Auskunft; Bestand der Erbschaft, Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände

Leitsätze:

  1. Zwischen einer Auskunft über den „Bestand der Erbschaft“ (§ 2127 BGB) und dem „Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände“ (§ 2121 Abs. 1 BGB) gibt es keinen inhaltlichen Unterschied. Der Nacherbe kann daher eine Klage gegen den Vorerben auf Auskunft über den (aktuellen) „Bestand der Erbschaft“ - ohne begründete Besorgnis von Pflichtverletzungen im Sinne von § 2127 BGB - auf § 2121 BGB stützen, solange der Vorerbe noch kein Verzeichnis im Sinne dieser Vorschrift erstellt hat.
  2. Das vom Vorerben zu erstellende Verzeichnis gemäß § 2121 Abs. 1 BGB muss sich auch dann auf den Tag der Aufnahme beziehen, wenn es erst mehrere Jahre nach dem Tod des Erblassers erstellt wird. Sind zwischen dem Tod des Erblassers und dem Zeitpunkt der Aufnahme Veränderungen bei den Erbschaftsgegenständen eingetreten, muss das Verzeichnis diese Umstände berücksichtigen und auch die Ersatzstücke (§ 2111 BGB) vollständig angeben.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.02.2017 - 9 U 85/15

BGB § 2111, § 2121 Abs. 1, § 2127

I. Einführung

Die Klägerinnen verlangen als Nacherben von dem Beklagten als Vorerben Auskunft über den Bestand des Nachlasses der verstorbenen Frau K.

Die Verstorbene hatte ein notarielles Testament errichtet, in welchem sie ihren Ehemann, den Beklagten, zum nicht befreiten Vorerben und ihre Kinder als Nacherben einsetzte. Der Nacherbfall sollte beim Tode des Beklagten eintreten. Nach dem Tod der Erblasserin erklärte der Beklagte die Annahme der Erbschaft als Vorerbe. Auf einem vom Notariat übersandten Formular gab er gleichzeitig die „Nachlassmasse“ mit ungefähr 260.000,00 € („Guthaben bei Banken, Sparkassen …“) an.

Der Beklagte übersiedelte später nach Thailand. Bei den Klägerinnen entstand die Sorge, der Beklagte verletze durch seine Verwaltung die Rechte der Nacherben. Sie haben im Verfahren vor dem Landgericht geltend gemacht, es sei möglich, dass der Beklagte in Thailand Investitionen tätige, welche den Klägerinnen unbekannt seien. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Bestandteile der Erbschaft an die Kinder des Beklagten aus dessen erster Ehe gelangen könnten. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, ihnen stehe ein Auskunftsrecht gemäß § 2127 BGB über den Bestand der Erbschaft zu.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er habe bei seiner Verwaltung der Erbschaft keine Rechte der Klägerinnen verletzt. Der Umstand, dass er seinen Wohnsitz nunmehr in Thailand habe, rechtfertige kein Auskunftsrecht der Klägerinnen gemäß § 2127 BGB.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte sei zur Auskunft über den Bestand der Erbschaft nicht verpflichtet. Eine solche Verpflichtung komme nur unter den Voraussetzungen von § 2127 BGB in Betracht. Der Sachvortrag der Klägerinnen sei nicht ausreichend, um eine Besorgnis zu rechtfertigen, dass der Beklagte Rechte der Klägerinnen als Nacherben beeinträchtige.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerinnen.

II. Problem

Das OLG erachtete die Berufung als zulässig und begründet. Der Beklagte sei verpflichtet, eine schriftliche Auskunft über den Bestand des Nachlasses der verstorbenen K zu erteilen.

Der Anspruch der Klägerinnen ergebe sich aus § 2121 Abs. 1 BGB („Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände“). Die Klägerinnen hätten von Anfang an klargestellt, dass sie eine Auskunft über den heutigen Bestand des Nachlasses verlangen. Der Antrag der Klägerinnen sei daher so zu verstehen, dass sich die Auskunft auf den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung beziehen muss.

Die Voraussetzungen lägen auch vor. Jeder Nacherbe habe nach dem Tod des Erblassers einen Auskunftsanspruch gegen den Vorerben gemäß § 2121 Abs. 1 BGB, ohne dass weitere Voraussetzungen für die Geltendmachung hinzutreten müssten.

