Betreuung; Behindertentestament; Testamentsvollstreckung; Jahresgebühr

Amtlicher Leitsatz:

Ist einer betreuten Person durch sogenanntes Behindertentestament eine Erbschaft als nicht befreiter Vorerbin bei gleichzeitig angeordneter Dauertestamentsvollstreckung zugefallen, so ist der Nachlass bei der Ermittlung des Reinvermögens als Grundlage der gerichtlichen Jahresgebühr für eine Dauerbetreuung, die unmittelbar das Vermögen oder Teile des Vermögens zum Gegenstand hat, nicht werterhöhend zu berücksichtigen, weil nicht der Nachlass, sondern nur die Rechte des Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker Gegenstand der Betreuung sind (Aufgabe des Senatsbeschluss v. 14.9.2009 - 2 Wx 66/09, BeckRS 2015, 8022; Anschluss an OLG München FGPrax 2019, 89; entgegen OLG Celle FamRZ 2017, 1083; OLG Hamm FGPrax 2015, 278).

OLG Köln (2. Zivilsenat), Beschluss vom 19.09.2019 - 2 Wx 264/19

GNotKG § 3 Abs. 2
GNotKG KV Nr. 11101

I. Einführung

Der Beteiligte zu 1) wurde im Jahr 1988 entmündigt. Seit dem Jahr 1992 besteht eine rechtliche Betreuung für alle Angelegenheiten, auch für den Bereich der Vermögenssorge. Vormund, bzw. Betreuerin war zunächst seine Mutter, nach deren Versterben seine Schwester. Die Betreuung wurde zuletzt bis zum 24.10.2019 verlängert.

Der Beteiligte zu 1) wohnt in einer Wohngruppe eines heilpädagogischen Heimes. Ausweislich des letzten Jahresberichtes seiner Betreuerin erhält er eine monatliche Rente in Höhe von 722,62 €, die an den LVR als Kostenträger übergeleitet ist. Aus Werkstatttätigkeit erhält er ein Arbeitsentgelt in Höhe von monatlich 182 €. Für ihn besteht ein Konto bei der KSK Köln, welches im November 2018 einen Kontostand von 747,74 € aufwies; sein Taschengeldkonto hatte einen Stand von 130,20 €. Außerdem verfügte er über eine Spareinlage von 307,66 €.

Nachdem der Vater des Erstbeschwerdeführers bereits im Jahr 1996 verstorbenen ist, verstarb im Jahr 2004 auch seine Mutter. Diese hatte ein notarielles Testament errichtet, mit dem sie ihre drei Kinder jeweils zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hat, wobei sie den Beteiligten zu 1) mit seinem Anteil von 1/3 zum nicht befreiten Vorerben bestimmt hat. Die Erblasserin hat außerdem Testamentsvollstreckung über den Erbteil des Erstbeschwerdeführers angeordnet und die Betreuerin als Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Aufgabe der Testamentsvollstreckerin soll die Verwaltung des Erbteils des Erstbeschwerdeführers sein; wobei die Erblasserin angeordnet hat, dass der Testamentsvollstrecker dem Erstbeschwerdeführer die ihm gebührenden anteiligen jährlichen reinen Erträgnisse zuzuwenden habe.

Im Frühjahr 2005 wurde das Einfamilienhaus der Erblasserin veräußert. Der Erbteil des Erstbeschwerdeführers in Höhe von 43.082,92 € wurde zunächst auf ein Sparbuch eingezahlt. In der Folge wurde der Erbteil dann in Form von „Wachstumssparen“ bei der Raiffeisenbank angelegt.

Im Nachgang zu dem Jahresbericht der Betreuerin vertrat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Auffassung, zum Vermögen des Beteiligten zu 1) im kostenrechtlichen Sinn gehöre auch das Vermögen, welches im Rahmen des Testamentes aufgrund von Testamentsvollstreckung der erbrechtlichen Beschränkung unterliege. Daher hat das Betreuungsgericht sodann für die Jahre 2017, 2018 und 2019 gegen den Erstbeschwerdeführer einen Betrag in Höhe von jeweils 200 € als Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG, insgesamt also 600 €, geltend gemacht.

Hiergegen hat die Betreuerin für den Beteiligten zu 1) Erinnerung eingelegt. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat die Erinnerung zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat sich die Betreuerin für den Beteiligten zu 1) mit der Beschwerde gewandt.

