Abfindungszahlung; Rechtsstreit Erbenstellung; Nachlassverbindlichkeit

Leitsatz:

Eine Abfindungszahlung, die der Erbe an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, ist als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. (amtlicher Leitsatz)

BFH, Urteil vom 15.06.2016 - II R 24/15

ErbStG §§ 3, 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1
FGO § 139 Abs. 4

I. Einführung

Die im Jahr 1921 geborene Erblasserin (E) setzte zunächst in einem notariellen Testament die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und deren Ehemann (M) als Erben zu gleichen Teilen ein. Später verfasste und unterzeichnete sie eine handschriftliche Urkunde, welche ihren Finanzberater (Beigeladener) als ihren Alleinerben ausweist.

Nach dem Tod der E beantragte der Beigeladene beim zuständigen Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerben. Sodann beantragten die Klägerin und ihr Ehemann die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie als (Mit-)Erben zu gleichen Teilen ausweist.

Der anschließend vor dem Nachlassgericht geführte Streit um die Erbenstellung nach der E endete in einem Vergleich. Der Beigeladene nahm seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurück, verpflichtete sich, keine Einwendungen gegen den Erbscheinsantrag der Eheleute zu erheben und ggf. alles Erforderliche zu tun, damit die Eheleute ihre alleinige (Mit-)Erbenstellung nach E erlangen. Die Eheleute verpflichteten sich, dafür an den Beigeladenen 160.000 € zu zahlen.

Im Weiteren wurde der Klägerin und ihrem Ehemann ein entsprechender gemeinschaftlicher Erbschein erteilt.

Das Finanzamt (Beklagte und Revisionsklägerin) setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 86.550 € fest, ohne die anteilige Abfindungszahlung an den Beigeladenen in Höhe von 80.000 € bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage, mit der die Klägerin u.a. begehrte, die Abfindungszahlung bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs anteilig zum Abzug zuzulassen, gab das Finanzgericht (FG) insgesamt u.a. mit der Begründung statt, die Klägerin habe die (ihr zur Hälfte zuzurechnende) Abfindungszahlung ausschließlich zur Erlangung des Erwerbs geleistet. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Kosten mit der Erlangung des Erwerbs liege somit vor.

Mit der Revision rügt das Finanzamt eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.

II. Problem

Die Revision wurde vom BFH als unbegründet erachtet.

Das FG habe zu Recht entschieden, dass die Abfindungszahlung, die der Erbe an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig ist.

Nach dem Wortlaut der Norm seien u.a. die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Dies bedeute, dass ein Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs voraussetzt.

Der Begriff der Erwerbskosten i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sei grundsätzlich weit auszulegen. Für eine unterschiedliche Behandlung von Nachlassregelungskosten und Erwerbserlangungskosten seien keine sachlichen Gründe erkennbar. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Kosten mit dem Erwerb liege vor, wenn sie im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung (vgl. auch Högl in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 10 ErbStG Rz 129; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz 226) dafür aufgewendet werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. In zeitlicher Hinsicht könnten die Kosten vor dem Erbfall entstanden sein, müssten es aber nicht. Ausreichend sei auch ein Entstehen nach dem Erbfall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt.

Der BFH verweist hierbei auf ein früheres Urteil, wonach eine Abfindungszahlung des Vorerben an den Nacherben für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu den Verbindlichkeiten gehört, die bei der Ermittlung des Vermögensanfalls aufgrund des Eintritts der Vorerbfolge abzuziehen sind (BFHE 133, 79, BStBl II 1981, 473). Zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten würden daher auch Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden Erbprätendenten gehören, die der Erbe entrichtet, damit seine (Allein-)Erbenstellung in einem anhängigen Verfahren nicht mehr bestritten wird (so im Ergebnis auch Fischer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 3 Rz 57; Jochum in Götz/Meßbacher-Hönsch, eKomm, § 10 ErbStG, Rz 169; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG, Rz 118.2; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 10 Rz 48; Jochum in Wilms/Jochum, ErbStG, § 10 Rz 169; Benne, FR 2004, 1102; Meßbacher-Hönsch, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2011, 865; Fischer, ZEV 2011, 438; a.A. Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz 80; kritisch Berresheim, Der Betrieb 2011, 2623).

