Erbschaftssteuer; Steuerbefreiung; Wohneigentum
Leitsatz:
Der Erwerb von Wohnungseigentum von Todes wegen durch ein Kind ist nicht steuerbefreit, wenn das Kind die Wohnung nicht selbst nutzt, sondern unentgeltlich einem Dritten zur Nutzung überlässt. Das gilt auch bei einer unentgeltlichen Überlassung an nahe Angehörige.
BFH, Urt. vom 05.10.2016 – II R 32/15
- 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG
I. Einführung
Die Klägerin ist Alleinerbin ihres verstorbenen Vaters (V), nachdem ihre Mutter (M) als testamentarisch eingesetzte Erbin die Erbschaft ausgeschlagen hat. Zum Nachlass gehört ein Miteigentumsanteil zu 1/2 an einer Eigentumswohnung. V hat zusammen mit M die Wohnung bis zu seinem Tod selbst bewohnt. Nach dem Tod des V wohnt M weiterhin in der Wohnung. Die Klägerin überlässt M ihren hälftigen Miteigentumsanteil unentgeltlich zur Nutzung. Sie selbst übernachtet dort gelegentlich und nutzt einen Raum der Wohnung für die Verwaltung des Nachlasses.
In ihrer Erbschaftsteuererklärung beantragte die Klägerin für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils an der Wohnung die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
Der Beklagte (das Finanzamt) setzte Erbschaftsteuer in Höhe von 54.060 € fest. Die beantragte Steuerbefreiung wurde nicht gewährt. Die unentgeltliche Überlassung des Miteigentumsanteils an M stelle keine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG dar.
Der Einspruch und die Klage vor dem FG waren erfolglos. Das FG führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Wohnung nicht zur Selbstnutzung bestimmt sei.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG geltend. Auch die unentgeltliche Überlassung an einen nahen Angehörigen sei eine Selbstnutzung der Wohnung.
II. Problem
Der BFH erachtete die Revision als unbegründet. Das FG habe zu Recht die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG versagt.
Nach ihrem Wortlaut erfasse die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG eine auf einem bebauten Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 BewG gelegene Wohnung, wenn die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Eine Wohnung sei zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung lasse sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Dies erfordere, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt (vgl. BFH BFHE 250, 203, BStBl II 2016, 223, Rz 15). Hinsichtlich des Begriffs der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken entspreche § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG den Formulierungen in § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG (Zuwendung des Familienheims unter Ehegatten zu Lebzeiten) und § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG (Erwerb von Todes wegen des Familienheims unter Ehegatten). Der Wohnungsbegriff des Familienheims in diesen Vorschriften bestimmt sich nach der tatsächlichen Nutzung (zutreffend R E 13.4 Abs. 7 Satz 6 i.V.m. R E 13.3 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011). Der Erwerber müsse dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses haben (BFH BFHE 242, 153, BStBl II 2013, 1051, Rz 9 ff., zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG i.d.F. bis 31. Dezember 2008; R E 13.4 Abs. 7 Satz 6 i.V.m. R E 13.3 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011). Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken sei auch dann noch gegeben, wenn das Kind, z.B. als Berufspendler, mehrere Wohnsitze hat, das Familienheim aber seinen Lebensmittelpunkt bildet (BTDrucks 16/11107, S. 8 f.). Für eine Bestimmung zur Selbstnutzung reiche eine bloße Widmung zur Selbstnutzung durch den Erwerber nicht aus (BFH BFHE 250, 203, BStBl II 2016, 223, Rz 16).
Die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung an einen Dritten stelle keine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken dar. Dies gelte auch bei einer unentgeltlichen Überlassung an Angehörige i.S. des § 15 AO (vgl. nur Jochum in Götz/Meßbacher-Hönsch, eKomm, § 13 ErbStG Rz 91 i.V.m. 83; a.A. Hartmann in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 13 ErbStG Rz 26.7).
Der Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG rechtfertige nicht die Anwendung der Vorschrift auf die unentgeltliche Überlassung des Erwerbs zur Nutzung an (nahe) Familienangehörige.
Der Gesetzgeber habe bereits in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, dass der Schutz des familiären Lebensraums es gebiete, die Steuerbefreiung davon abhängig zu machen, dass das Kind, als Erwerber, das Familienheim auch tatsächlich selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Als ausdrücklich schädlich habe er zwar in der Gesetzesbegründung lediglich den Verkauf, eine Vermietung oder einen längeren Leerstand aufgeführt (BTDrucks 16/11107, S. 9). Schädlich sei darüber hinaus aber auch eine unentgeltliche Überlassung an Dritte, selbst wenn es sich um Angehörige i.S. des § 15 AO handelt. Denn auch in diesem Fall liege keine unmittelbare tatsächliche Selbstnutzung der Wohnung vor.
