Europäisches Nachlasszeugnis, Inhalt; Einzelgegenstände

Leitsatz:

Im Rahmen der nach deutschem Recht eintretenden Universalsukzession des Erben nach § 1922 BGB ist die (auch nur informatorische) Aufnahme einzelner Nachlassgegenstände in ein Europäisches Nachlasszeugnis gem. Art. 21 Abs. 1, 68 lit. l) EuErbVO nicht möglich.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.04.2017 - 15 W 299/17

FamFG § 58, § 63, § 84
GNotKG § 36 Abs. 3
EuErbVO Art. 21 Abs. 1, Art. 63 Abs. 2 lit. b), Art. 68 lit. I), Art. 72 Abs. 1
BGB § 1922

I. Einführung

Der Alleinerbe des Erblassers, der Beteiligte, hat den Antrag gestellt, ein zum Erbe gehörenden in Tschechien belegenes Grundstück als einzelnen Nachlassgegenstand in das von ihm beantragte Europäische Nachlasszeugnis aufzunehmen.

Das Amtsgericht Fürth hat den Antrag des Alleinerben auf Ergänzung des europäischen Nachlasszeugnisses zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat dieser nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Nürnberg vorgelegt.

II. Problem

Die Beschwerde war nach Ansicht des OLG Nürnberg zulässig (Art. 72 Abs. 1 EuErbVO; §§ 58, 63 FamFG), aber hatte in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht Fürth habe zu Recht und mit zutreffender Begründung den Antrag des Alleinerben auf Ergänzung des europäischen Nachlasszeugnisses zurückgewiesen.

Nach deutschem Erbrecht sei die Angabe eines vollständigen Nachlassinventars oder auch nur die konkrete Bezeichnung einzelner, in den Nachlass fallender Vermögensbestandteile gemäß Art. 68 lit. l) EuErbVO ausgeschlossen (Kleinschmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, Art. 69 EuErbVO Rn. 9, Art. 68 EuErbVO Rn. 25).

Nach Art. 68 lit l) i.V.m. § 63 Abs. 2 lit b) EuErbVO komme die Angabe einzelner Nachlassgegenstände, die einem bestimmten Erben zustehen, nur in Betracht, wenn die Gegenstände dem Erben mit dinglicher Wirkung („unmittelbar“) zugewiesen sind, wie dies - anders als in § 2048 BGB - etwa bei einer in manchen Rechtsordnungen bekannten dinglich wirkenden Teilungsanordnung (Kleinschmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, § 63 Rn. 33; Dutta in: Münchener Kommentar zum BGB, EuErbVO § 63 Rn. 16; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393) der Fall ist.

Das vorliegend zur Anwendung kommende deutsche Erbrecht (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) unterliege dem Grundsatz der Universalsukzession (§ 1922 BGB), d.h. nicht einzelne Gegenstände - hier das in Tschechien gelegene Grundstück - werden vererbt, sondern das Vermögen des Erblassers als Ganzes. Dementsprechend lasse das deutsche Erbrecht die Angabe einzelner Nachlassgegenstände nicht zu (Fornasier in: Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2016, EuErbVO Art. 63 Rn. 37).

Die nur unverbindliche informatorische Aufnahme des Grundstücks in das Nachlasszeugnis sei ebenfalls nicht zulässig. Denn eine solche Information, der nicht die Vermutungswirkung und der Vertrauensschutz der EuErbVO zukommen könnte, liefe dem Bestreben, mit dem Europäischen Nachlasszeugnis ein Instrument mit einem formalisierten Inhalt zu schaffen, das in jedem Mitgliedstaat unproblematisch verwendet werden kann, zuwider (vgl. auch den Vorlagebeschluss KG, FGPrax 2017, 33). In den amtlichen Erwägungsgründen zur EuErbVO sei in Nr. 18 daher vorgesehen, dass das nach dieser Verordnung erstellte Europäische Nachlasszeugnis im Hinblick auf die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines anderen Mitgliedsstaates ein gültiges Schriftstück darstellen sollte - unabhängig von gegebenenfalls erforderlichen, weiteren Nachweisen.

III. Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht die möglichen Inhalte eines Europäischen Nachlasszeugnisses, wenn für den Erbfall deutsches Recht zur Anwendung kommt.

Danach ist eine, auch nur informatorische, Aufnahme von einzelnen Erbschaftsgegenständen nicht möglich. Eine von Art. 68 lit l) i.V.m. § 63 Abs. 2 lit b) EuErbVO vorausgesetzte unmittelbare dingliche Zuweisung einzelner Nachlassgegenstände sieht das deutsche Recht gerade nicht vor.

Auch einer nur informatorischen Aufnahme erteilt die Entscheidung eine klare Absage. Der Zweck des Nachlasszeugnisses, eine sichere Informationsquelle zu schaffen, steht der Aufnahme von Inhalten, denen gerade keine Vermutungs- und Vertrauenswirkung zukommt, entgegen.

 


Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Burandt
Rezension des Beschlusses des OLG Nürnberg v. 05.04.2017 - 15 W 299/17 „Europäisches Nachlasszeugnis / Inhalt / Einzelgegenstände", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.10 Oktober 2017, S.580


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