Erbfall, Stiftung, Körperschaftsteuer, Satzung

Leitsatz:

  1. Die Körperschaftsteuerpflicht einer Stiftung beginnt nicht erst mit ihrer Anerkennung, sondern bereits mit dem Tod des Stifters.
  2. Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ist ausgeschlossen, wenn eine Satzung tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wird.

FG Münster, Urteil vom 13.10.2017 - 13 K 641/14 K

KStG §§ 1 Abs 1 Nr 4, 5 Abs 1 Nr 9
AO §§ 51 Abs 1, 59

I. Einführung

Die Klägerin ist eine Stiftung. Der Stifter, A., hatte 1997 ein eigenhändiges Testament mit folgendem (auszugsweisen) Inhalt verfasst:

"… Sollte mir plötzlich und unerwartet einmal etwas zustoßen, bestimme ich Folgendes: Mein gesamtes Vermögen Geld, Häuser, Grundstücke, Sparvorhaben, Girokonten, Solarien, Geräte, etc. außerhalb bei Kunden kommen einer allgemein nützlichen A.-Stiftung für ältere durch nicht selbst verschuldete Armut bedrückte deutsche Mitbürger zugute. … Es dürfen keine Häuser und anderen Objekte verkauft werden. Die Netto-Einnahmen fließen der Stiftung zu. Das Geld auch aus meinen Geldanlagen … darf nur in die Stiftung fließen und nicht dem Staat Deutschland und auch nicht dem Finanzamt zukommen. Es muss so gewirtschaftet werden, dass keine staatliche Stelle hiervon was bekommt. Die Verwaltung sollte ehrenamtlich erfolgen mit Aufwandsentschädigung für die Verwalter, evtl. Kirche oder andere Personen auf keinen Fall staatlich, denn die haben alle ca. 90 % keine Ahnung. ….".

  1. ist im Jahr 2004 verstorben. Das Amtsgericht bestellte ab 2004 zunächst C. und ab 2005 D. zum Nachlasspfleger.

Die Klägerin wurde 2007 von der Bezirksregierung als rechtsfähig anerkannt. Der Anerkennung der Stiftung lag die eingereichte und unterzeichnete Satzung der Klägerin vom 19.01.2007 zugrunde, die der Nachlasspfleger an die Bezirksregierung übermittelte.

Nach der Satzung bestand der Stiftungsvorstand aus G., H. und D., dem Nachlasspfleger.

Zuvor hatte der Nachlasspfleger bereits am 28.12.2006 unter Beifügung eines nicht unterzeichneten Satzungsentwurfs die "Errichtung der gemeinnützigen Stiftung" bei der Bezirksregierung beantragt. Der auf die Klägerin ausgestellte Erbschein wurde erteilt. Die Beendigung der Nachlasspflegschaft erfolgte im Jahr 2010.

In den Streitjahren 2005 und 2006 wurden mit dem Stiftungsvermögen Vermietungseinnahmen, Zinseinnahmen und andere Einnahmen erzielt.

Der Beklagte erließ Körperschaftsteuer-Bescheide für 2005 und 2006. Die Klägerin legte Einspruch gegen diese Bescheide ein. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat sodann Klage erhoben. Sie beantragt, die Körperschaftsteuer-Bescheide für 2005 und 2006 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer jeweils auf 0,– EUR festgesetzt wird. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

II. Problem

Das FG Münster erachtete die Klage als unbegründet.

Die Körperschaftsteuer-Bescheide für 2005 und 2006 seien rechtmäßig und würden die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen.

Der Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, sie aber nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit ist.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG seien unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sonstige juristische Personen des privaten Rechts, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Darunter falle auch die Klägerin, die im Jahr 2007 von der zuständigen Behörde des Landes NRW, der Bezirksregierung, als rechtsfähige Stiftung anerkannt worden ist.

Die Körperschaftsteuerpflicht der Klägerin nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG beginne bereits mit dem Tod des Stifters, des A., im November 2004. Dies folge aus der zivilrechtlichen Zuordnung des Vermögens durch § 84 BGB, die auch für den Beginn der Körperschaftsteuerpflicht maßgebend sei. Die Vorschrift fingiere das Bestehen der juristischen Person "Stiftung" schon vor dem Tod des Stifters, um der Stiftung im Hinblick auf die Regelung zur Erbfähigkeit zu ermöglichen, Vermögen vom Stifter im Erbgang zu erwerben.

Danach sei die Stiftung hinsichtlich des Vermögensanfalls zivilrechtlich so zu behandeln, als habe sie im Todeszeitpunkt des Stifters bereits existiert. Sie werde kraft der in § 84 BGB geregelten Fiktion rückwirkend zur Vollerbin. Es sei nicht ersichtlich, warum diese Zuordnung des Vermögens für das Steuerrecht nicht gelten soll (vgl. u.a. BFHE 204, 72, BStBl II 2005, 149; FG Hessen vom 16.04.2015 4 K 1685/14; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler § 60 Rz. 18; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 2 Rz. 54 ff.; Wachter, ZEV 2003, 445; andere Auffassung: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Auflage, § 3 Rz. 39).

