Erbauseinandersetzung / Ergänzungsbetreuer / Auflassung von Grundbesitz

Leitsatz:

Zur Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers bei Auflassung von Grundbesitz im Rahmen einer Erbauseinandersetzung, wenn Betreuer und Betreuter Mitglieder der Erbengemeinschaft sind. (amtlicher Leitsatz)

OLG München, Beschluss vom 17.07.2015 - 34 Wx 179/15

BGB §§ 181, 1795 Abs. 2, 1899 Abs. 4, § 1908i Abs. 1, 2033, 2042

I. Einführung

Im Grundbuch sind als Eigentümer zweier Miteigentumsanteile der Beteiligte zu 1) und seine Ehefrau K je zu 1/2 eingetragen. K ist 2006 verstorben und wurde laut Erbschein von dem Beteiligten zu 1) zu 3/4 und von den Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/8 beerbt. Der Beteiligte zu 3) steht unter Betreuung. Gerichtlich bestellter Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge ist der Beteiligte zu 2).

Durch notarielle Urkunde setzten die Beteiligten zu 1) und 2), letzterer auch handelnd für den Beteiligten zu 3), die zwischen ihnen bestehende Bruchteils- und Erbengemeinschaft in der Weise auseinander, dass der Beteiligte zu 1) gegen Zahlung je eines gleich hohen Betrags an die Beteiligten zu 2) und 3) den vorgenannten Besitz zu Alleineigentum erhält. Nach der Erklärung der Vertragsteile besteht der Nachlass nur mehr aus diesen Miteigentumsanteilen. Im Weiteren verzichteten die Mitglieder der Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auf alle ihnen etwa zustehenden Ansprüche, soweit diese nicht in der Urkunde ihre Regelung gefunden haben. Zur Eigentumsumschreibung der beiden gegenständlichen Anteile legte der Notar neben der Auflassungserklärung, der Verwalterzustimmung und der Unbedenklichkeitsbescheinigung die mit Rechtskraftbestätigung versehene betreuungsgerichtliche Genehmigung des Rechtsgeschäfts vor.

Das Grundbuchamt hat bemängelt, dass der Beteiligte zu 2) nicht als Vertreter des Beteiligten zu 3) für diesen wirksam rechtsgeschäftliche Erklärungen habe abgeben können. Dieser sei als Vertreter des Betreuten nämlich ausgeschlossen, weil er selbst Miterbe sei. Die Erben würden untereinander gegenläufige Willenserklärungen tätigen. Ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Rechtsgeschäft für den Beteiligten zu 3) liege nicht vor. Die Genehmigung durch das Betreuungsgericht heile keine materiellen Mängel des genehmigten Rechtsgeschäfts. Für den Beteiligten zu 3) sei ein Ergänzungsbetreuer zu bestellen.

Hiergegen richtet sich die eingelegte Beschwerde. Es handele sich nicht um gegenläufige Willenserklärungen, sondern um parallele Erklärungen, in diesem Fall sei aber § 181 BGB nicht anwendbar. Auf die rechtliche Vorteilhaftigkeit komme es hierbei nicht an. In der gegebenen Konstellation sei auch kein gleichzeitiges Rechtsgeschäft zwischen Vertreter und Vertretenem gegeben. Die vereinbarte Übertragung von Grundbesitz hätte alternativ auch als Erbteilsübertragung, jeweils von Betreuer und Betreutem, auf den Erwerber vorgenommen werden können. Dann hätte es sicher keines Ergänzungsbetreuers bedurft.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Problem

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Nach Ansicht des OLG hat das Grundbuchamt zu Recht die Mitwirkung eines Ergänzungsbetreuers verlangt, da der an der Erbauseinandersetzung Beteiligte zu 2) gehindert sei, sein Betreueramt für den Beteiligten zu 3) auszuüben (§ 1908 i Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1795 Abs. 2, § 181 BGB).

Für die Erbauseinandersetzung und die Erlösverteilung liege, wenn Betreuer und Betreuter Miterben sind, bei Abgabe der Willenserklärung durch den Betreuer ein Insichgeschäft nach § 181 BGB vor (Palandt/Weidlich, § 2042 Rn. 14; Staudinger/Werner BGB § 2042 Rn. 35; MüKo-BGB/Ann, § 2042 Rn. 38; allgemein Mahlmann ZEV 2009, 320). Dessen Vertretungsmacht sei deshalb ausgeschlossen (§ 1795 Abs. 1 und 2, § 181 BGB), was es notwendig mache, einen Ergänzungsbetreuer nach § 1899 Abs. 4 BGB zu bestellen. Zusätzlich habe das Betreuungsgericht zuzustimmen (§ 1908 i Abs. 1 i. V. m. § 1821 Abs. 1 Nr. 1, § 1822 Nr. 2 BGB).

Anders sei der Sachverhalt zu beurteilen, wenn Betreuer und Betreuter einem volljährigen Miterben den gesamten Nachlass übereignen und letzterer sich verpflichtet, den Miterben jeweils eine bestimmte Abfindungssumme zu bezahlen. In diesem Fall lasse bereits die reichsgerichtliche Rechtsprechung (RGZ 93, 334/335) den Vertragsschluss des Miterben selbst sowie zugleich für den Betreuten als Miterben zu. Hintergrund dafür bilde der Umstand, dass jeder der Miterben unabhängig vom anderen berechtigt wäre, gemäß § 2033 Abs. 1 BGB vertraglich seinen Erbanteil einem Dritten gegen einen bestimmten Preis zu übertragen. Werde nun der gesamte Nachlass in einem Vertrag übertragen, so stellt sich dies lediglich als eine Zusammenfassung mehrerer einzelner von den Miterben mit dem Erwerber getroffenen Abmachungen dar, während vertragliche Vereinbarungen der übertragenden Miterben untereinander nicht bestehen (RG a. a. O.).

