv der Beklagte Erbe sein kann.

Aus Anwaltssicht muss dieser, insofern strengere, Maßstab somit bei seinen taktischen Erwägungen berücksichtigt werden.


Rezension des Hinweisbeschlusses des OLG Köln v. 09.10.2017 - 16 U 82/17 „Feststellungsinteresse / Besehen oder Nichtbestehen eines Erbrechts", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.2 Februar 2018, S.110 f


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