Die zuständige Beschwerdekammer des Landgerichts Bonn hat den Beschluss des Amtsgerichts Siegburg und den Kostenansatz des Amtsgerichts aufgehoben und die weitere Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen ausgeführt, dass maßgeblich für den Kostenansatz der Umfang des „Vermögens“ sei, wobei von der Kammer in Übereinstimmung mit dem OLG München die Auffassung vertreten wurde, dass das unter Testamentsvollstreckung stehende Vermögen für die Ermittlung der Gerichtskosten nicht heranzuziehen sei, da sich die Vermögenssorge im Rahmen der rechtlichen Betreuung nicht darauf erstrecke.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde des beteiligten Landes, vertreten durch die Bezirksrevisorin, mit der unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Köln vom 14.09.2009 (2 Wx 66/09) geltend gemacht wird, dass es auf die Verfügbarkeit der vorhandenen Vermögenswerte nicht ankomme. Vielmehr sei auch das unter Testamentsvollstreckung stehende Vermögen für die Ermittlung der Gerichtskosten heranzuziehen.

II. Problem

Das OLG Köln erachtete die Beschwerde als zulässig aber in der Sache als erfolglos.

Die Jahreswertgebühr der Nr. 11101 KV GNotKG sei auf Basis “des zu berücksichtigenden Vermögens“ zu berechnen. Zu berücksichtigendes Vermögen sei das Reinvermögen, also der Vermögenswert nach Abzug der Passiva von den Aktiva. Nach Abs. 1 S. 1 der Anmerkung zu Nr. 11101 KV GNotKG werde Reinvermögen des Betroffenen nur berücksichtigt, soweit es mehr als 25.000 € beträgt. Keinen Eingang in diesen Vermögenswert finde ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Das Vermögen des Betroffenen werde nur insoweit der Bewertung zu Grunde gelegt, als es Gegenstand der Betreuung ist (vgl. Korintenberg/Fackelmann, GNotKG, 20. Aufl. 2017, Nr. 11101 KV Rn. 35 ff.).

Soweit der Senat in seinem früheren Beschluss zur Vorschrift des § 92 Abs. 1 KostO die Ansicht vertreten hat, dass auch das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen des Betroffenen, welches er als nicht befreiter Vorerbe ererbt hat, zu berücksichtigen sei, hielt der Senat diese Rechtsprechung nicht mehr aufrecht.

Zwar werde teilweise darauf abgestellt, nach dem eindeutigen Wortlaut der Kostenvorschrift des Nr. 11101 KV GNotKG käme es (ebenso wie bei der vorhergehenden Bestimmung des § 92 KostO) allein darauf an, dass der Betreute Inhaber des Vermögens sei, sodass die Verwertbarkeit bzw. Verfügbarkeit unerheblich sei (vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 28.12.2016, 2 W 255/16, FamRZ 2017, 1083; OLG Hamm, Beschluss v. 18.08.2015, 15 Wx 203/15, FGPrax 2015, 278). Hiergegen sei jedoch anzuführen, dass es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für die Bemessung des Geschäftswertes zwar nicht darauf ankommt, ob das Vermögen des Betreuten verwertbar oder verfügbar ist, wohl aber darauf, ob sich die Betreuung auf das gesamte Vermögen des Betreuten oder nur auf einen Teil desselben bezieht (vgl. OLG München, Beschluss v. 18.01.2019, 34 Wx 165/18, FGPrax 2019, 89).

In Abs. 1 S. 2 der Anm. zu Nr. 11101 KV GNotKG sei bestimmt, dass sich der Verfahrenswert nur nach dem Wert eines Vermögensteils richtet, wenn Gegenstand der Betreuung lediglich dieser Teil des Vermögens sei. Diese Beschränkung des Verfahrenswertes in Fällen der Dauerbetreuung mit unmittelbarem Bezug auf lediglich einen Teil des betreuten Vermögens begründe sich in der Verknüpfung zwischen der Höhe des von der Maßnahme betroffenen Vermögens und dem Bearbeitungssaufwand sowie dem Haftungsrisiko des Gerichts. Dabei könne sich eine Beschränkung auf einen Teil des Vermögens nicht nur aus einer ausdrücklichen Einschränkung im Bestellungsbeschluss, sondern auch aus „den Verhältnissen“ und dem Aufgabenkreis ergeben (vgl. OLG München a.a.O.; Korintenberg/Fackelmann a.a.O. Rn. 37).

Das dem Erstbeschwerdeführer über ein so genanntes „Behindertentestament“ als nicht befreiten Vorerben zugewandte, der Dauerverwaltung durch eine Testamentsvollstreckerin unterliegende Vermögen sei bei der Berechnung des Geschäftswertes, aus dem die Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG zu erheben wäre, daher nicht zu berücksichtigen. Denn dieser Teil des Betreutenvermögens unterliege nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung der Betreuerin, sondern derjenigen der Testamentsvollstreckerin. Insofern würde auch der teilweise beschrittene Weg eines Wertkorrektivs durch Berücksichtigung des Werts der Nacherbenanwartschaft als Passivposten bei der Ermittlung des Reinvermögens zu kurz greifen (so u.a. LG Augsburg, Beschluss v. 06.04.2017, 51 T 258/17). Entscheidend sei vielmehr der Umstand, dass das Nachlassvermögen wegen der angeordneten Dauertestamentsvollstreckung im Sinne einer Verwaltungsvollstreckung (§ 2209 BGB) nicht von dem für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Betreuer, sondern vom Testamentsvollstrecker verwaltet wird, der gemäß § 2216 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses und Einhaltung der vom Erblasser verfügten Verwaltungsanordnung verpflichtet ist.

