Anwartschaftsrecht, Nacherbe, Pfändung, Grundbuch

Leitsatz:

Die Unwirksamkeit der Pfändung des Anwartschaftsrechts eines Nacherben kann sich unmittelbar aus dem Grundbuch ergeben. In diesem Fall ist für die Berichtigung des Grundbuchs auf Antrag eines weiteren Nacherben ein darüber hinausgehender Nachweis nicht erforderlich.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.10.2017 - 15 W 1591/17

GBO § 22 Abs. 1 S. 1
BGB § 2115

I. Einführung

Nach dem Grundbuch wurde die (ursprüngliche) Eigentümerin des Grundstücks K von R1 beerbt, der auf der Grundlage eines Erbscheins im Jahre 2001 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Nach dem am selben Tag in der zweiten Abteilung eingetragenen Nacherbenvermerk war R1 Vorerbe; (erster) Nacherbe der K war R2, wobei - für den Fall seines Todes - eine weitere Nacherbfolge angeordnet war, und zwar zugunsten der Beteiligten zu 1), 3) und 4). Diese wurden auf der Grundlage eines Erbscheins als Eigentümer des Grundstücks in Erbengemeinschaft eingetragen.

Im Jahr 2010 war in das Grundbuch ein Pfändungsvermerk zugunsten des Beschwerdegegners eingetragen worden, der sich auf das Anwartschaftsrecht des (ersten) Nacherben R2 dem vorgenannten Nacherbenvermerk bezieht.

Mit Schreiben ihrer bevollmächtigten Mutter beantragte die Beschwerdeführerin, den Pfändungsvermerk „auf Basis der Nacherbenfolge ohne notarielle Beglaubigung“ zu löschen. Den Antrag wies das Grundbuchamt zurück. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Löschung des Nacherbenvermerks samt dem Verpfändungsvermerk ohne Löschungsbewilligung nicht möglich sei.

Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein. Sie verlangt die Löschung des Pfändungsvermerks unter Verweis darauf, dass das Grundbuch mit Eintritt des (weiteren) Nacherbfalls unrichtig geworden sei, weil das Pfandrecht des Beschwerdegegners in Hinblick auf § 2115 BGB kraft Gesetzes erloschen sei. Dies ergebe sich aus dem Grundbuch selbst.

Das Grundbuchamt entschied der Beschwerde nicht abzuhelfen, weil auf eine Löschungsbewilligung - auch „wenn der Anspruch aus der Pfändung kraft Gesetzes erloschen“ sei - nicht verzichtet werden könne.

II. Problem

Die Beschwerde war nach Ansicht des OLG Nürnberg zulässig, insbesondere gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft, und zwar selbst dann, wenn es sich bei dem Pfändungsvermerk, dessen Berichtigung begehrt wird, um eine dem öffentlichen Glauben unterliegende Eintragung handeln sollte. Denn die Zurückweisung eines Berichtigungsantrags kann jedenfalls dann mit der unbeschränkten Beschwerde angefochten werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine erst nachträglich unrichtig gewordene Eintragung betroffen ist (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 01.07.2010 - 2 W 96/10; BayObLG, Beschluss vom 29.05.1998 - 2Z BR 91/98; Demharter, GBO, § 71 Rn. 29; Böttcher in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 22 Rn. 175).

Die Beschwerde hatte auch in der Sache Erfolg.

Bei einer Erbengemeinschaft sei jeder Miterbe für sich berechtigt, eine Berichtigung des Grundbuchs zu beantragen. Einen Antrag, den eingetragenen Nacherbenvermerk zu löschen, habe die Beschwerdeführerin nicht gestellt.

In Bezug auf den Pfändungsvermerk sei das Grundbuch infolge der Unwirksamkeit der zugrundeliegenden Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO unrichtig geworden. Der Grundbuchinhalt stimme insofern - nicht mehr - mit der materiellen Rechtslage überein.

Die Pfändung des Anwartschaftsrechts des R2 als Nacherbe sei als Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt ist, gemäß § 2115 Satz 1 BGB mit Eintritt der (weiteren) Nacherbfolge, also mit dem Tod des R2, absolut unwirksam geworden, da sie das Recht der (weiteren) Nacherben, über den Nachlassgegenstand frei zu verfügen, beeinträchtigt. Die Unwirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme sei aufschiebend bedingt durch den Eintritt der Nacherbfolge gewesen. Sie sei absoluter Natur, gelte also gegenüber jedermann (BGH, Urteil vom 08.07.1960 - V ZB 8/59; Grunsky in: Münchener Kommentar, BGB, § 2115 Rn. 10; Litzenburger in: BeckOK, BGB, § 2115 Rn. 4; Weidlich in: Palandt, BGB, § 2115 Rn. 4; Hamdam in: jurisPK-BGB, § 2115 Rn. 17). Das mit der Pfändung des Anwartschaftsrechts begründete Pfandrecht sei nur für die Dauer der - im Verhältnis zu den weiteren Nacherben bestehenden - Vorerbschaft des R2 wirksam gewesen.

Die eingetretene Unrichtigkeit des Grundbuchs ergebe sich aus diesem selbst. Insbesondere zeige die Eintragung der Beschwerdeführerin und ihrer Miterben als Eigentümer in Erbengemeinschaft, dass der Nacherbfall in Übereinstimmung mit dem Nacherbenvermerk und damit die Unwirksamkeit der vermerkten Pfändung gemäß § 2115 Satz 1 BGB eingetreten sei.

Wenn sich die materielle Unrichtigkeit bereits aus dem Grundbuch ergebe, sei ein darüber hinausgehender Nachweis nicht erforderlich.

III. Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht den Schutz der weiteren Nacherben vor Verfügung des ersten Nacherben über den Erbschaftsgegenstand.

Als eine solche Verfügung ist auch die Pfändung eines zur Erbmasse gehörigen Anwartschaftsrechts anzusehen. Diese ist in der Folge, bei Eintritt des weiteren Nacherbfalls, gemäß § 2115 Satz 1 BGB absolut unwirksam.

Soll das Grundbuch bezüglich eines dort enthaltenen Pfändungsvermerks nach dem Eintritt des weiteren Nacherbfalls berichtigt werden, ergibt sich die Unrichtigkeit des Grundbuchs bezüglich der Pfändung regelmäßig aus dem Grundbuch selbst, sodass im Rahmen der Berichtigung kein weitergehender Nachweis erforderlich ist.


Rezension des Beschlusses des OLG Nürnberg v. 24.10.2017 - 15 W 1591/17 „Anwartschaftsrecht / Nacherbe/ Pfändung / Grundbuch", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.3 März 2018, S.164


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