Erbschein; Erteilungsverfahren; Stellvertretung

Amtliche Leitsätze:

  1. Im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins kann sich der Antragsteller vertreten lassen. Hierfür ist eine schriftliche Vollmacht ausreichend.
  2. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. 352 Abs. 3 S. 3 FamFG kann bei einem nicht geschäftsfähigen Antragsteller durch einen Vorsorgebevollmächtigten erfolgen (im Anschluss an OLG Celle, Beschluss vom 20.06.2018, 6 W 78/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2018, 25 Wx 68/17).

OLG Bremen (5. Zivilsenat), Beschluss vom 14.09.2021 – 5 W 27/21

FamFG §§ 10 Abs. 2 Nr. 2, 11 S. 1, 352

I. Einführung

Der verstorbene Erblasser hat seine Ehefrau und seine Tochter hinterlassen. Die Ehefrau (die Beteiligte zu 2) leidet ausweislich eines Attestes an einer Parkinson-Demenz und ist nach einer ärztlichen Stellungnahme deswegen nicht mehr geschäftsfähig. Die Ehefrau hatte eine schriftliche Vorsorgevollmacht errichtet, in der sie den Erblasser, ersatzweise ihre Tochter (die Beteiligte zu 1) u.a. dahingehend bevollmächtigt hatte, sie gegenüber Gerichten bei allen denkbaren Anträgen und Verfahrenshandlungen zu vertreten. Nach ihrem weiteren Inhalt sollte die Vollmacht eine rechtliche Betreuung ersetzen. Gestützt auf diese Vollmacht und ein von dem Erblasser gemeinsam mit der Beteiligten zu 2) verfasstes gemeinschaftliches Testament errichtete die Beteiligte zu 1) vor einem Notar in Vollmacht für die Beteiligte zu 2) einen Erbscheinsantrag, ausweislich dessen der Erblasser von der Beteiligten zu 2) als seiner alleinigen Erbin beerbt worden ist. Die hierzu notwendige eidesstattliche Versicherung gab die Beteiligte zu 1) ebenfalls in der Urkunde ab.

Das Nachlassgericht lehnte den Erlass des Erbscheins ab. Zwar sei bei der Antragstellung im Erbscheinsverfahren durchaus eine Stellvertretung zulässig, doch gelte dies nicht für die nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG erforderliche eidesstattliche Versicherung. Wenn der Erbe nicht mehr in der Lage sei, die Eidesstattliche Versicherung abzugeben, könne dies durch den gesetzlichen Vertreter oder einen Vorsorgebevollmächtigten (OLG Celle, Beschluss vom 20.06.2018, 6 W 78/18) geschehen. Ob die Beteiligte zu 2) nicht mehr in der Lage sei, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, sei nicht dargetan; die vorliegende Vorsorgevollmacht sei lediglich in maschinenschriftlicher Form abgefasst und nicht notariell beurkundet oder beglaubigt, so dass die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2) für den Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde nicht geprüft worden sei und auch ihre Urheberschaft zweifelbehaftet sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde. Die Beteiligte zu 2) könne die eidesstattliche Versicherung selbst nicht mehr abgeben, weil sie nicht mehr geschäftsfähig sei. In solchen Fällen lasse die Rechtsprechung die Stellvertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten zu. Die Formbedenken des Nachlassgerichts seien rechtlich nicht tragfähig, weil die Vollmacht gem. § 167 Abs. 2 BGB nicht der Form bedürfe, die das in Stellvertretung abzuschließende Rechtsgeschäft erfordere.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Problem

Das OLG Bremen erachtete die Beschwerde als zulässig und in der Sache erfolgreich. Das Nachlassgericht habe die Erbscheinserteilung nicht mit der bisher gegebenen Begründung verweigern dürfen.

Soweit das Nachlassgericht beanstandet habe, dass die Beteiligte zu 1) nicht dargelegt habe, dass ihre Mutter nicht mehr in der Lage sei, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, hätte es das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf rechtliches Gehör geboten, diesen Mangel schon vor Erlass der Entscheidung zu rügen, denn damit wäre der Beteiligten zu 1) die Möglichkeit eröffnet worden, diesen ohne weiteres behebbaren Mangel zu beseitigen. Auf diesen Punkt beziehe sich aber die Verfügung des Gerichts überhaupt nicht.

Soweit das Nachlassgericht offenbar beanstanden habe wollen, die - in beglaubigter Abschrift - vorgelegte maschinenschriftliche Vorsorgevollmacht des Erblassers sei ungeeignet, vermöge auch das die Entscheidung nicht zu tragen. Nach § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 FamFG könnten sich Beteiligte im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit - wie hier - die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten ist, durch einen volljährigen Familienangehörigen vertreten lassen. Demgemäß sei die 1968 geborene Beteiligte zu 1) postulationsfähig.