Die von den Klägerinnen verlangte „Auskunft über den Bestand des Nachlasses“ (vgl. dazu die Formulierung in § 2127 BGB) entspreche dem Gegenstand des Auskunftsanspruchs gemäß § 2121 Abs. 1 BGB. Zwischen dem „Bestand des Nachlasses“ und dem „Verzeichnis der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände“ (§ 2121 Abs. 1 BGB) gebe es keinen inhaltlichen Unterschied.

Dem Anspruch der Klägerinnen würden auch insoweit keine Bedenken begegnen, als sich die Auskunft auf den heutigen Zeitpunkt und nicht etwa auf den Zeitpunkt des Erbfalls beziehen soll. Die Formulierung des Gesetzes in § 2121 Abs. 1 Satz 1 BGB sei dahingehend zu verstehen, dass sich das vom Vorerben zu erstellende Verzeichnis generell auf den „Tag der Aufnahme“ beziehen muss (vgl. RGZ 164, 208; BGH, Urteil vom 09.11.1994 - IV ZR 319/93). Daran ändere sich auch dann nichts, wenn zwischen dem Erbfall und dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung mehrere Jahre vergangen sind.

Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, er habe den Anspruch der Klägerinnen bereits durch das gegenüber dem Nachlassgericht abgegebene „Nachlassverzeichnis“ erfüllt.

Der Gegenstand der Auskunftspflicht des Beklagten richte sich nach dem Begriff „Verzeichnis der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände“ in § 2121 Abs. 1 BGB und der Konkretisierung dieses Begriffs durch die Rechtsprechung. Die Auskunftspflicht des Beklagten erfordere mithin eine schriftliche Einzelaufstellung sämtlicher zum Nachlass gehörender Gegenstände, die in geeigneter Art und Weise zu konkretisieren sind. Bei Bankguthaben oder Geldanlagen sei beispielsweise jeweils die betreffende Bank, die Kontonummer und der auf dem Konto vorhandene Guthabensbetrag zu konkretisieren. Wenn die gemäß § 2121 Abs. 1 BGB zu erteilende Auskunft zeitlich nach dem Erbfall erfolgt, habe sie - wie die Auskunft gemäß § 2127 Abs. 1 BGB - auch die sogenannten Surrogate (vgl. § 2111 Abs. 1 BGB) im Einzelnen zu bezeichnen. Die Erstreckung der Auskunft gemäß § 2121 Abs. 1 BGB auf die Surrogate (Ersatzstücke) ergebe sich aus dem Zusammenhang der Regelung in § 2121 Abs. 1 BGB mit § 2111 BGB (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, § 2121 BGB Rn. 2).

Den dargestellten inhaltlichen Anforderungen entspreche das formularmäßige „Nachlassverzeichnis“ nicht. Da der Beklagte bisher seiner Verpflichtung gemäß § 2121 Abs. 1 BGB nicht nachgekommen ist, habe der Senat auf den Antrag der Klägerinnen die Auskunftspflicht im Urteil auszusprechen.

Auf die Regelung in § 2127 BGB (Auskunftsrecht des Nacherben) komme es nicht an. Solange ein (erstmaliges) Verzeichnis gemäß § 2121 Abs. 1 BGB nicht erstellt sei, haben die Nacherben einen Auskunftsanspruch, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob und inwieweit der Beklagte Pflichten bei der Verwaltung der Erbschaft verletzt hat oder verletzt.

III. Fazit

Die Entscheidung beleuchtet das Verhältnis von § 2127 BGB und § 2121 BGB.

Zwischen dem jeweiligen Inhalt des Auskunftsanspruchs über den „Bestand des Nachlasses“ einerseits und der Erstellung eines Verzeichnisses der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände (§ 2121 Abs. 1 BGB) andererseits, gibt es danach keinen inhaltlichen Unterschied.

Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da § 2127 BGB die Besorgnis einer Pflichtverletzung voraussetzt, wohingegen der Anspruch aus § 2121 Abs. 1 BGB ohne diese Voraussetzung und auch erst mehrere Jahre nach dem Tod des Erblassers geltend gemacht werden kann, wenn der Vorerbe bisher noch kein entsprechendes Verzeichnis erstellt hat.

Wird der Anspruch erst später geltend gemacht und sind Veränderungen bei den Erbschaftsgegenständen eingetreten, muss das Verzeichnis diese Umstände berücksichtigen und auch die Ersatzstücke (§ 2111 BGB) vollständig angeben.


Rezension des Urteils des OLG Karlsruhe v. 07.02.2017 - 9 U 85/15 „Auskunft / Bestand der Erbschaft / Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.8 August 2017, S.467 f

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