Infolge der Fiktion des § 84 BGB existiere nämlich vor der Anerkennung der Stiftung von Todes wegen ein "Vorgebilde", das bis zu der Anerkennung der Stiftung kontinuierlich fortbestehe und mit der später anerkannten Stiftung sowohl zivilrechtlich, als auch wirtschaftlich identisch sei. Gerade diese Identität rechtfertige es, die vor der Anerkennung erwirtschafteten steuerlichen Einkünfte bereits der später anerkannten Stiftung und nicht einem Zweckvermögen, das als selbständiges Steuersubjekt der Besteuerung zu unterwerfen wäre, zuzurechnen (vgl. auch Thole, Die Stiftung in Gründung, S. 151; Orth, ZEV 1997, 327; andere Auffassung: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 3 Rz. 39).

Etwas anderes ergebe sich im Streitfall auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin aufgrund der Anfechtung des Testaments erst später als Erbin bestätigt und ihr ein Erbschein ausgestellt worden sei.

Die Klägerin habe die Einkünfte auch zu versteuern, denn sie habe weder 2005 noch 2006 die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG seien von der Körperschaftsteuer u.a. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen befreit, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen.

Im Streitfall sollte die Klägerin mildtätige Zwecke im Sinne des § 53 AO verfolgen. Allein das Bestreben, steuerbegünstigte Zwecke zu verfolgen, reiche jedoch für die Gewährung der Steuervergünstigung nicht aus. Eine Steuervergünstigung sei nach § 51 Abs. 1 Satz 1 AO nur für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu gewähren, in dem auch die Vorschriften der §§ 51 ff. AO im Übrigen erfüllt sind.

Nach § 59 AO werde die Steuervergünstigung gewährt, wenn sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung ergebe, welchen steuerbegünstigten Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck selbstlos (vgl. § 55 AO), ausschließlich (vgl. § 56 AO) und unmittelbar (vgl. § 57 AO) verfolgt wird. Auch die tatsächliche Geschäftsführung müsse diesen Satzungsbestimmungen entsprechen.

Mithin bedürfe es nach dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut für die Gewährung der Steuervergünstigung einer Satzung mit dem u.a. in §§ 59 ff. AO festgelegten Inhalt. Nur die formelle Satzungsmäßigkeit gewährleiste insoweit die (materielle) Kontinuität der Zweckverfolgung und eine einerseits durch die Finanzbehörden nachprüfbare und andererseits für die Organe der Körperschaft notwendige Grundlage für den tatsächlichen Mitteleinsatz (vgl. u.a. FG Hessen vom 16.04.2015 4 K 1685/14).

Diese formelle Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung seien in den Streitjahren 2005 und 2006 nicht erfüllt gewesen. Eine Satzung der Klägerin habe es in den Jahren 2005 und 2006 nicht gegeben. Vielmehr seien die nach §§ 59 ff. AO festzulegenden Elemente erstmals 2007 verbindlich geregelt worden. Frühestens ab dem 19.01.2007 sei die, für die Gewährung der Steuervergünstigung notwendige, Überprüfungsmöglichkeit "anhand der Satzung der Klägerin" gegeben gewesen. Auf welchen Zeitpunkt genau hierfür abzustellen ist, hat das FG offengelassen.

Den strengen formellen Anforderungen an die Gewährung der Steuervergünstigung genügte hingegen der Satzungsentwurf, den der Nachlasspfleger am 28.12.2006 der Bezirksregierung übersandt hatte, sowie gegebenenfalls zuvor erstellte Satzungsentwürfe nicht.

Die §§ 59 ff. AO würden nicht lediglich einen Satzungsentwurf erfordern, sondern nach dem Gesetzeswortlaut eine "endgültige" Satzung. Erst recht könnten daher auch die allgemein gehaltenen Ausführungen des A. in seinem Testament die formellen Anforderungen der §§ 59 ff. AO nicht erfüllen. Denn mit seinen Ausführungen in dem Testament habe er lediglich eine bloße Vorstellung vom Stiftungszweck und dessen Verwirklichung niedergelegt, nicht aber zum Beispiel die Art der Verwirklichung der Satzungszwecke (vgl. § 60 Abs. 1 AO) konkret bestimmt.

Die Revision wurde vom FG Münster wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

III. Fazit

Die Gründung einer Stiftung ist gerade bei größeren Vermögen eine beliebte erbrechtliche Gestaltung. Die Verfolgung mildtätiger Zwecke eröffnet hierbei die Möglichkeit der Befreiung von der Körperschaftsteuer gem. § 51 AO.

Die Entscheidung des FG Münster zeigt jedoch, dass bei der Planung des Erbfalls hier eine detaillierte Beratung und Ausgestaltung notwendig ist.    Die für die Steuerbefreiung notwendige Satzung muss den Anforderungen der §§ 51 ff. AO entsprechen und sollte idealerweise schon im Rahmen der testamentarischen Anordnungen entworfen werden.

Was den Beginn der Körperschaftsteuerpflicht einer auf den Todesfall errichteten Stiftung betrifft, bleibt auf eine baldige höchstgerichtliche Klärung zu hoffen. Vieles spricht hier für die Ansicht des FG Münster, wonach der Fiktion des § 84 BGB auch steuerrechtliche Bedeutung zukommt.


Rezension des Urteils des FG Münster v. 13.10.2017 - 13 K 641/14 „Erbfall / Stiftung / Körperschaftsteuer/ Satzung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.4 April 2018, S.219 f


Wie kann ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht weiterhelfen?

Zurück