Gegenstand der Betreuung im Bereich der Vermögenssorge sei wegen dieser gesetzlichen Zuständigkeit indes nicht unmittelbar das der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassvermögen, sondern lediglich die Ausübung der Kontrollrechte (§ 2218 BGB) und gegebenenfalls die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Testamentsvollstrecker (§§ 2217 Abs. 1, 2219 Abs. 1 BGB). Aus dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung folge, dass das Vermögen des Betreuten nur hinsichtlich desjenigen Teils Gegenstand der der Betreuerin übertragenen Betreuung ist, der nicht der Testamentsvollstreckung unterliegt. Hierfür spreche auch, dass die Rechnungslegungspflicht des Betreuers nach § 1840 BGB nicht die kraft Gesetzes einer Drittverwaltung unterliegenden Vermögensmassen, wie z. B. den Nachlass bei angeordneter Testamentsvollstreckung, umfasst (vgl. MüKo-BGB/Kroll-Ludwigs, § 1840 Rn. 4 m.w.N.).

Dementsprechend sei auch die Kontrolltätigkeit des Betreuungsgerichts auf die Prüfung begrenzt, ob der Betreuer seiner Kontrollpflicht nachgekommen ist und bei festgestellten Beanstandungen die Rechte des Betreuten geltend gemacht hat. Die aufwendige Überprüfung der nachlassbezogenen Verwaltungstätigkeit selbst, einschließlich der Belege und der Einzelheiten der periodischen Rechnungslegung, die sich hier nach § 2218 Abs. 2 BGB richtet, obliege hingegen nicht dem Betreuungsgericht, sondern dem Betreuer als gesetzlichem Vertreter des Vorerben oder gegebenenfalls einem Kontrollbetreuer (vgl. OLG München a.a.O.).

Soweit in der Rechtsprechung gegen eine Berücksichtigung der Dauertestamentsvollstreckung die Überfrachtung des Kostenrechts angeführt werde, wenn zunächst über die Auslegung des Testamentes gegebenenfalls auch nach Beweisaufnahme zu entscheiden sei (vgl. OLG Celle a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.), habe die Kammer in ihrem angegriffenen Beschluss zutreffend darauf verwiesen, dass auch die Frage der „Angemessenheit“ eines Hausgrundstücks nicht ohne Weiteres zu beantworten sei, dass also auch komplexere Prüfungen dem Kostenrecht nicht fremd seien. In diesem Zusammenhang sei im Übrigen nicht zuletzt auch das Äquivalenzprinzip des Kostenrechts zu berücksichtigen. Danach müssten Gebühren eine angemessene Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen darstellen. Dieses Prinzip stellt gerade auf den Einzelfall ab (vgl. Korintenberg/Fackelmann a.a.O., Einf. Rn. 26). Wenn aber die Überprüfung der nachlassbezogenen Verwaltungstätigkeit nicht Sache des Betreuungsgericht ist, erscheine auch die Erhebung der entsprechenden Gerichtsgebühr nicht angemessen.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit einer bedeutenden Nebenfrage der Gestaltungsfolgen eines sog. „Behindertentestaments“.

Seit Jahren ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, wie die Vergütung für die neben einer Testamentsvollstreckung bestehende Betreuung zu bemessen ist. Das OLG Köln gibt vorliegend seine Rechtsprechungslinie auf und schließt sich, entgegen der Rechtsprechung des OLG Hamm (FuR 2016, 127) und des OLG Celle, der Ansicht des OLG München (FuR 2019, 238) an.

Danach ist das einem Erben über ein sogenanntes „Behindertentestament“ als nicht befreiten Vorerben zugewandte Vermögen, welches der Dauerverwaltung durch einen Testamentsvollstrecker unterliegt, bei der Berechnung des Geschäftswertes, aus dem die Jahresgebühr für eine Dauerbetreuung nach Nr. 11101 KV GNotKG zu erheben ist, nicht zu berücksichtigen.

Es verbleibt zu hoffen, dass sich zukünftig eine einheitliche Rechtsprechung zu dieser Frage etablieren wird.


Rezension des Beschlusses des OLG Köln v. 19.09.2019 - 2 Wx 264/19 „Betreuung / Behindertentestament / Testamentsvollstreckung / Jahresgebühr", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.12 Dezember 2019, S.737 ff


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