Hinsichtlich der von ihr beizubringenden Verfahrensvollmacht verlange § 11 S.1 FamFG die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht. „Schriftlich“ bedeutet indes nicht, wie das Nachlassgericht zu meinen scheint, eigenhändig geschrieben, sondern erfordert (nur) die eigenhändige Unterschrift unter einer z.B. maschinenschriftlich abgefassten Urkunde (vgl. § 126 Abs. 1 BGB). Auch die Vorschriften des Erbscheinsverfahren (§§ 352 ff. FamFG) würden keine strengere Form vorsehen. Abgesehen davon weise die Beschwerde insoweit zutreffend auf § 167 Abs. 2 BGB hin. Den in diesem Zusammenhang  geäußerten Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit der Vollmachtgeberin fehle es ebenfalls an einer tragfähigen Grundlage. Abgesehen davon, dass es schon recht weit hergeholt scheine, aus im Jahre 2020 festgestellten Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2) für das Jahr der Vollmachterteilung (2013) Rückschlüsse zu ziehen, gelte gem. § 2229 BGB der Grundsatz, dass die Geschäftsfähigkeit der Regelfall, deren Fehlen aber die Ausnahme ist.

Mithin verbleibe die - vom Senat bejahte - Frage, ob die zulässige Stellvertretung der Beteiligten zu 2) durch die Beteiligte zu 1) im Verfahren auf Erteilung des Erbscheins auch die Möglichkeit umfasst, die nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG notwendige eidesstattliche Versicherung abzugeben.

Dabei sei im Grundsatz davon auszugehen, dass nach allgemeiner Ansicht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (i.S.v. § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG) nicht durch einen gewillkürten Vertreter erfolgen kann (vgl. Staudinger/Herzog § 2353 Rn. 210; Mayr in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 2353 Rn. 17 m.w.N; Harders in: Bumiller/Harders/Schwamb, § 352 Rn. 23). Anders sei es indes bei der gesetzlichen Vertretung; hier könne der gesetzliche Vertreter die eidesstattliche Versicherung selbst, also nicht für den Vertretenen, erklären (vgl. Gierl in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl., § 352 FamFG Rn. 34 m.w.N.).

In Literatur und Rechtsprechung sei streitig, ob die eidesstattliche Versicherung durch einen Vorsorgebevollmächtigten erklärt werden kann (dafür: OLG Celle, Beschluss vom 20.06.2018, 6 W 78/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2018, 25 Wx 68/17; Harders, a.a.O.; Staudinger/Herzog a.a.O.; Mayr, a.a.O.; Fröhler in: Prütting/Helms, FamFG, § 352 FamFG Rn. 20; Palandt/Weidlich, § 2353 Rn. 30; Litzenburger, ZEV 2004, 450 ff.) oder ob es notwendig ist, zu diesem Zweck einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter des Betroffenen zu bestellen (Schaal in: Bahrenfuss, § 352 Rn. 5; Zimmermann in: Keidel, § 352 Rn. 78; Griwotz in: MüKo-FamFG § 352 Rn. 94). Der Senat schloss sich der erstgenannten Auffassung an. Dafür streite zum einen die vom Gesetzgeber bewusst durch die Neuregelung des § 51 Abs. 1 ZPO gestärkte Stellung des Vorsorgebevollmächtigten mittels des Grundsatzes der Subsidiarität der Betreuung, welcher besagt, dass ein Volljähriger keines Vertreters bedarf, wenn ein wirksam Bevollmächtigter seine Angelegenheiten wahrnehmen kann (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 39/40). Darüber hinaus habe schon Litzenburger (a.a.O.) zutreffend darauf hingewiesen, dass der mit der eidesstattlichen Versicherung verfolgte Zweck der Schaffung einer möglichst wahrheitsgetreuen Tatsachengrundlage für die Entscheidung des Erbscheinsantrags im Regelfall zuverlässiger dadurch erreicht wird, dass ein naher Angehöriger des Antragstellers, der im Regelfall das Vertrauen des Vorsorgevollmachtgebers genießt, die Erklärung abgibt, als wenn dies durch einen vom Betreuungsgericht eingesetzten (möglicherweise Berufs-) Betreuer erfolgt. Schließlich habe zuletzt der BGH in dem ähnlichen Problemfall der von einem Geschäftsunfähigen abzugebenden Vermögensauskunft nebst Erklärung an Eides statt (§ 802 c ZPO) deren Abgabe durch einen Vorsorgebevollmächtigten ausdrücklich zugelassen (BGH NJW 2020, 1143).

Dass die vorliegende Vorsorgevollmacht auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung umfasst, könne angesichts ihrer Formulierung keinem ernsthaften Zweifel unterliegen.

Das OLG Bremen hat das Verfahren in der Folge an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

III. Fazit

In der Praxis wird dem aufgrund Alters oder Krankheit nicht zur Erinnerung fähigen Erben nur äußerst selten die eidesstattliche Versicherung erlassen. Es stellt sich sodann die Frage, ob zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein Betreuer bestellt werden muss, oder ob diese auch von einem ausreichend bevollmächtigten Vorsorgebevollmächtigten abgegeben werden kann.

Die Entscheidung des OLG Bremen reiht sich in die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ein und stärkt hier die Stellung der Vorsorgebevollmächtigten, indem es eine dementsprechende Vertretung zulässt. Gerade im Hinblick darauf, dass die Vorsorgebevollmächtigten typischerweise dem Vollmachtgeber nahestehen und Kenntnis von dessen Lebensumständen haben, ist die Entscheidung auch unter praktischen Gesichtspunkten zu begrüßen.


Rezension des Beschlusses des OLG Bremen  v. 14.09.2021 - 5 W 27/21; „Erbschein / Erteilungsverfahren / Stellvertretung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 3 März 2022, S.163 f


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