Europäisches Nachlasszeugnisses; Ergänzung, Österreich

Leitsatz:

Art. 30 EuErbVO ist eine Ausnahmevorschrift, die gewährleisten soll, dass spezifische, meist historisch gewachsene, nachlassrechtliche Rechtsinstitute unabhängig von Art. 23 Abs. 1 EuErbVO wirksam bleiben. Als Ausnahmevorschrift ist Art. 30 EuErbVO aber eng auszulegen.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.10.2017 - 15 W 1461/17

EuErbVO Art. 30

I. Einführung

Die Beschwerdeführerin ist die Alleinerbin des Erblassers. Sie beantragte die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses und versuchte mit diesem, ein in Österreich belegenes Grundstück betreffend, die Umschreibung im Grundbuch zu erreichen.

Nachdem dies aufgrund des Inhalts des Nachlasszeugnisses nicht erfolgreich war, beantragte sie die Ergänzung des Nachlasszeugnisses.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass das nach den Vorgaben des deutschen Erbrechts ausgestellte Europäische Nachlasszeugnis für eine Umschreibung des Grundbuchs bezüglich der sich im Nachlass befindlichen Immobilie auf die Erbin nach dem Grundbuchrecht in Österreich nicht ausreiche.

Dem liegt der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 02.06.2016, GZ 2 R 114/16 zugrunde, in dem festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für eine Eigentumseinverleibung weiterhin nach österreichischem Recht zu beurteilen seien und daher die genaue Bezeichnung der Liegenschaft (gemeint ist damit offenbar der Anteil, die Einlagezahl und die Katastralgemeinde) im Europäischen Nachlasszeugnis enthalten sein müsse.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass Österreichische Grundbuchsgerichte daher keine Eigentumseinverleibungen mehr vornähmen, wenn Einlagezahl und Katastralgemeinde sowie die Anteilsbezeichnung nicht im Europäischen Nachlasszeugnis enthalten seien.

Das Amtsgericht Fürth hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ergänzung des Europäischen Nachlasszeugnisses zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat vorgelegt.

II. Problem

Die Beschwerde der Beteiligten war nach Ansicht des OLG Nürnberg zulässig (Art. 72 Abs. 1 EuErbVO; §§ 58, 63 FamFG), aber hatte in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht Fürth habe in der angefochtenen Entscheidung zu Recht und mit zutreffender Begründung den Antrag der Alleinerbin auf Ergänzung des Europäischen Nachlasszeugnisses zurückgewiesen.

Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Umstände würden keine andere Bewertung rechtfertigen. Ergänzend wies das OLG Nürnberg auf folgendes hin:

Die Auslegung der §§ 436 iVm 433 ABGB im Hinblick darauf, ob eine Einverleibung nach österreichischem Recht mit Rücksicht auf § 33 Abs. 1 lit. d) GBG idF ErbRÄG 2015 auch bloß aufgrund eines in Deutschland ausgestellten Erbscheins erfolgen kann, der keine in Österreich gelegene Liegenschaft enthält, sei auch in Österreich oberstgerichtlich noch nicht entschieden. Die durch die Entscheidung des Landesgerichts Klagenfurt entstandene Blockade der Eigentumseinverleibung nach österreichischem Recht könne nicht durch eine dem deutschen Recht zuwiderlaufende Auslegung der EuErbVO aufgelöst werden.

Die in einem anderen Mitgliedsstaat geltenden Vorschriften für die Eintragung eines Erben ins Grundbuch seien verfahrensrechtliche Vorschriften, die nicht unter Art. 30 EuErbVO zu subsumieren sind.

