Anordnung Nachlasspflegschaft; anwendbares Verfahrensrecht; letzter gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland

Amtliche Leitsätze:

  1. Deutsche Gerichte sind international für die Anordnung der Nachlasspflegschaft für in Deutschland befindliche Vermögenswerte eines mit letztem gewöhnlichen Aufenthaltsort im Ausland verstorbenen Erblassers zuständig.
  2. Die Anordnung und die Überwachung der Nachlasspflegschaft richtet sich nach deutschen Sachvorschriften, auch wenn auf die Erbfolge ausländisches Recht Anwendung findet.

OLG Köln (2. Zivilsenat), Beschluss vom 09.12.2020 – 2 Wx 293/20

FamFG § 35
BGB § 1961
EuErbVO Art. 10, 19, 21

I. Einführung

Im Juli 2018 hat Frau U. die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. § 1961 BGB beantragt, um einen Löschungsanspruch bezüglich im Grundbuch eingetragener Rechte des Erblassers geltend zu machen. Sie hat vorgetragen, dass die Erben unbekannt seien.

Das Nachlassgericht hat die Nachlasspflegschaft angeordnet und den Beteiligten als Nachlasspfleger mit den Wirkungskreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, der Ermittlung der Erben und der Vertretung der unbekannten Erben im Löschungsverfahren bestellt.

Im Oktober 2018 hat der Beteiligte einen ersten Bericht in der Nachlasssache an das Nachlassgericht übersandt und u.a. mitgeteilt, dass die Löschungsbewilligung seiner Auffassung nach zu erteilen sei. Zudem hat er in einem weiteren Schriftsatz beantragt, die gerichtliche Genehmigung zu erteilen. Nachdem er im Januar 2019 die Löschungsbewilligung in öffentlich beglaubigter Form mit Zustimmung des bestellten Verfahrenspflegers erklärt hat, hat das Nachlassgericht die Erklärungen des Beteiligten nachlassgerichtlich genehmigt. Anschließend ist die Löschung der Rechte des Erblassers im Grundbuch erfolgt.

Im April 2020 hat das Nachlassgericht den Beteiligten aufgefordert, eine Rechnungslegung mit den Originalbelegen einzureichen, die Vergütung anzumelden und anschließend den Restnachlass beim Amtsgericht zu hinterlegen. Im weiteren Verlauf hat das Nachlassgericht an diese Verfügung erinnert, eine weitere Frist gesetzt und die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 1.000,00 € angedroht.

Durch späteren Beschluss hat das Nachlassgericht das Zwangsgeld gegen den Beteiligten festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte beim Amtsgericht sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.

II. Problem

Das OLG Köln erachtete die sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes, als statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache jedoch als erfolglos.

Das Nachlassgericht habe zu Recht ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € gegen den Beteiligten festgesetzt.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Anordnung der Nachlasspflegschaft und Aufsichtsmaßnahmen gegenüber dem Nachlasspfleger ergebe sich vorliegend gem. Art. 10 Abs. 1 Ziff. a) EuErbVO. Der Erblasser habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes in Brasilien gehabt, d.h. nicht in einem Mitgliedsstaat der EuErbVO. Es befindet sich Vermögen des Erblassers in Deutschland und der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger.

Die Festsetzung des Zwangsgeldes richte sich nach deutschen Sachvorschriften. Zwar sei hier gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO auf die Erbfolge grundsätzlich brasilianisches Recht anzuwenden, weil der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Brasilien hatte und eine Rück- oder Weiterverweisung gem. Art. 34 EuErbVO im Hinblick auf die Wohnsitzanknüpfung im brasilianischen Recht nicht in Betracht kommt. Maßnahmen der Nachlasssicherung wie die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. §§ 1960, 1961 BGB seien indes als verfahrensrechtliche Befugnisse zu qualifizieren, die auch im Falle eines ausländischen Erbstatuts bestehen und durch ein deutsches Gericht als Teil der lex fori ausgeübt werden dürfen (MüKo-BGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO, Art. 19 Rn. 3; Zimmermann, Rpfleger 2017, 2, 3). Dies gelte für die Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen einer unterbliebenen Rechnungslegung im Rahmen einer auf Antrag angeordneten Nachlasspflegschaft im Sinne von § 1961 BGB gem. Art. 29 Abs. 1, Abs. 3 EuErbVO jedenfalls dann, wenn - wie hier - das auf die Erbfolge anzuwendende Recht das Recht eines Drittstaates ist (MüKo-BGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO, Art. 29 Rn. 16; Dutta/Weber/Magnus, Internationales Erbrecht, 2016, EuErbVO, Art. 29 Rn. 6, 45).

Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gem. § 35 FamFG liegen vor. Die Pflicht zur Rechnungslegung gem. §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1840 BGB bestehe gegenüber dem Gericht und könne von diesem grundsätzlich durch Zwangsgeld gem. §§ 35 Abs. 1 FamFG, 1915 Abs. 1 S. 1, 1837 Abs. 3 BGB durchgesetzt werden (Palandt/Götz, BGB, 79. Aufl. 2020, § 1840 Rn. 5). Das Nachlassgericht habe den Beteiligten mehrfach zur Rechnungslegung aufgefordert und ihm letztlich eine Frist zur Vorlage gesetzt. Für den Fall des Unterlassens habe das Nachlassgericht angedroht, ein Zwangsgeld festzusetzen (§ 35 Abs. 2 FamFG). Dabei hat es die Höhe des Zwangsgeldes mit 1.000,00 € auch angegeben (vgl. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 5. Aufl. 2020, Rn. 721). Der Beteiligte habe die Anordnung des Nachlassgerichts auch schuldhaft nicht befolgt. Nach §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1840 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 BGB habe der Nachlasspfleger dem Nachlassgericht (§ 1962 BGB) jährlich über seine Vermögensverwaltung Rechnung zu legen. Nach §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1841 BGB solle die Rechnung eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, über den Ab- und Zugang des Vermögens Auskunft geben und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, mit Belegen versehen sein. Hier sei eine Rechnungslegung in diesem Sinne über die Verwaltung des Nachlasses, die auch vom Aufgabenkreis des Nachlasspflegers mitumfasst ist, nicht erfolgt. Der Beteiligte habe zwar ein Vermögensverzeichnis vorgelegt und in seinen Berichten Angaben zur Verwaltung des Nachlasses gemacht. Es fehle indes eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie die Vorlage der entsprechenden Belege. Die Frist von einem Jahr nach Bestellung des Nachlasspflegers sei längst abgelaufen. Auch die Höhe des Zwangsgeldes sei nicht zu beanstanden.

III. Fazit

Auch wenn nach der Europäischen Erbrechtsverordnung gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO auf die Erbfolge das Recht eines Drittstaats zur Anwendung kommt, weil der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Drittstaat hatte, bleibt es hinsichtlich von Maßnahmen der Nachlasssicherung, wie vorliegend etwa der Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. §§ 1960, 1961 BGB, bei der Anwendung deutschen Rechts und der Ausübung der verfahrensrechtlichen Befugnisse durch deutsche Gerichte.


Rezension des Beschlusses des OLG Köln  v. 09.12.2020 - 2 Wx 293/20; „Anordnung Nachlasspflegschaft / Anwendbares Verfahrensrecht / Letzter gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 4 April 2021, S.227 f


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