Eidesstattliche Versicherung; Erbscheinsverfahren; Vertretung; Betreuer
Leitsatz:
Ist der Vertretene in einem Erbscheinsverfahren nicht mehr zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in der Lage, kann sein gesetzlicher Vertreter, z. B. ein Betreuer, die Erklärung abgeben, jedoch als eigene Erklärung und nicht für den Vertretenen. Dabei steht ein Vorsorgebevollmächtigter einem gesetzlichen Vertreter gleich.
OLG Celle, Beschluss vom 20.06.2018 - 6 W 78/18
BGB §§ 1896 Abs. 2 S. 2, 2354 Abs. 1, 2356 Abs. 2 S. 1
EGBGB Art. 229 § 36
I. Einführung
Die 95-jährige an Demenz erkrankte Beteiligte zu 1) hat, vertreten durch den mit notarieller General- und Vorsorgevollmacht versehenen Bevollmächtigten W, vor dem Nachlassgericht einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge gestellt, der sie als Alleinerbin des Erblassers, ihres Ehemannes, ausweist.
Der Bevollmächtigte hat vor dem Nachlassgericht an Eides statt versichert, dass ihm nichts bekannt ist, was der Richtigkeit seiner zur Begründung des Erbscheinsantrags gemachten Angaben entgegensteht. Das für die Entscheidung über den Erbscheinsantrag zuständige Amtsgericht hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins mit dem angefochtenen Beschluss mit der Begründung abgelehnt, der Bevollmächtigte sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als gewillkürter Vertreter nicht berechtigt. Er sei nicht ausdrücklich dazu bevollmächtigt worden, sondern im Wege der Vorsorgevollmacht nur zur Vertretung in nicht-vermögensrechtlichen Angelegenheiten berechtigt, sofern eine Stellvertretung rechtlich zulässig ist, was hinsichtlich der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht der Fall sei. Es bedürfe zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eines gesetzlichen Vertreters, also eines Betreuers.
Dagegen wendet die Beteiligte sich mit ihrer Beschwerde. Das Betreuungsgericht habe es abgelehnt, für die Beteiligte eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung einzurichten, weil die Beteiligte eine Vorsorgevollmacht erteilt hat und der Bevollmächtigte die Angelegenheiten für die Betroffene regeln könne. Zudem könne ein Fremdbetreuer zu dem vorliegenden Fall keine konkreten Angaben machen oder entsprechende Informationen auch nur bei dem Bevollmächtigen einholen.
II. Problem
Der Senat erachtete die Beschwerde als zulässig und begründet.
Der Bevollmächtigte der Beteiligten sei berechtigt, die Richtigkeit der zur Begründung des Erbscheinsantrags erforderlichen Angaben an Eides statt zu versichern (§ 2354 Abs. 1 Nr. 3 - 5, § 2356 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F.).
Grundsätzlich habe der Antragsteller die Richtigkeit seiner im Erbscheinsantrag gemachten Angaben selbst an Eides statt zu versichern. Es handele sich bei der Abgabe einer Versicherung an Eides statt um eine höchstpersönliche Erklärung, bei der eine Vertretung durch einen gewillkürten Vertreter unzulässig sei (Staudinger/Herzog, § 2356 a.F. Stand April 2010, Rn. 56, 58). Sei der Vertretene jedoch nicht mehr zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in der Lage, könne sein gesetzlicher Vertreter, z. B. ein Betreuer, die Erklärung abgeben, jedoch als eigene Erklärung und nicht für den Vertretenen (Litzenburger, ZEV 2004, 450, 451). Dabei stehe ein Vorsorgebevollmächtigter einem gesetzlichen Vertreter gleich, weil nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB durch die Vorsorgevollmacht gerade die Anordnung einer Betreuung ersetzt werden soll (Staudinger/Herzog, ebenda Rn. 58 m.w.N.; Palandt/Götz, § 1902 Rn. 3).
Der Bevollmächtigte sei, aufgrund der ihm von der Beteiligten vor dem Notar erteilten General- und Vorsorgevollmacht, zur Abgabe der Versicherung an Eides statt berechtigt. Ihm sei nach § 2 der „in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten, bei denen eine Stellvertretung rechtlich zulässig ist,“ erteilten Generalvollmacht gestattet „c) Erklärungen aller Art abzugeben und entgegenzunehmen sowie Anträge zu stellen, abzuändern, zurückzunehmen“ und „k) den Vollmachtgeber gegenüber Gerichten zu vertreten, …“. Ferner sei er nach § 1 der vorgenannten ihm für alle „nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten, bei denen eine Stellvertretung rechtlich zulässig ist“ notariell erteilten Vorsorgevollmacht, die „alle Erklärungen, Entscheidungen, Maßnahmen etc. erfassen (soll), zu denen gemäß § 1896 I BGB ein gerichtlich bestellter Betreuer berechtigt ist“ handlungsbefugt und insoweit einem Betreuer gleichzusetzen.
Für die Generalvollmacht sei in Teil 3, § 1 der vorgenannten notariellen Urkunde ausdrücklich geregelt, dass diese mit Unterzeichnung der Urkunde wirksam wird. Die Vorsorgevollmacht solle hingegen zwar mit Ausnahme von Postangelegenheiten und Erteilung von Schweigepflichtsentbindungen erst dann Wirksamkeit erlangen, wenn der Vollmachtgeber selbst nicht mehr handeln kann. Die letztgenannte Voraussetzung habe der Bevollmächtigte durch Vorlage des fachärztlich neurologisch-psychiatrischen Gutachtens einer Fachärztin für Neurologie hinreichend nachgewiesen.
Letztlich obliege die Entscheidung über die Frage, ob der Antragsteller selbst oder sein Vorsorgebevollmächtigter die eidesstattliche Versicherung betreffend die Richtigkeit der im Erbscheinsantrag gemachten Angaben, insbesondere die negativen Tatsachen, gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben hat, jedoch dem Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. zur entsprechenden Frage für die Abgabe einer Vermögensauskunft (früher Offenbarungsversicherung) durch den Betreuer: BGH, WM 2008, 2264, Rn. 11/12).
III. Fazit
Vorsorgevollmachten erlangen in der Praxis immer größere Bedeutung. Die Entscheidung des OLG Celle beschäftigt sich mit den Handlungsbefugnissen des Vorsorgebevollmächtigten im Rahmen der Beantragung eines Erbscheins und der hierbei notwendigen eidesstattlichen Versicherung. Die eidesstattliche Versicherung kann danach auch von einem Vorsorgebevollmächtigten als eigene Erklärung abgegeben werden; die Bestellung eines Betreuers ist hierfür nicht zwingend notwendig. Für die Praxis empfiehlt sich eine genaue Bestimmung des Umfangs der Befugnisse des Vorsorgebevollmächtigten, insbesondere wenn die Möglichkeit besteht, dass die vertretene Person noch einmal Erbe werden könnte.
Rezension des Beschlusses des OLG Celle v. 20.06.2018 - 6 W 78/18 „Eidesstattliche Versicherung / Erbscheinverfahren / Vertretung / Betreuer", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.9 September 2018, S.498 f