Das Bayerische Oberste Landesgericht habe in einer Entscheidung diese Überlegungen auch auf einen Vertrag angewandt, durch den die Erben einem von ihnen ein zum Nachlass gehörendes Grundstück auflassen und dieser sich zu gleichmäßigen Leistungen an die Übergebenden verpflichtet (BayObLGZ 9, 459/462). Das Reichsgericht sei dieser Rechtsprechung ausdrücklich nicht gefolgt (RGZ 93, 334/335 f.). Im Gegensatz zur Vorschrift des § 2033 Abs. 1 BGB könne der einzelne Miterbe über seinen Anteil an den Nachlassgegenständen nicht verfügen (§ 2033 Abs. 2 BGB), die Verfügung sei zwingend eine gemeinschaftliche (§ 2040 Abs. 1 BGB). Der Entgeltabsprache liege notwendigerweise eine, wenn auch nur stillschweigende, Einigung unter den Miterben zugrunde. Jeder Miterbe sei damit einverstanden, dass das nach § 2041 BGB wiederum zum Nachlass gehörende Entgelt an die einzelnen Mitglieder entsprechend ihren Erbanteilen verteilt werde. Dann handele es sich aber um eine Auseinandersetzung zwischen allen Miterben untereinander. Auch wenn die Teilung im Grunde nur eine rechnerische sei, bleibe sie eben eine Teilung ohne Rücksicht darauf, ob sie einfach oder mit Schwierigkeiten verknüpft sei. Eine Teilung setze aber begrifflich eine Vereinbarung unter den Beteiligten voraus (RGZ 93, 334/336). Der Bundesgerichtshof habe sich dem angeschlossen (BGHZ 21, 299/232; BGHZ 50, 8/11).

Die vorbezeichnete Rechtsprechung gehe von der Prämisse aus, dass von der ausschließlichen Erfüllung einer Verbindlichkeit als Ausnahme vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) nur gesprochen werden kann, wenn die Auseinandersetzung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften (§§ 2042 ff. BGB) vorgenommen wird, weil Miterben nur in der Art und Weise zur Auseinandersetzung verpflichtet sind, wie sie das Gesetz eben vorsieht. Das Verfügungsrecht des Miterben über seinen Anteil als solchen (§ 2033 Abs. 1 BGB) unterfalle demnach nicht dem Verbot. Dies gelte auch für solche Auseinandersetzungen, wenn mit ihnen lediglich eine (wirksame) Teilungsanordnung des Erblassers vollzogen oder ein Vorausvermächtnis erfüllt wird (BayObLGZ 13, 13/18; MüKo-BGB/Ann § 2042 Rn. 3; Palandt/Weidlich § 2042 Rn. 14 mit Rn. 6 f.; Mahlmann ZEV 2009, 320/321), was dadurch begründet sei, dass die Regeln der Auseinandersetzung dadurch modifiziert werden, was der Erblasser vorgegeben hat (Palandt/Weidlich § 2042 Rn. 6). Daran seien auch die Miterben gebunden.

Ein derartiger Ausnahmefall sei hier nicht gegeben. Vielmehr sei mit der Vereinbarung ersichtlich gewollt, dass das im Nachlass befindliche Grundvermögen an den Beteiligten zu 1) als Miterben übergeht und im Gegenzug jeweils ein Entgelt, obwohl Surrogat nach § 2041 BGB, nicht in die Erbmasse, sondern an die Beteiligten zu 2) und 3) als Miterben fließt, im Übrigen auch bereits geflossen und die Auseinandersetzung damit vollständig vorgenommen ist. Eine derartige Form der vertraglichen Auseinandersetzung möge sich nach der allseitigen Interessenlage anbieten, weiche aber von den gesetzlichen Vorgaben ab, so dass bei einem Vertretungsfall auch das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) beachtlich sei und die Ausnahme hiervon - „ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit“ - nicht eingreift.

Anderes gelte auch nicht deshalb, weil nach Angaben der Beteiligten der übertragene Grundbesitz den gesamten verbliebenen Nachlass darstellt und nichts zur weiteren Auseinandersetzung verblieben ist.

Schließlich würde auch eine isolierte Betrachtung von Erbauseinandersetzung, Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft und Veräußerungsgeschäft hier nicht weiterhelfen, weil dem die innerliche Verknüpfung aller Teile entgegensteht. Wenn aber in einem Teil die Vertretung ausgeschlossen ist, so bestehe der Vertretungsausschluss in allen Teilen des Vertragswerks (BGHZ 50, 8/11 f.).

III. Fazit

Gerade wenn Minderjährige oder unter Betreuung stehende Personen Teil einer Erbengemeinschaft sind, kann die Auseinandersetzung immer wieder Probleme bereiten.

Vorliegend war gerade der Weg der Auseinandersetzung die entscheidende Frage. Die Parteien hatten sich hier entschieden, im Rahmen der Auseinandersetzung Grundbesitz an einen der Miterben aufzulassen. Da Betreuter und Betreuer Mitglieder der Erbengemeinschaft waren, war hierzu die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers notwendig, da für den Betreuer ein Insichgeschäft vorlag. Im Rahmen einer Auseinandersetzung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften (§§ 2042 ff. BGB) wäre dies nicht der Fall gewesen.

Es zeigt sich somit, dass auch im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu einer anwaltlichen Beratung zu raten ist. Auch bei Erstellung des Testaments kann solchen Problematiken vorgebeugt werden.


Rezension des Beschlusses des OLG München v. 17.07.2015 - 34 Wx 179/15  „Erbauseinandersetzung / Ergänzungsbetreuer / Auflassung von Grundbesitz", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.3 März 2016, S.190 ff

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