Art. 30 EuErbVO sei eine Ausnahmevorschrift, die gewährleisten soll, dass spezifische, meist historisch gewachsene, nachlassrechtliche Rechtsinstitute unabhängig von Art. 23 Abs. 1 EuErbVO wirksam bleiben. Als Ausnahmevorschrift sei Art. 30 EuErbVO aber eng auszulegen, da sonst der Grundsatz der Nachlasseinheit ausgehöhlt würde (Dutta/W./Schmidt, Internationales Erbrecht, 2016, Art. 30 EuErbVO Rn 3). Jedenfalls handele es sich bei den österreichischen Vorschriften zur erleichterten Eintragung von Erben ins Grundbuch nicht um vergleichbare, spezifische nachlassrechtliche Rechtsinstitute, sondern um grundbuchrechtliche Verfahrensvorschriften.

Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. l EuErbVO sei aber die Eintragung von Rechten an unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgeschlossen (OLG München, Beschluss vom 12.09.2017 – 31 Wx 275/17). Auch in den amtlichen Erwägungsgründen zur EuErbVO sei in Nr. 18 vermerkt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden sollten. Andererseits solle das nach dieser Verordnung erstellte Europäische Nachlasszeugnis im Hinblick auf die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines (anderen) Mitgliedsstaates ein gültiges Schriftstück darstellen - jedoch unabhängig von gegebenenfalls erforderlichen, weiteren Nachweisen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 68 lit. l) EuErbVO (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.04.2017, RPfleger 2017, 545; Beschluss vom 05.04.2017, ZEV 2017, 579).

Die Angabe einzelner Nachlassgegenstände, die einem bestimmten Erben zustehen, kommt nach Art. 68 lit l) iVm Art. 63 Abs. 2 lit b) EuErbVO nur in Betracht, wenn die Gegenstände dem Erben mit dinglicher Wirkung („unmittelbar“) zugewiesen sind (Kleinschmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, Art. 69 EuErbVO Rn 9, Art. 68 EuErbVO Rn. 25, Art. 63 Rn. 33; Dutta in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2015 EuErbVO Art. 63 Rn. 16; Simon/Buschbaum NJW 2012, 2393). Eine dinglich wirkende Teilungsanordnung sei dem deutschen Erbrecht aber fremd (Dutta/W./ Schmidt, Internationales Erbrecht, 2016, Art. 68 EuErbVO Rn 12).

Auch die nur unverbindliche, informatorische Aufnahme des Grundstücks in das Nachlasszeugnis sei nicht zulässig. Denn eine solche Information, der nicht die Vermutungswirkung und der Vertrauensschutz der EuErbVO zukommen könnte, liefe dem Bestreben, mit dem Europäischen Nachlasszeugnis ein Instrument mit einem formalisierten Inhalt zu schaffen, das in jedem Mitgliedstaat unproblematisch verwendet werden kann, zuwider.

III. Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht ein weiteres Problem der Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses in der Praxis.

Gerade in Erbfällen mit grenzüberschreitendem Bezug ist die Rechtslage, dass das Europäische Nachlasszeugnis bei Anwendung von deutschem Erbrecht für die Eigentumsumschreibung von in Österreich liegenden Grundstücken nicht ohne weiteres ausreichend ist, äußerst misslich. Der Grund hierfür ist, dass die EuErbVO die nationalen Regelungen und Erfordernisse einer solchen Eintragung unangetastet lässt.

Die angesprochene Entscheidung des Landesgerichts Klagenfurt führte im vorliegenden Fall zu einer Blockade der Eigentumseinverleibung nach österreichischem Recht. Wie das OLG Nürnberg jedoch richtigerweise darstellt, ist diese Problematik durch die österreichische Gesetzgebung oder Rechtsprechung zu lösen. Hingegen kann eine Lösung nicht mittels einer dem deutschen Recht zuwiderlaufenden Auslegung der EuErbVO erfolgen.


Rezension des Beschlusses des OLG Nürnberg v. 27.10.2017 - 15 W 1461/17 FG Münster „Europäisches Nachlasszeugnis/ Ergänzung / Österreich", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.2 Februar 2018, S.111 f


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