Dem BFH nach steht dem Abzug einer Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten als Erwerbskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG auch nicht entgegen, dass der Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB kraft Gesetzes eintritt. Die Abfindung, die zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung geleistet wird, diene dem Zahlenden unmittelbar dazu, die Erbenstellung endgültig und damit zugleich den Erwerb als Erbe zu erlangen.

Sei nach dem Erbfall unklar oder bestritten, wer Erbe ist, weil der Erblasser z.B. mehrere Testamente mit widersprechenden Erbeinsetzungen zugunsten verschiedener Personen errichtet hat, müsse erst geklärt werden, welche Person Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger wird. Kosten, die dem letztendlich bestimmten Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung entstehen, würden deshalb regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammenhängen. Denn ohne die Erbenstellung sei auch ein Erwerb nach § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

Auch aus einer früheren Entscheidung des BFH (BFHE 233, 184, BStBl II 2011, 725) folge keine andere Beurteilung. Darin hat der BFH in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Abfindungszahlung, die der weichende Erbprätendent aufgrund eines Prozessvergleichs vom zuletzt eingesetzten Alleinerben dafür erhält, dass er die Erbenstellung des Alleinerben nicht mehr bestreitet, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG ist. Die Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, sind in § 3 ErbStG abschließend aufgezählt. Für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen reicht es nicht aus, dass der Erwerb der Abfindungszahlung lediglich im Zusammenhang mit einem Erbfall steht. Eine analoge Anwendung des § 3 ErbStG auf Abfindungen, die aufgrund eines Vergleichs für den Verzicht auf eine Geltendmachung eines streitigen erbrechtlichen Anspruchs gewährt werden, scheidet aus.

Aus dieser Entscheidung ergebe sich nicht, dass die Abfindungszahlung des Erben an den weichenden Erbprätendenten nicht als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG berücksichtigt werden kann. Vielmehr sei in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung von Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm zu prüfen, ob die Leistung unter § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG fällt.

Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin an den Beigeladenen geleistete Abfindungszahlung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Die (anteilige) Abfindung wurde u.a. durch die Klägerin bezahlt, damit der Beigeladene alle Erklärungen abgibt und Handlungen vornimmt, die erforderlich sind, dass die Klägerin und M ihre alleinige Miterbenstellung erhalten, und er die Rechtsstellung der Eheleute nicht mehr bestreitet. Erst hierdurch wurde die Erteilung des Erbscheins an die Klägerin und ihren Ehemann, der die Eheleute als alleinige Miterben ausweist, möglich. Die Kosten wurden für den steuerpflichtigen Erwerb der Klägerin aufgewendet und mindern daher die Bereicherung.

III. Fazit

Insbesondere in Fällen, in denen der Erblasser mehrere und widersprüchliche letztwillige Verfügungen hinterlassen hat, kommt es oftmals zum Rechtsstreit zwischen den Erbprätendenten bzgl.  der Erbenstellung. Eine Möglichkeit, um diese Streitigkeiten beizulegen, kann der Abschluss eines Vergleichs mit entsprechenden Abfindungszahlungen darstellen.

Der BFH stellt in diesem Rahmen fest, dass die Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten für den Erben eine Nachlassverbindlichkeit darstellt und somit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig ist.  Es handelt sich um Kosten, die dem Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung entstehen und somit regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammenhängen.


Rezension des Urteils des BFH v. 15.06.2016 - II R 24/15 „Abfindungszahlung / Rechtsstreit Erbenstellung / Nachlassverbindlichkeit", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.12 Dezember 2016, S.728 ff

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