Erbscheinsantrag; Bindungswirkung; quotenloser Erbschein

Leitsätze:

  1. Der Grundsatz der (strengen) Bindung des Nachlassgerichts an den gestellten Erbscheinsantrag führt zur Aufhebung einer Entscheidung, in der das Nachlassgericht die Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins als festgestellt erachtet, der die Erbteile ausweist, der Antrag hingegen auf die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins gerichtet ist. (Rn. 3)
  2. Die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins setzt voraus, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. Da ein Erbschaftsverkauf die Erbenstellung des Veräußerers unberührt lässt, ist auch dessen Verzichtserklärung für die erstrebte Erteilung erforderlich. (Rn. 5 – 6)

OLG München (31. Zivilsenat), Beschluss vom 10.07.2019 - 31 Wx 242/19

FamFG §§ 352a Abs. 2
BGB §§ 2353, 2361, 2371

I. Einführung

Die Beteiligte zu 2) hat im Erbscheinsverfahren die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der die Beteiligten zu 1), 2) und 3) als Miterben ausweist. Der Antrag war auf die Erteilung eines Erbscheins ohne Quoten gerichtet.

Das Nachlassgericht ordnete die Erteilung eines quotalen Erbscheins an, der die Beteiligten als Miterben zu je 1/3 ausweist. Die Beteiligte zu 2) hat hiergegen Beschwerde eingelegt.

II. Problem

Das OLG München erachtete die Beschwerde als zulässig und begründet.

Für dessen im Ergebnis angeordnete Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten als Miterben zu je 1/3 ausweist, sei kein Raum, da die Voraussetzungen hierfür im Sinne des § 2353 BGB i.V.m. § 352 FamFG nicht vorliegen.

Das Nachlassgericht sei bei seiner Entscheidung irrtümlich davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 2) einen Erbschein beantragt hat, der die Quoten der Miterben ausweist. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Die Beteiligte zu 2) habe zwar die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der die Beteiligten zu 1), 2) und 3) als Miterben ausweist, jedoch einen solchen ohne Quoten (sog. quotenloser Erbschein im Sinne des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG). Demgemäß liege für die von dem Nachlassgericht beabsichtigte Erteilung eines (quotalen) Erbscheins im Sinne des § 352a Abs. 2 S. 1 FamFG kein entsprechender Antrag vor. Ein entsprechender Antrag sei auch nicht im Nachgang dazu gestellt worden, womit eine Heilung des Verfahrensfehlers erfolgt wäre. Im Hinblick auf den Grundsatz der strengen Antragsbindung des Nachlassgerichts betreffend die Entscheidung (vgl. dazu Gierl in: Burandt/Rojahn Erbrecht 3. Auflage 2019 § 352e FamFG Rn. 41 und 176), wäre ein auf der Grundlage der Entscheidung des Nachlassgerichts erteilter Erbschein einzuziehen (vgl. Gierl a.a.O. § 2361 BGB Rn. 8).

Für eine Anweisung des Nachlassgerichts durch den Senat, den beantragten (quotenlosen) Erbschein zu erteilen, sei kein Raum. Insofern würden die Voraussetzungen für die von der Beteiligten zu 2) erstrebte Erteilung eines quotenlosen Erbscheins nicht vorliegen.

Nach der Neuregelung in § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG bedürfe es zwar nicht mehr der Aufnahme der Erbquoten von mehreren Erben in dem Erbschein, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile verzichten. Vorliegend habe aber allein die Beteiligte zu 2) den Antrag gestellt, nicht aber die Beteiligten zu 1) und 3). Der Beteiligte zu 1) habe vielmehr der Aufnahme seiner Erbenstellung in den Erbschein ausdrücklich widersprochen. Insofern liege kein allgemeiner Verzicht aller Miterben auf die Aufnahme der Erbteile in dem zu erteilenden Erbschein vor.

Ein solcher Verzicht müsse zwar nicht in der Antragstellung selbst, jedoch von allen in Frage kommenden Miterben ausdrücklich gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden (vgl. Gierl a.a.O. § 352a FamFG Rn. 10; Keidel/Zimmermann FamFG 19. Auflage 2017 § 352a Rn. 14; a.A. MüKoBGB/Grziwotz 7. Auflage 2017 Anh. § 2353 Rn. 56: generelle Unzulässigkeit eines Antrags durch einen Miterben allein). Eine solche Erklärung der Beteiligten zu 1) und 3) liege aber nicht vor. Insofern bedürfe es für die Erteilung des von der Beteiligten zu 2) erstrebten quotenlosen Erbscheins einer Verzichtserklärung der Beteiligten zu 1) und 3) im Sinne des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG gegenüber dem Nachlassgericht.

Der Senat gab das Verfahren dem Nachlassgericht zurück, damit die Beteiligte zu 2) die Gelegenheit erhält, entweder den Antrag betreffend die Erteilung eines quotalen Erbscheins nachzuholen oder die Abgabe der Erklärungen der Beteiligten zu 1) und 3) bezüglich des Verzichts auf Erteilung eines quotalen Erbscheins gegenüber dem Nachlassgericht zu bewirken.

III. Fazit

Seit dem 17.8.2015 sieht § 352a Abs. 2 S. 2 BGB die Möglichkeit der Erteilung eines sog. quotenlosen Erbscheins vor. Die Erteilung des quotenlosen Erbscheins setzt voraus, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten.

Ein dementsprechender Antrag ist stets möglich, nicht nur wenn Schwierigkeiten hinsichtlich der Quotenermittlung bestehen. Eine derartige Möglichkeit besteht jedoch nur im Rahmen des gemeinschaftlichen Erbscheins, nicht hingegen bei einem Antrag auf Teilerbscheine oder gemeinschaftliche Teilerbscheine. Auch das Europäische Nachlasszeugnis sieht eine dementsprechende Möglichkeit nicht vor.

Wird nur ein dementsprechender Antrag gestellt, ist das Gericht aufgrund der strengen Bindung an den gestellten Erbscheinsantrag an der Erteilung eines Erbscheins mit Ausweisung der Quoten gehindert.


Rezension des Beschlusses des OLG München v. 10.07.2019 - 31 Wx 242/19 „Erbscheinsantrag / Bindungswirkung / quotenloser Erbschein", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.11 November 2019, S.680 f


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