Ausdrücklich geregelt habe der Gesetzgeber in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG den Fall der Aufgabe der Selbstnutzung. Die Steuerbefreiung fällt danach weg, wenn der Erwerber eine Wohnung durch die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken als Familienheim bestimmt hat und später das Familienheim innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken nutzt. Die Aufgabe der Selbstnutzung zu Wohnzwecken führe grundsätzlich zum Wegfall der Steuerbefreiung, es sei denn, der Erwerber ist aus zwingenden Gründen am weiteren Bewohnen des Familienheims gehindert. Zwingende Gründe, die einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entgegenstehen, können nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG daher die Steuerbefreiung eines bereits selbst genutzten Familienheims erhalten. Sie würden jedoch nicht dazu führen, dass die Steuerbefreiung ohne jede Selbstnutzung einer Wohnung zu Wohnzwecken zu gewähren ist. Nehme der Erwerber die Selbstnutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken überhaupt nicht auf, sei die von Todes wegen erworbene Wohnung kein Familienheim und damit der Erwerb nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerbefreit (vgl. BFH BFHE 250, 203, BStBl II 2016, 223, Rz 19).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergebe sich eine Ausdehnung der Steuerbefreiung auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 4 EigZulG. So bestimme § 4 Satz 2 EigZulG ausdrücklich, dass eine Wohnung auch dann als zu eigenen Wohnzwecken genutzt anzusehen ist, soweit der Anspruchsberechtigte sie unentgeltlich zu Wohnzwecken an einen Angehörigen i.S. des § 15 AO überlässt. Dadurch unterscheide sich § 4 EigZulG von anderen Normen, die ebenfalls die Selbstnutzung einer Wohnung zur Tatbestandsvoraussetzung haben, und begünstigt z.B. im Unterschied zu § 10e EStG auch die an einen Angehörigen ganz überlassene Wohnung (BTDrucks 13/2235, S. 15). Der Gedanke des § 4 Satz 2 EigZulG sei aber nicht auf § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG übertragbar, der eine solche ausdrückliche Regelung zur Gleichstellung der unentgeltlichen Überlassung der Wohnung an Angehörige mit der Selbstnutzung der Wohnung durch den Erwerber nicht enthält.
Diese Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG stehe auch im Einklang mit der bisherigen BFH-Rechtsprechung (BFHE 224, 151, BStBl II 2009, 480) zur Auslegung von § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG i.d.F. bis zum 31. Dezember 2008. Danach liegt bei einem Familienwohnheim eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken der Ehegatten auch vor, soweit Verwandte der Ehegatten Räumlichkeiten des Hauses im Rahmen eines gemeinsamen Hausstandes mit den Ehegatten bewohnen. Um eine anderweitige, die Steuerbefreiung anteilig ausschließende Nutzung des Gebäudes handelt es sich demgegenüber, soweit Verwandte in dem Haus wohnen, ohne mit den Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand zu führen.
Zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG habe der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich angeführt, dass ein durch die Vorschrift zu schützendes Familiengebrauchsvermögen entweder bei in Hausgemeinschaft mit den Eltern lebenden Kindern anzunehmen ist oder bei Kindern, die unverzüglich nach dem Erwerb das Familienheim selbst zu Wohnzwecken nutzen (BTDrucks 16/11107, S. 9). Die nicht ausdrücklich erwähnte Überlassung des Familienheims bzw. eines Miteigentumsanteils hieran an Angehörige erfülle daher nicht den Tatbestand der Steuerbefreiung.
Die eng am Wortlaut vorgenommene Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG sei auch deshalb geboten, weil schon die bisherige Steuerbefreiung verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege (vgl. BFH, BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899, Rz 150; BFHE 250, 203, BStBl II 2016, 223, Rz 21, m.w.N.). Eine Anwendung dieser Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus wäre jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und sei somit nicht möglich.
Nach diesen Grundsätzen stehe der Klägerin für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils an der Wohnung die geltend gemachte Steuerbefreiung nicht zu. Die gelegentliche Mitbenutzung von Räumlichkeiten in der Wohnung zur Übernachtung oder zur Nachlassverwaltung sei nicht ausreichend. Dadurch begründe die Klägerin weder ihren Lebensmittelpunkt in der Wohnung, noch bildet sie eine Hausgemeinschaft mit ihrer Mutter. Die unentgeltliche Überlassung des hälftigen Miteigentumsanteils an der Wohnung durch die Klägerin an ihre Mutter stehe einer Selbstnutzung nicht gleich.
III. Fazit
Der BFH beschäftigt sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
Zu dem Begriff der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken verdeutlicht die Entscheidung, entgegen vereinzelter Stimmen in der Literatur, dass eine Überlassung (auch eine solche an Angehörige i.S.v. § 15 AO) nicht ausreicht, um den Tatbestand zu erfüllen.
Es verbleibt somit dabei, dass, um die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können, eine Selbstnutzung durch das Kind nötig ist.
Rezension des Urteils des BFH v. 05.10.2016 - II R 32/15 „Erbschaftsteuer / Steuerbefreiung/Wohneigentum", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.4 April 2017, S.223 ff